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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 12
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Imhof, Franz: Drei wichtige Rechtsfälle
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Thomas, Bertha: Londoner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0214
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Die A n st - L) a I l e -

s8^

Nr. (2

daß der Holzschnitt mit ineisterhafter Technik ausge-
führt sei, aber auch, daß eine Arbeit vorliege, welche
der Verein nur als eiue mechanische Nachbildung
habe anerkennen können. Der zweite Sachverständige,
Professor Köpping, war anderer Ansicht. Dem Holz-
schneider würden durch die Photographie nur die
Konture gegeben, darauf beruhe aber noch lange
nicht die Aehnlichkeit. Die malerische, künstlerische
Wirkung müsse der Holzschneider erst erzielen. Der
graphische Künstler leiste unendlich viel mehr als ein
mechanisches Werk. Tin photographisches Werk
biete nur eine glatte Oberfläche, der Holzschneider
müsse vertiefen, er müsse Lichteflekte erzeugen, wozu
künstlerisches Verständuiß und Auffassungsgabe ge-
höre. Würde der Gerichtshof den Holzschneidern
das Prädikat „Künstler" absprechen, so würden da-
durch auch punderte von Dialern betroffen werden,
deren ausgezeichnete Kopien in den Ausstellungen
mit Preisen gekrönt wurden. — Der folgende Sach-
verständige, Professor Skarbina, sprach sich ebenfalls
zu Gunsten der Holzschneider aus. Zweifellos sei
feder Holzschnitt ein selbständiges Kunstwerk. — Der
dritte Sachverständige, der ^ylograph Baudouin,
legte dem Gerichtshöfe zwei polzblöcke vor. Auf
den: einen zeigte sich die übertragene Photographie
der Königin von Tngland, auf dein zweiten eine
Freihandzeichnung. Der Gerichtshof möge selbst be-
urtheilen, wie viel leichter es sei, eines Holzschnitt
nach der Zeichnung auszuführen als nach der Photo-
graphie."
Obwohl die Gutachten der Professoren A. von
Werner und p. Vogel, die nicht erschienen waren,
ausblieben, erklärte sich doch der Gerichtshof schon
mit den Aussagen jener künstlerischen Sachverständigen
überzeugt und erkannte auf Freisprechung des
cherrn N. Bong. Wir unsererseits können nur hinzu-
fügen, daß obwohl gerade in dem vorliegenden
Falle die Freisprechung sehr svmpathisch berührt, doch
wohl mit diesem Ausgang des Streites ein etwas
bedenklicher Präzedenzfall geschaffen sein dürfte.
letzterer scheint uns in noch weit bedenklicherem
Grade bei der dritten Streitangelegenheit vorzuliegen,
über die cherr Nechtsanwalt Paul Schmid in Nr. s()
der Deutschen Photographen-Zeitnng sehr ausführlich
berichtet. Ts heißt in diesem Bericht u. a.-
„Tin Sachverständiger Inhaber einer Iof-
nnd Kunftanstalt für Lichtdruck - wird von einem
Andern aufgefordert, eine von einem Dritten herge-
stellte Photographie zu reproduziren. Ts muß ange-
nommen werden, daß das den Nachbildungen zu
Grunde liegende Original den Trfordernissen des
ff ö des Gesetzes vom O. Januar (876 entsprochen
hat, d. h., daß es den Namen und Wohnort des
Verfertigers und die Angabe des cherstellungsjahres
enthalten hat. Dieses vorausgesetzt, sprach uach dem
Gesetze die Vermuthung dafür, daß der auf der
Origiualphotographie benannte Verfertiger loder Ver-
leger) das alleinige Neproduktionsrecht an der Pho-
tographie habe. Von dem X., als einem Sachver-
ständigen auf dem Gebiete des Photographiege-
schäftes, müßte man Kenntniß und Innehaltung des
Gesetzes gewiß voraussetzen. Tr setzt sich aber über
diese Bedenken mit der Angabe hinweg, er habe an-
nehmen müssen, der — nicht ans diesem Gebiete
sachverständige — p. habe das Neproduktionsrecht,
weil er ihm den Auftrag ertheilte. p. seinerseits
räumt ein, kein Neproduktionsrecht gehabt zu haben,
entschuldigt sich aber damit, daß er keine Kenntniß
vom Bestehen eines Rechtsschutzes für Photo-

