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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Edon, Magda: Memoiren eines Berufsmodells, IV
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0090

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Memoiren eines Berufsmodells
Wir veröffentlichen hier die Lebensbetrachtung
i\/ eines Malermodells, ganz in der Form, wie Frl.
* ’ Edon es abgefaßt hat. Ähnliche Artikel lassen wir
folgen. DieSchriftleitung
Einmal habe ich bei einem bekannten Porträtmaler Modell
gesessen an Stelle einer alten Dame, welche bereits vor dem Kriege
gestorben war und sich nie hatte photographieren lassen. Ihre
Kinder ersehnten aber ein Bildnis der teuren Verstorbenen, um so
mehr, als von dem Vater ein Ölporträt vorhanden war. Eines
schönen Tages beschloß eine der Töchter sich mit einem Maler in
Verbindung zu setzen. Sie versicherte ihm, Mama schwebe ihr noch
so deutlich vor Augen, daß sie ihm jeden Zug und jeden Teil des
Angesichtes genau beschreiben könne. Das gute Kleid war auch
noch aufgehoben worden, so daß einem Abkonterfeien ihres
Erachtens nichts im Wege stände. Der Maler ließ sich nach einigem
Sträuben und nachdem das alte Fräulein durch das Nennen eines
verhältnismäßig sehr hohen Preises nicht abzuschrecken war, auf
die Sache ein, und ich wurde herbeizitiert, um in der Robe der ver-
storbenen Mutter deren Körper zu ersetzen. Die Auftraggeberin
war nun jeden Tag einige Stunden im Atelier, wurde auf einen
Stuhl hinter den Maler placiert und dirigierte dessen Pinsel, nach-
dem sie ihm nacheinander alle betreffenden Angaben machte: das
Angesicht war rund — starke Backenknochen — die Nase so .. .
Mund so . . . usw. Die Sache war langweilig und für den Maler
eine Tortur. Das Fräulein aber war nicht zu ermüden und er-
klärte immer wieder, daß das Bild bestimmt gut würde, es war
schon Ähnlichkeit da, nur-Mama hat nicht so geguckt, die
Nase war etwas zu breit — der Mund zu schmal — da links neben
der Nase eine kleine scharfe Falte, das Ohr kleiner — ja sie kam
sogar eines Tages mit einer Frisur, wie die verstorbene Mutter sie
getragen hatte. Wochenlang dauerte die Arbeit; das Fräulein
wurde immer zufriedener mit „ihrer“ Leistung und erklärte zum
Schluß, daß das Gesicht so bleiben könne. Es wurde auch Zeit, denn

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