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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 22
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Alp: Flächendekoration am modernen Möbel
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0390

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Die Runst-Palle . Nr. 22

bsölzer zählt jetzt nach Tausenden von Nuancen. Mit
Phantasie betrachtet und mit Geschick aneinander
gefügt, werden sie Gebilde ergeben, die Erinnerungen
an Naturszenen oder Gestalten wachrufen und die
den Geist beschäftigen, ohne ernsthaft als Bilder be-
trachtet zu werden. Diese moderne Form der polz-
einlage schöpfte ihre Anregung, wie so mancher Zweig
der modernen angewandten Kunst und speziell das
Plakat, aus Japans Dekorationsschätzen. Arn srühesten
und entschiedensten hat der Franzose Emil Galle aus
Nancy diesem Einfluß nachgegeben. Er berichtet
selbst, wie er zu dieser japanischen Behandlung der
Fläche gelangt; er geht vom Material aus. Die auf-
fallende Maser eines polzes ruft z. B. in ihm die
Erinnerung an die Berippung eines puflattichblattes
wach, und er läßt dann derartige Blätter gleichsam
aus dem bchlz hervorwachsen, benutzt die Platte seines
Tisches wie eine Bildfläche und läßt eine kleine Gruppe
jener Sumpfpflanzen aus der unteren Ecke sich ent-
wickeln, recht wie der japanische Zeichner zu thun
pflegt. Breite Streifen anders gefärbten Holzes stellen
den Wasserspiegel und dahinter aufsteigende pügel-
reihen dar, Alles in der Manier des Plakats, das
farbige Flecken als Stellvertreter von Körpern hin-
setzt. Das Gemälde in polz steht selbstverständlich
der Natur noch ferner, da es sich durch die natürlich
vorkommenden Farben der bsälzer auf wenige Nuancen
beschränkt sieht. Denn von dem echten Material
abzugehen und zum Färben zu greifen, dazu läßt der
Künstler in wohlverstandenen! Respekt vor den Gesetzen
seines Stils sich nur in ganz seltenen Nothfällen be-
wegen. So ist denn die farbige Wirkung dieser Ein-
lagen eine sehr diskrete, und wenn auch eine ganze
Zimmereinrichtung in diesem Stil etwas unruhig
wirken dürfte, so ist doch ein einzelnes Prunkstück, das
etwa einem ganz bestimmten Gebrauch vorbehalten
ist, gewiß willkommen.
Endlich führte das verlangen nach einer Deko-
ration der glatten Möbel dazu, die Metallbeschläge,
die sich fast ganz in die Verborgenheit zurückgezogen
hatten, wieder ans Licht zu ziehen. Die Scharniere,
Griffe und Schlüsselbleche waren ganz zur Unschein-
barkeit zusammengeschrumpft oder hatten sich auch in
das Innere des Schrankes geflüchtet. Jetzt bildete
inan sie wieder aus. Schon als glattes Blech an-
gefügt, dienen sie durch ihren vom polzton abstechenden
Metallglanz zur Belebung. Das gelbe Messing blinkt
lustig auf grauem Ahorn, und das weiß-graue Zinn
läßt den dunklen Eichenton um so wärmer erscheinen.
Aber zu diesem farbigen Reiz gesellt sich das Wohl-
gefallen an der Form. Die Form des Beschlages,
der mit geringem Materialaufwand genügt wäre,
breitet sich zu phantastischen Bildungen aus. Laub-
werk sprießt lustig hervor, und manches Gebilde, mit
dem inan keine bestimmte Vorstellung zu verbinden
vermag, führt ein uneingeschränktes Dasein auf der
weiten Fläche. Es ist, als ob d.ie gothischen Schmiede-
arbeiten auflebten, die ganze Truhen oder Kirchen-
thüren mit ihrem Rankenwerk überzogen und gegen
die Unbilden unsicherer Zeiten ein solides, Dauer ver-
sprechendes Element bildeten. Ja, sie mußten auch
den: Zwecke dienen, der noch unzuverlässigen Tischler-
arbeit nachbessernd zu festem Zusammenhalten zu ver-
helfen. Solcher Nachhülfe könnten die festen Gesüge
solider Schrankthüren nun füglich entbehren, und doch
finden wir die Metallbeschläge häufig bis zur Ueber-
treibung angewandt.
Auch begnügt man sich nicht immer mit glatten
Metallstreifen. Es finden sich breite Bänder, die in

