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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Edon, Magda: Memoiren eines Berufsmodells, V
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0114

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Memoiren eines Berufsmodells
Wir veröffentlichen hier die Lebensbetrachtung
x , eines Malermodells, ganz in der Form, wie Frl.
* • Edon es abgefafst hat. Ähnliche Artikel lassen wir
folgen. DieSchriftleitung

Einmal wäre beinahe eine jetzt sehr glückliche Ehe durch mich nicht zu-
stande gekommen. Einer meiner Maler lernte die Tochter eines reichen Kauf-
mannes kennen, malte sie, verliebte sich in sie, fand Gegenliebe, verlobte sich
mit ihr, aber — Papa war nicht sehr entzückt von dieser vorgesehenen ehe-
lichen Verbindung seiner Tochter. Ein Maler war für ihn der Inbegriff alles
Unmoralischen. Speziell lag das Malen nach Modell ihm schwer auf der Seele.
Trotzdem gab er endlich seine Zustimmung zur Verlobung und Ehe unter der
Bedingung, daß der Künstler nicht mehr nach Modell malte — er würde auch
dies ja gar nicht mehr nötig haben, da Schwiegerpapa ihm einen ausreichen-
den finanziellen Zuschuß zusagte .... ! Seine Zukünftige, ein Mädchen mit
moderneren Ansichten als ihr Vater, fand diese Bedingung ebenfalls lächerlich,
riet aber dem empörten Geliebten vorläufig die Zusage zu machen. Wenn die
Ehe einmal geschlossen wäre, könnte man das Versprechen ja lösen ... als
verstoßend gegen die guten Sitten! 1 1
Während all dieser Begebenheiten absolvierte ich aber jeden Vormittag
meine drei Arbeitsstunden bei dem Künstler, und die neue Situation brachte
hierin auch keine Veränderung. Eines Morgens waren wir mitten in der
schönsten Arbeit, als es an der Ateliertür klingelte. Der Maler lugte vor-
sichtig durch das kleine Guckloch, erblaßte, ließ vor Schreck seine Palette
fallen, und schrie im selben Moment: „Einen Augenblick, ich schließe sofort
auf, ich muß eben den Schlüssel suchen!“ Dieses Suchen bestand darin, mich
ohne weiteres in den kleinen Vorraum zu schieben, das Gemälde von der
Staffelei zu rücken, etwas anderes hinzustellen und — dann die Tür zu öffnen.
Ich hatte gar nicht verstanden was los war. Wenn sonst Besuch kam, wickelte
ich mich in meinen Kimono und setzte mich in irgendeine Atelierecke. Ich
horchte deswegen gespannt an der Tür und merkte alsbald, wer der hohe Gast
war, nämlich der zukünftige Schwiegerpapa, der wohl einmal kontrollieren
kam, ob seiner Forderung auch wirklich nachgekommen wurde. Mich fror
furchtbar in dem ungeheizten Raum, denn ich hatte in der Eile auch nicht
das geringste Kleidungsstück mitgenommen.
Ich merkte, wie der Besucher sich das. Atelier ansah, und hörte an den
sich entfernenden Stimmen, daß die beiden in die hinteren Räume gegangen
waren, um in dem nächsten Moment die Stimmen aber schon wieder im
Atelier zu hören, sogar in der Richtung auf mein Versteck zu. Ich hörte wie
der Maler sagte: „Da ist noch ein kleines Zimmerchen, wo ich nur Gerümpel
aufbewahre“. Im selben Moment merkte ich, daß jemand den Türgriff an-
faßte .... ich schaute um mich .... sah in einer Ecke einen Vorhang,
welcher über alte Kleider gehängt war und — schlüpfte dahinter. Dann ging
die Tür auf .... mein Herz klopfte mir bis zum Hals . . . . ! Höchstens eine
Minute dauerte die Qual, dann hörte ich die Tür wieder zugehen . . . . !
Die Ehe ist eine sehr glückliche geworden, und ich bin noch immer bei
dem Künstler beschäftigt.

HO
 
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