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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 20
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: Deutschland, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0355
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Nr. 20

Die K u n st - H a l l e. -

309

der Farbe hier zuerst auftrat. Die großartigste Leistung
bat diesmal Iulius Bergmann iu sciuem ,plbend
am Tmnpel" gegeben. Während aus dem Wald
schon die kalten Schatten des Abends ruhn, glüht der
letzte goldige Sonnenschein das Mädchen und die
Rühe, die sie weidet, an. Auch der Laie, der sonst
nach dem Inhalt nur ein Kunstwerk abschätzt, wird
hier empfinden, wie der prosaischste Stoff durch die
Form geadelt werden kann, wird mit dem Künstler
die Poesie dieses Stückes Altagswelt empfinden. Hier
erst darf man mit Wahrheit von dem Geist der alten
Holländer sprechen, der oft unfüglich für moderne
Werke angezogen wurde, die nur einseitig in den
Motiven, nicht aber in der künstlerischen Umwerthung
des Geschauten etwas davon verspüren ließen. Nur
daß wieder der aus dem wirklichen Lindruck gezogene
grüngoldige Grundton unseren: Gefühl näher liegt
als die mehr konventionellen Harmonien jener Meister.
Dieses Individualismen der Stimmungen durch den
Ton ist neue Errungenschaft. Daneben steht Kamp-
mann's „Spätherbstabend": zwischen den letzten
Stämmen des Waldes sieht man den Himmel im
Abendroth leuchten, das in sanfteren Reflexen noch
über Boden und Bäume hinspielt. Mit großen festen
Zügen, schlagend auf den ersten Blick, ist der Ein-
druck hingeschrieben. And derselbe Geist ist es, den
wir bei den übrigen Meistern finden, bei Meister
Schönleber, ob er die blauen Wunder der Riviera
malt oder das Hochwasser, das der Herbststurm auf-
wühlt, bei Manuel Wielandt, der mit seinem ent-
zückenden Stück „Tapri" als gefährlicher Rivale für
alle Italienmaler auftritt, bei Kalckreuth, der im
„Hamburger Hafen", und bei Kallmorgen, der in
der „Maas bei Rotterdam" auf neuem Gebiet alte
Meisterschaft bewährt, bei dem vielseitigen, fein-
fühligen H. v. Volkmann, bei Viktor Weishaupt
und seiner Gattin Fanny von Geiger-Weis-
haupt, die ebenbürtig neben den besten Künstlern
steht. Man kann diese Bilder nicht beschreiben, weil
ihr stofflicher Inhalt sehr gering ist. —
Die Dresdener Sezessionisten haben nicht eine
so ausgesprochene Gemeinsamkeit, bilden überhaupt
keine Schule. Es sind meist jüngere Leute, die bald
hier, bald da Anregungeu empfangen haben, und die
nun nach den Wanderjahren seßhaft geworden sind,
um mit Hülfe des Erlernten in eigentlichen Lehr-
jahrei: ihre eigene Art zu entwickeln. Gotthardt
Kuehl, der seit kurzen: in Dresden lebt, wird viel-
leicht für manchen von ihnen eine Nolle spielen, aber
sicher nicht in dem gewöhnlichen Sinne als Lehrer
wirken können und — wollen: alle diese aufrechten
und frischen Leute machen ganz dei: Eindruck, den
Kampf mit dem Objekt auf eigene Faust ausfechten
zu wollen. Es ist eine Frische und Urwüchsigkeit in
ihren Arbeiten, die viel verspricht. Zumal von den
wechselnden Modeeinslüssen, die so viele von den
Münchener Jungen an gedeihlichem ruhigen Fort-

arbeiten hindern, scheint gereicht die Rede zu sein.
So viel ich weiß, tritt der Dresdener Verein hier
zum erste:: Mal geschlossen auf, und man darf sagen,
daß er unter Umständen viel für die Kaumnochkunst-
stadt bedeuten kann. Es ist merkwürdig, und man
darf es vielleicht als Symbol nehmen, daß diese
Künstler an: liebsten den Vorfrühling schildern, die
Zeit, da die Erde sich von: Bann des winters zu
befreien beginnt. Frühlingskunst — Kunstfrühling:
inan weiß nicht, was noch werden mag. Earl
Bantzer, Müller-Breslau, W. G. Ritter, Sterl
a. A. behandeln das Motiv. Ein Kabinetstück ist
Sterl's „Dämmerung im Januar". Er hat das
Gute der Schotten auf sich wirken lassen: in den
feinen und feinsten Nuancen von Braun und Violett
ist das Bildchen von schönster dekorativer Wirkung.
Aber er hat nicht nachgeahmt: sein Bild hat auch
das Ueberzeugende, die Wirklichkcitsgrundlage, die
jene Künstler so oft über den: Spiel mit der Farbe
vernachlässigen. Eine Fülle von Luft, Licht und Duft
liegt über Bantzer's Sommerlandschaft: „Im Schatten".
Das wogende Aehrenfeld zumal und das Spiel des
Lichts auf der Rinde der Bäume, die in seiner Mitte
stehen, ist brillant gegeben. Seidel's „Herbstnach-
mittag" entzückt durch den warmen Sonnenschein.
Der Pointillist Earl Mediz hat in den: märchen-
haften „Birkenwald" mit den: bogenschießenden jungen
Faun und den: kauernden Nymphchen seine bizarre
Technik durch ihre:: famosen Erfolg gerechtfertigt, in
seinen andern Bildern nicht. Unter den Bildnissen
ist ein Damenporträt von Bantzer zu nennen, eins
der vornehmsten und schönsten, die ich kenne. Schwarz
auf Grün. Nur ein paar Farben in den Stickereien
der Stoffe und das violett eines Veilchenstraußes be-
leben den Grund. Das kluge Gesicht hebt sich leb-
haft heraus. Pietschmann, dessen „Adam und Eva"
schon in München ausgestellt war, giebt mit Kraft
und Zartheit die „Bildnißstudie" eines jungen Mäd-
chens in schottischer Blouse, dessen frisch geröthetes
Gesicht ein blauer Schleier bedeckt. Kuehl's meister-
haftes „Altmännerhaus" ist gleichfalls aus München
bekannt. Was würden die Franzosen mit einem Kuehl
aufstellen! Sie würden einen: solchen Meister einen
Namen machen, der ihn: Ehren und Schätze aus
aller Welt zuführt. F. W. Scholtz schildert in einer
„Dämmerung" mit den: Motiv der Brühl'schen Ter-
rasse feinfühlig Abendlicht und Abendlichter. Eine
Lithographie „In: Walde" von Otto Fischer fällt
durch einen wundervoll gezeichneten Akt auf.
Wie wenig der Name „Sezession" ein be-
stimmtes künstlerisches Progran:::: enthält, das zeigt
die Düsseldorfer Vereinigung, die ihn sich zugelegt
hat. Man begreift überhaupt erst, wie diese meist
recht maßvollen Herren zu einer Trennung von den
Alten kommen konnten, wenn man in den Sälen der
Genossenschaft die beispiellose Rückständigkeit und
Verknöcherung dieser älteren Generation erkennt.
 
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