künstlich getriebener Arbeit ausgestattet werden.
Solche Beschläge sind manchmal wirkliche, kostbare
Kunstwerke, deren ganzen Werth man nur bei
Beobachtungen aus unmittelbarer Nähe richtig schätzen
kann. Solcher Schmuck muß aber als Kraftvergeudung
bezeichnet werden. Besonders wenn an Möbeln des
Engländers Ashbee eine gesucht einfache Form der
Tischlerarbeit durch so feine Metallverzierungen noch
auffälliger gemacht wird, springt das Mißverhältniß
in die Augen. Man kann es nicht vernünftig nennen,
wenn der ausgeheftete Schmuck mehr kostet als das
ganze Geräth.
Reberhaupt liegt bei dieser reichen Flächen-
behandlung die Gefahr nahe, daß die große Sorg-
falt, welche man ihr zuwendet, dem Gesammtaufbau
des Möbels entzogen wird. Es wäre bedauerlich,
wenn die bescheidenen Anfänge zu eigenartigen und
den modernen Bedürfnissen entsprechenden Gestaltung
der Geräthe in Folge dieser Reberfülle an Schmuck
nicht zur vollen Entwickelung kämen.
X
verlin:
krosse hunztaumeNung iM.
von Bruno Meyer.

V.
v^yMpin Kreuz des Berichterstatters bildet bchbert
Gerkomer (Bushey bei London) mit seinem
Brustbildedes Prof. John Ruskin. Er kann
manchmal verteufelt „englische aussehen, und bekannt-
lich giebt es eine reich und gut vertretene Spielart der
englischen Bildnißkunst, die man nur als „verteufelt"
bezeichnen kann: sie ist technisch meisterhaft; sie schildert
unheimlich ähnlich; sie hat Ton und Stimmung zum
Entzücken; — aber sie modelt in der Phantasie die
Menschen erst in einen anderen Stoff um, z. B. in
farbig angepinselte Badeschwämme oder so etwas,
um sie danach inr Bilde nachzubilden. Fleisch und
Bein ist eben für eine hochentwickelte „8llobm^"-
Ethik und -Aesthetik ein unstatthaftes Material.
Giebt inan diesen Standpunkt bis in die Kunst hinein
als einen erträglichen zu, so mag man über dieses
Bild an Entzückungen zusanmrenphantasiren, was man
will und kann; ich unterschreibe Alles: es kann —
von diesem Standpunkte aus! — nichts Vollkommeneres
geben. Doch wie anders wirkt das Zeichen auf ein
mrverbildetes Menschengemüth ein, unter dem
bserkomer (886 bei uns siegte! Erst jüngst gestand
mir ein damals noch ganz junger Bursche, er habe
geweint, als er, mit dem Bewußtsein, daß es das
letzte Mal sei, die Augen jener unvergeßlichen Miß
Katharina Grant auf sich ruhen gefühlt! Ehe vor
diesenr ausgezeichneten Mr. Ruskin Einer vor Er-
griffenheit zum weinen känre, wäre er unzweifelhaft
zehnmal seelenvergnügt eingeschlafen!
Da halte ich es lieber mit dem anderen Typus,
den diesnral kein englischer Maler, sondern nur eine
englische Dargestellte, Miß D., Brustbild en taes von
Johannes Leonhard (München), vertritt. Aehnlich
wie hier schweben ältere Vorbilder bester Zeit auch
bei den Bildnissen Franz Nechutnys (Berlin) vor,
besonders bei seiner „Matrone", nur daß der Wurf
nicht so kühn und glücklich ist wie bei Jenem, bsier-
her gehört auch der markige „Rathsherr" von Karl
Wendling (Lharlottenburg).
 
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