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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 22
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Hedberg, For: Etwas von Nordischer Kunst
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Alp: Flächendekoration am modernen Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0389
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Nr. 22

4- Die Kunst-Halle

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charakteristischsten Eigenschaften scheinen mir: einer-
seits ein romantischer Zug, eine Phantasie, die sich
gerne im Bereiche des Märchens und der Sage
tummelt und die, in intimem Zusammenhang mit dem
Volkscharakter selbst stehend, reiche Nahrung in den
oft großartig phantastischen Szenerien der Natur findet;
andererseits ein ausgeprägter Wirklichkeitssinn, ein
Vermögen, wenn der Blick sich auf Realitäten richtet,
diese mit einer ungeschminkten, gerade aufs Ziel los
gehenden, etwas herben wahrheitstreue aufzufassen
und wiederzugeben, der jedes Verlangen, zu ver-
schönern fremd ist. Der norwegische Realismus ist,
allem Anschein nach, nicht der Ausdruck einer vor-
übergehenden Moderichtung, sondern eines immanenten,
jugendlichen Kraftbewußtseins, einer selbstsicheren
Lust, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind und sie so
durchzusetzen. Für diese beiden entgegengesetzten
Neigungen finden wir in der modernen norwegischen
Kunst charakteristische Musterungen. Zn werenskjolds,
Kitteisens, Skredwigs und anderer Zeichnungen zu
norwegischen Volkssagen und Märchen sehen wir sie
zu einer Einheit verschmolzen.
Ich habe hier nur einige Bruchstücke eines um-
fassenden Stoffes geben können. Mas ich betonen
wollte, ist, daß sich augenblicklich ein reiches, vielfach
schattirtes und fruchtbares Leben in der skandinavischen
Kunst regt, und daß die Bewegung, die einmal die
Künstler der drei Länder in einem gemeinsamen,
weckenden und verjüngenden Enthusiasmus mit sich
fortriß, noch nicht palt gemacht hat, sondern in ihrer
jetzigen Entwickelung zu nationaler und persön-
licher Selbstständigkeit lebendig ist.


^läcbenüekoranon am modernen IWbel.
von Alp.

ie von England ausgehende Bewegung
des neuen Möbelstils hat die glatte Fläche
wieder zu Ehren gebracht. Dein Schwelgen
in stark bewegten Profilen, Gesimsen, tragenden Kon-
solen, vorspringenden Säulen, kurz alleu aus den:
Bestände der Architektur stammenden Dekorations-
motiven hat man den Krieg erklärt, und es macht
sich nun an Miseren Möbeln bemerkbar, was inan
sonst als Zinunermannsarbeit vom Werk des Tischlers
unterschieden hat. Mit anderen Worten: man wendet
die Pauptaufmerksamkeit nicht auf den Schmuck,
sondern auf die Konstruktion. Ohne Zweifel ein sehr
gesunder Grundsatz.
Also man hat wieder seine Freude an der breiten,
glatten Holzfläche, und doch will das Auge nicht durch
langweilige Leere beleidigt werden.
So war denn die nächste Folge der Stilwandlung,
daß man denjenigen pölzern das Interesse zuwandte,
welche sich durch lebhafte Farbeu auszeichnen und an
welchen zugleich die Künstlern: Natur ihre stille Freude
an phantastischen Spielen offenbart. Mit heimlichem


Griffel schrieb sie ihre Runen in den wachsenden
Stamm, und die scharfen Sägen und Hobel bringen
diese verborgenen Zeichnungen, Maserungen an das
Licht. So wurden neben der unersetzlichen Eiche
wieder das Mahagoni-, Nußbaum-, Ahorn- und
Eschenholz beliebt. Jedes sorgte durch eine andere
Maserung für wechselnde Beschäftigung des Auges.
Die Mittel, welche bis vor Kurzem auf billige
Schnitzereien verwandt wurden, können nun einer
schlichteren, aber gediegeneren Behandlung der ganzen
Arbeit vorbehalten bleiben.
Aber auch Leuten, die eine reichere Ausstattung
lieben, kann geholfen werden. Jene natürlichen
Zeichnungen des Holzes liegen so diskret und halb
verborgen in der Fläche. Sollte inan nicht ein Mittel
finden, diese kraus verschlungenen Linien herauszu-
holen, sie ins Licht zu stellen, sie plastisch vortreten
zu lassen? klnd in der That, das Mittel fand sich.
Einer Düsseldorfer Firma wurde ein Verfahren
patentirt, das die Maser des Holzes als erhabenes
Ornament auf einen: vertiefte:: Grunde erscheinen
läßt. Das so behandelte Holz wird als 2Ileptikon:
bezeichnet. Durch ein Sandstrahlgebläse werden die
weicheren Theile zwischen den harten Linien der Holz-
fasern bis zu einer geringen Tiefe entfernt, während
letztere unversehrt stehen bleiben und also mit voll-
endeter Schärfe und Feinheit sehr wirkungsvoll zu
Tage trete::. Die also gewonnene plastische Form
hat einen Reiz des Zufälligen und eine Bestimmtheit
und Eigenheit, wie eine billige Schnitzerei sie niemals
erreichen kann. Sie hat noch den weiteren Vorzug,
daß sie eine Musterung ohne Muster darstellt, eine
Form ohne Bedeutung, die das Auge nicht ungebühr-
licher weise ganz in Beschlag nimmt, sondern ihn:
noch Aufmerksamkeit für den konstruktiven Aufbau des
Möbel übrig läßt. Das cLyleptikom wird natürlich
nur für Füllungen verwendet, während das, was inan
das Gerippe des Geräthes nennen könnte, aus
glattem Holz wie üblich hergestellt wird.
Dabei ist man nun nicht stehen geblieben. Man
wollte nun noch eine Musterung über den: Muster
erzielen. Die Füllung hatte sich als ein Rauhes von
den blanken Flächen des Holzes abgehoben. Nun
wollte man in der Flächenfüllung selbst rauh und
glatt behandelte Theile mit einander abwechseln
lassen. Dies geschieht, indem man durch ein festes
Schablonenmuster das Holz bedeckt und nun erst
dasselbe der Einwirkung des Sandstrahlgebläses aus-
setzt. So bilden sich ebene Stellen, die nut rauhen,
gleichsam durchfurchten Holzflächen abwechseln, ein
Gegensatz, der noch dadurch bervorgehoben werden
kann, daß inan Politur anwendet, die natürlich nur
da wirklich erscheint, wo die Fläche des Holzes un-
versehrt geblieben ist. Für diese Ornamentirung
werden meist stilisirte Pflanzenmuster gewählt, die in
der That eine sehr reiche Wirkung hervorbringen
können. Doch wird man mit dieser Verwendung des
neuen Verfahrens recht vorsichtig umgehen müssen,
damit das also verzierte Möbel nicht bunt und über-
laden erscheint, ein Uebelstand, den: wir erst glücklich
entronnen sind.
Aber auch die Technik der Intarsia ist wieder
zur Blüthe gelangt. Nur ihr Darstellungsgebiet hat
gewechselt. Sie hat die Motive der Renaissance, die
reinen Ornamentformen verlassen und auch die
Blumensträuße und Vasen des niederländischen Barock-
stils sind ihr jetzt schon zu bescheiden. Das Plakat
mit seiner kühnen, großen Flächenwirkung hat es ihr
angethan. Die Färbung und die Maserung der
 
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