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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Edon, Magda: Memoiren eines Berufsmodells, III
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0068

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Memoiren eines Berufsmodells
Wir veröffentlichen hier die Lebensbetrachtung
Ul eines Malermodells, ganz in der Form, wie Frl.
‘ Edon es abgefafst hat. Ähnliche Artikel lassen wir
folgen. DieSchriftleitung

Am meisten gefällt mir in meinem Beruf, daß meine „Arbeitgeber“ oft
interessante Menschentypen sind, und es macht mir eine große Freude, sie
während der Arbeit zu betrachten und aus den Gesprächen, welche sie
manchmal mit mir, oder wenn Atelierbesucher da sind, mit den Gästen
führen, den Menschen und seine originellen Anschauungen kennenzulernen.
Manchmal bin ich auch Zeuge von dem Kampf, welchen der Künstler nicht
allein um seine künstlerische Anerkennung, sondern vor allem um das tägliche
Brot zu bestehen hat. Einmal hatte ich wochenlang bei einem Maler zu tun,
der mit Ausdauer und Fleiß an einigen Bildern arbeitete, welche er auf
eine der nächsten großen Ausstellungen schicken wollte. Er arbeitete den
ganzen Tag und verbrachte seine freie Zeit damit, irgendwo etwas Geld
für Miete und Essen zusammenzupumpen. Als das letzte Bild so gut wie
fertig war, waren aber auch seine letzten Hilfsquellen völlig erschöpft. Ich
hatte schon einige Wochen auf Entlohnung verzichtet, da es mir angesichts
der kolossalen Energie des Künstlers daran gelegen war, daß er seine Arbeit
vollenden konnte. Als nun der Tag der Einlieferung für die Ausstellung
da war, waren die Bilder fertig und sowohl seine wie meine finanzielle Lage
trostlos. Nun waren aber die Bilder stark eingetrocknet, so daß sie un-
bedingt vor der Jury noch gefirnißt werden mußten. Hier war guter Rat
teuer, der Firnis ebenfalls, und Geld hatte weder er noch ich. Da haben wir
nach langem Überlegen folgendes gemacht: Ich bin mit einer großen Liter-
flasche losgegangen zum nächsten Farbenhändler und habe glattweg % Liter
Firnis verlangt. Als er in die Flasche gefüllt war, sagte ich: „Sie möchten
es anschreiben, es ist für Herrn X.“ Natürlich hat mein Künstler auch nicht
für einen Pfennig Kredit, und im nächsten Moment wurde mein schöner
Firnis wieder in die große Büchse zurückgeschüttet. Stolz rannte ich mit
meiner Flasche ins Atelier. Wir entkorkten sie und ließen den noch darin
zurückgebliebenen teuren Firnis in eine kleinere Flasche laufen und stellten
zu unserer großen Freude fest, daß sich der Gang gelohnt hatte. Ich wieder-
holte diesen Trick bei noch mehreren Farbenhändlern in der Umgegend,
überall mit demselben Resultat, und so hatten wir nach einigen Stunden
genug zusammengeholt, . um allen drei Gemälden ein frisches Aussehen zu
geben und die Farbe von neuem leuchten zu lassen.
Ganz anders gestaltete sich meine Tätigkeit bei einem Künstler, zu dem
ich auf folgende Weise kam:

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