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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: periodical — 1.1929/​1930

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Breuer, Robert: Rudolf Wilke
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0053

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KUNST DER ZEIT
ZEITSCHRIFT DER KÜNSTLER-SELBSTHILFE

Rudolf Wilke
von
ROBERT BREUER
Eines Tages war der Zimmermanns-
lehrling Rudolf Wilke von seinem Ar-
beitsplatz verschwunden. Er sollte das
Handwerk seines Vaters erlernen und
hatte sich dabei auch ganz willig und
geschickt angestellt. Nur schien er
zuweilen in sich hineinzuhorchen; er
stand versunken, als schweiften seine
Gedanken irgendwo in der Ferne.
Wanderlust sprang aus seinen Augen;
sie suchten Abenteuer. Das Blut des
Niedersachsen, in dem der Meerwind
und ein Erinnern an weite Fahrten
schläft, rauschte auf. Das enge Braun-
schweig, in dessen mittelalterlich ge-
duckten Mauern er geboren worden
war, wurde ihm zwar liebes, aber doch
lähmendes Gefangensein. Rudolf Wilke
wollte hinaus in die Welt; er wollte
sehen, sehen und all das Gesehene


Eduard, der Bogenmensch

irgendwie festhalten, wie das die Maler tun, denen er, wenn sie in den
Wiesen saßen, häufig zugeschaut hatte. Rudolf war verschwunden, doch
uian fand ihn bald auf einem Floß mitten im Fluß treibend. Er hatte sich

das zerbrechliche, aber von allerlei Aufregung und Traum umwehte Fahrzeug
selbst gebaut; es glitt, vom Wasser willig getragen, ins Ungewisse, von dem
der Jüngling jedoch glaubte, daß es ein neues und das eigentliche Leben
sein würde. Der Vater begriff und schickte den Sohn zunächst auf das
Braunschweiger Polytechnikum. Als er soweit gekommen war, einen
gipsernen Kopf Goethes getreu abzuzeichnen, durfte er nach München

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