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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 3
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Berliner Kunstchronik
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Allgemeine Kunstchronik
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Nr. 5

Die Kunst-Palle.

^5

straße D oder an den Lieransgeber dieser Zeitschrift ge-
richtet werden.
* Martin Schauß ist der Name eines jungen Bild-
hauers (geb. 1867), der bei Schulte mit einer Anzahl tüchtiger
Arbeiten schöne Erwartungen für die Zukunft erweckt. Er
hat u. a. eine kleine Genregruxpe „Kampf um's Dasein"
in grüngetönter Bronze ausgestellt: ein lachendes Satyr-
weibchen mit zwei Sprößlingen, von denen das eine stram-
pelnde Bübchen seinen Weg zur strotzenden Mutterbrust
viel flinker als das andere zurücklegt. Ein Muster geschmack-
voll feiner Nodellirung ist die violett und goldig, also ideal
getönte Gipsbüste einer hiesigen Schauspielerin (Meta
Illing). Aehnlich den Porträtwerken der Florentiner Ouattro-
zentisten ist die Büste unterhalb gerade abgeschnitten und
ruht auf einer polzfläche; auch fordert die frifche anmuthige
Jugendlichkeit, das überaus natürlich etwas zur Seite ge-
drehte Köpfchen, das wie eine liebliche Blüthe auf dem
Palse ruht, zum vergleich mit den edlen Gebilden der
Porträtxlastik der Frührenaissance heraus. Nur ist das
wohlgetroffene Modell nicht eins jener Patriziermädchen,
die mit schämigem Ernst ihre Augen nur halb zu öffuen
wagten, sondern ein modernes, prächtig kostümirtes Welt-
kind, das sich offenbar keck und gern den Blicken männlicher
Bewunderung aussetzt. Der Bronzekopf „Alexandra" er-
innert in dem geistvoll heroischen Ausdruck seiner Züge an
die Formensprache gewisser heutiger Franzosen. Dann fallen
noch besonders ein terrakottaähnlich gefärbter Kopf „Lisette"
nnd zwei ganz flache kleine Bronzereliefs „St. Jean" und
„St. Eocile" auf. Schauß ist kürzlich von einem längeren
pariser Aufenthalt zurückgekehrt. Mari merkt das sehr an
den obigen Sachen; man merkt aber auch an der Gewissen-
haftigkeit ihrer Durchführung, daß der jnnge Meister aus
dein Knnsthandwerk hervorging. Durch den bekannten Voll-
gold zunächst auf die Goldschmiedekunst hingelenkt, setzte er
seine Thätigkeit sodann in der Kgl. Porzellanmanufaktur
fort. Als Schüler der Berliner Kunstakademie haben Wolf
und perter seine Studien einige Zeit geleitet, bis er sich
auf die Wanderschaft begab, um selbstständig zu sehen und
zu schaffen. Er wird hoffentlich bald selbst erkennen, daß
es sich für einen begabten deutfchen und märkifchen Künstler
auf die Dauer nicht ziemt, in pariser Teichen Fische zu
angeln.
* Als Ersatz für den kürzlich verstorbenen p ermann
Preckle hat der Verein Berliner Künstler perrn
Edwin Klobasser zu seinem Geschäftsführer gemacht,
preckle hat an dein Aufschwung der Berliner Ausstellungen
mehr Antheil gehabt als inan draußen wußte, wie über-
haupt die „anonyme" Wirksamkeit der Geschäftsführer nicht
nach Gebühr geschätzt zu werden pflegt. Ein Beispiel mag
die Wichtigkeit der Sache beweisen: die Münchener Se-
zessionisten fühlten sich erst stark genug ihre eigene Aus-
stellung zu machen, als Rath Paulus für ihre Sache ge-
wonnen war. perr Klobasser hat bisher am wiener Künstler-
hause eine zweite Stellung bekleidet. Da die Verhältnisse
in Berlin zur Zeit ungewöhnlich hohe Ansprüche an die
Erfahrung und Thatkraft des Geschäftsführers stellen, darf
man wohl hoffen, daß der Verein die Wahl des genannten
perrn reiflich erwogen hat.
* Zur Erinnerung. Am 2ß Oktober M95 starb
der Gberbaudirektor des Großen Kurfürsten: Joh. Arnold
Nering, angeblich ein Holländer. Er hat den sogenannten
Arkadenflügel des Berliner Schlosses an der Sxreeseite und
den Alabastersaal (mit M. Mz. Smidt's) gebaut. Das alte
Leixzigerthor und die Schloßkapelle zu Köpenick sind mit
einer Reihe anderer Bauwerke, die nicht mehr bestehen,
charakteristische Zeugnisse seiner strenger:, etwas nüchternen
Behandlung der antiken Bauformen. Er soll auch den
Mittelbau des Charlottenburger Schlosses angelegt haben,
und jedenfalls hat er den Ban des hochgerühmten Berliner
Zeughauses begonnen, dessen Fassaden in ihrer klassisch-
monumentalen Architektur vielmehr auf den Entwurf des
Pariser Akademikers F. Blondel zurückznführen sind. Das
hindert nicht, daß die Werkzeichnnngen, nach der Skizze des
Franzosen, unter Nerings Augen entstanden. Um nun auch
die Architektur des Zeughauses für Nering zu retten, hat
ein übel angebrachter Lokalpatriotismus auf dessen Reise
nach Italien angespielt. Der Meister wurde von: Kurfürsten