graphien besessen habe, eines Rechtsschutzes, der nun-
mehr schon seit 20 Jahren gesetzlich festgestellt
ist. Lin Sachverständiger beruft sich also auf einen
Nicht-Sachverständigen, und der Nicht-Sachverständiae
auf seinen völligen Mangel an Sachkenntnis). Und
das Gericht — hält Beide für straflos, weil Beide
geirrt hätten und bei Beiden der Irrt hum ein
ent s chuldbarer sei."
Wir meinen, die Sache redet selbst so deutlich,
daß sie keines weiteren Kommentars bedarf.
Fran; Imhof.
X
Londoner Ikunstbriet.
HM^as eine Jahr, welches seit Lord Leigh ton's
Tod verflossen ist, hat uns diesen Künstler-
schön in diejenige Distanz gerückt, aus der sich ein
unbefangenes Ürtheil über den bleibenden Werth
seiner jetzt in der Royal Academy ausgestellten, und
zwar zum ersten Mal in der Gesammtheit uns vor-
geführten Werke gewinnen läßt.
Unter allen Vertretern der akademischen Schule
hier zu Laude steht er entschieden am höchsten. Aber
in dem Realismus Millais', der mächtigen Phantasie
Watt's, dem romantischen Idealismus Burne Ionc's
steckt weit mehr charakteristisch englisches Tmpfinden.
Line harmonischere Tntwickelung als die seine ist
nicht denkbar. Nach gründlichem Studium der An-
tike und der Renaissance in Ron: und Florenz ging
er bekanntlich nach Frankfurt, wo er feine weitere
Ausbildung unter Steinle genoß. Und von dem
ersten seiner ausgestellten Werke — es ist „Timabue's
Madonna in Prozession durch Florenz getragen" -
bis zn seiner vierzig Jahre später entstandenen letzten
Schöpfung zeigt sich, daß er der ihm eigenen
Schaflensweise stets treu geblieben ist. Sein allzu
eifriges Bestreben, dem Schönheitssinn zu schmeicheln,
ließ ihn freilich zuweilen sein Ziel insofern verfehlen,
als er bei Porträts und Studienköpfen leicht in jene
Idealifirung verfiel, deren das Auge so bald über-
drüssig wird. Auf oberflächliche Beschauer pflegen
seme Bilder häufig den Tindruck einer fast weib-
lichen Zartheit zu machen. Doch haben wir es
hier im eigentlichen Sinne nur mit etwas Ober-
flächlichem zu thun, und was darunter liegt, der
Lntwurf, bekundet eine Meisterschaft, die nicht auf
bloße Geschicklichkeit zurückzuführen ist. Seine starken
Seiten sind die Zeichnung und die Attitüde. Und
die hierbei stets in den Grenzen des Natürlichen
entfaltete Vielseitigkeit zeugt an und für sich schon
von Originalität. Im „Garten der chesperiden"
z. B. ist dnrch die völlige Neuartigkeit und Lebens-
wahrheit der Gruppe ein nachhaltiger Tindruck er-
zielt, obwohl dies keines von den bestgemalten
Bildern Leighton's ist. Seine Schwächen — (und
da er Oelmaler ist, treten sie genugsam hervor) —
eine Vorliebe für koloristische Kontraste, die Nichtbe-
rückfichtigung der feineren Licht- und Schatten-
wirkung, der zu bleiche Fleischton, die übertriebene
Glätte des Farbenauftrags — mögen alle diese
Mängel noch so sehr betont werden, so bleibt doch
immer die selten gediegene (Qualität seiner Kunst zu
bewundern, deren ganz individuell vornehmer
Tharakter seinen besten Werken den Nachruhm sichern
 
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