auf die Rehe geplackt, nicht um Architektur zu studiren,
pudern mn lediglich in der Mathematik und Ingenieur-
kunst Kenntnisse zu sammeln.
Die große Berliner Kunstausstellung kann
mit Befriedigung auch auf ihre diesjährigen geschäftlichen
Resultate blicken. Insgesammt gelangten zum verkauf
52? Kunstwerke für rund 375,000 Mark, also um 108,000 Mark
mehr wie im vorigen Jahre. Der verkauf der Eintritts-
karten brachte über'300,000 Mark.
Außer den in der obigen Besprechung erwähnten,
haben im Salon Schulte noch folgende Künstler ausgestellt:
Vanns Fechner, W. Meyer-Lüben, A. Schöner,
wladi Sichelkow, T. Steinthal, I. Engel, R. von
Voigtländern, a. (Bildnisse); L. A l m a - T a d e m a, M. v 0 n
Bunsen, G. Perz, I. von der Lage, G. Romin,
E. F. Ulrich u. a. (Gemälde).
* Die Nationalgalerie hat ein in Pastell ausge-
führtes Damenbildniß von Piglhein erworben. Die Fischer-
grnxpe von Brütt ist nunmehr in Bronze ausgeführt. Für
die Sammlung der pandzeichnungen sind einige bemerkens-
werthe Ankäufe gemacht worden: ein Porträt-Album von
Sain. Diez, bestehend aus po Blatt in Blei und Tusche,
ferner von Ludwig Richter M Blatt Aquarelle, Zeichnungen
und Studien ans verschiedenen Zeiten. Von Schenkungen
sind zu verzeichnen: ein kleines Gemälde „Marine" und
eine Bleistiftzeichnung „Landungsplatz in Stockholm" von
P. Wickenberg, zwei Aquarelle von Fr. Alt und Permann
Kaufmann, sowie eine Kreidezeichnung von A. von peyden.
Der Kommerzienrath Wilhelm Borchert - Berlin hat der
Galerie zwei Marmorstatuetten vermacht, die „Bacchantin"
von Albert Wolff und den „Schlangentödter" von Gilk.
* Giovanni Boldini arbeitet an einen: Bildniß
Adolf Menzels, das anch in Berlin zur Ausstellung ge-
langen soll.
Allgemeine VtuustchrmM-
* Aus d em w i en er K unstl eb en. Am p. Oktober
wurde in: Stadtxark unter zahlreicher Betheiligung der
wiener Künstlerschaft das Denkmal des Landschaftsmalers
I. E. Schindler enthüllt. Drei der hervorragendsten
Schüler des Meisters, der Maler Moll, sowie die Wale-
rinnen Olga W is in g er - F l 0 r i a n und Marie Egner
hatten das Denkmal pietätvoll gestiftet, und die wiener
Kommune hatte einen idyllischen Platz in: Stadtxark zur
Aufstellung des Monumentes überlassen. Das Denkmal, in
Earrara-Marmor gemeißelt, eine überaus gelungene Schöpfung
Professor L d münd p ellmers, stellt Schindler auf einen:
Steinblock sitzend dar. Die Packung ist möglichst noncha-
lant, die rechte pand ruht auf dem rechten Schenkel
und hält ein paar Blumen, die linke hängt rückwärts über
die Steinlehne herab. Der Kopf ist frei und etwas sinnend
vorgeneigt, das Auge blickt ruhig hinaus ins Grün mit
jenen: heiteren, sinnigen Blick, der Schindler eigen war.
Mn den Mund spielt ein leichtes Lächeln, halb behaglich
und halb ironisch. Ls besteht bekanntlich die Absicht, in:
Stadtpark noch eine Reihe von Künstlern mit Denkmälern
zu bedenken. Demnächst sollen Makart, dann Petten-
kofer und Waldmüller an die Reihe kommen. Das
Makartdenkmal geht im Atelier Tilgner's seiner Voll-
endung entgegen. Ls zeigt den Meister in d?m malerischen
Kostüm, das er bei Gelegenheit des Festzuges trug, die Rechte
auf eiuen Stuhl gestützt, die Linke auf der Brust. Antlitz und
Packung drücken stolzes Selbstbewußtsein aus, wie es dem
Künstler eigen war, als er im Zenith seines Ruhmes stand.
In der Aula der Technischen Pochschule wurde kürzlich eine
Kaiserstatue Professor Rudolf weyr's enthüllt. Sie
überrascht durch die vornehme Auffassung, die lebhafte Be-
wegung und die außerordentliche Porträttreue. Besonders
bewundert wird die starke Wirkung, welche der Künstler
durch die Verwerthung des dekorativen Llementes erzielte.
Diese Schöpfung wird vielfach als die beste hisher existirende
Monumentalstatne des Monarchen bezeichnet.
* Im Wiener Künstlerhause ist an: p. eine graphische
Ausstellung der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst
 
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