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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 23
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Schestag, August: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause 1899
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0408

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356

Die Au n st-Halle -z-

Nr. 23

Sohn". Der in neuerer Zeit so beliebte Vorwurf,
Christus als Menschen unserer Zeit unter Menschen
zu schildern, ist hier in überaus interessanter Meise
behandelt. Christus irn einfachen Gewände eines
Arheiters, schlicht in Haltung und Bewegung, legt
einem Ainde die Hände auf. Der Vorgang spielt
sich in einem Dorfe ab, dessen Bewohner, jeder in
seiner Eigenart scharf charakterifirt, zusammengelausen
sind. Neben der Hauptgruppe stehen die Hono-
ratioren des Dorfes in lebhafter Unterredung be-
griffen, von vorne wird auf einem Karren ein
krankes Mädchen dem Heiland zugeführt, eine alte
Frau hat Teppiche ausgebreitet und stellt Blumen-
töpfe auf, um den weg des Erlösers zu schmücken.
Ulan mag über die Auffassung des Bildes denken
wie man will, der Poesie des Bildes wird sich gewiß
Niemand entziehen können, die große Einfachheit und
Erhabenheit, mit der der Menschensohn dargestellt
ist, sowie die innige seelische Theilnahme der Dorf-
bewohner wirken tief überzeugend.
Der größte Preis, der jährlich im Aünstlerhause
an einen österreichischen Künstler zn vergeben ist:
„der Reichelpreis" wurde den: Maler Ioanowits für
seine Arbeit: ,,Furor teutonicus" —- ein wilder
Uebersall der Teutonen aus römische Legionen —
verliehen. Seligmann's Belladonna erinnert in Ton
und Farbengebung doch zu sehr an alte Meister!
wie ursprünglich wirkt dagegen Konopüs „Kinder-
reigen". Lauter fröhliche, in ihrer Unbeholfenheit
reizende Tyroler Bauernkinder in stimmungsvoller,
vortrefflich gemalter Landschaft.
Unter den österreichischen Landschaftsmalern hat
Heuer August Schäffer, der Direktor der wiener
Gemäldegallerie, nach zehnjähriger Pause eine recht
gute Arbeit: „Ein Märztag im Wienerwald" aus-
gestellt, er ist trotz seiner längeren künstlerischen
Unthätigkeit nicht zurückgeblieben, im Gegensatz zu
dem Professor für Landschastsmalerei an der wiener
Akademie, Lichtensels, dessen Bild an die besten
Geldrucke der Siebziger Jahre auffallend erinnert.
Nibarz, der jetzt immer mehr und mehr richtig ge-
würdigt wird, hat eine sehr gediegene Ansiebt von
Deutsch - Altenburg gebracht. Von den jüngren
Künstlern nenne ich Germela, will und' Tomec.
Germela, der einige Studienjahre im Ausland zuge-
bracht hat, ist nach Wien zurückgekehrt und hat zwei
Bilder, in denen er Beleuchtungseffekte des stehenden
Wassers mit großem Geschick behandelt, ausgestellt.
Das eine zeigt einen Teich der Villa Falconieri, in
dein sich prächtige Pinien spiegeln, das andere eine
stille, kleine Bucht von Capri, in der das Anfallende
Licht aus dem tiefblauen Wasser reizende Spiele treibt.
Will schildert den Farbenzauber des Herbstes und weiß
in seine Bilder eine seine Stimmung zu bringen.
Tomec giebt ausschließlich die Impression einer Land-
schastund erzielt besonders bei seiner„Ferdinandsbrücke"
durch die Art der Beleuchtung eine gute Wirkung.
Von den Münchener Landschaftsmalern hat sich
Baer Fritz mit einigen sarbentiesen, warm empfundenen
Arbeiten eingestellt, die ihn als eine außerordentlich
kräftige malerische Natur zeigen. Benno Becker
bringt wieder eine düstere Stimmungslandschast.
Lehmann's „Merjelensee" ist in Lust und Licht-
wirkung vortrefflich beobachtet. Der Berliner Lang-
hammer erreicht in dem Bilde „Steigende Wolken"
in der Behandlung der Wolken und des Wassers
die besten Meister der Schotten, und Hamachers
„Friede" (Motiv bei Lovrana) ist durch den Ton,
den das Bild in Folge des Widerscheines des blauen

Wassers aus den Felsen und dem Sande erhält, von
tiefer Wirkung. Aus Worpswede haben Modersohn
und Hans am Ende durch ihre Schlichtheit ergreifende
Werke gesandt.
Zwei Münchener haben eine größere Kollektion
ihrer Arbeiten ausgestellt, Gysis eine Reihe von
Studien in schwarz-weiß und Nöthelzeichnungen, und
Strathmann eine Anzahl Karrikaturen sowie einige
ernste Bilder, die aher durch überwuchernde Orna-
mentik einen verworrenen Eindruck machen und den
Vorwurf kaum erkennen lassen.
Mn aus die Plastik näher einzugehen fehlt der
Raum, ich beschränke mich daher daraus, Hejdas
Gruppe „Erlösung" — und Seib's „Kaiser Rudolf
von Habsburg" zu erwähnen. Beide Werke ver-
herrlichen das Ritterthum, das erste das kämpfende —
der Held ist der Bezwinger des Drachens, das zweite
das herrschende. Auch du Bois aus Brüssel, der
einen schönen liegenden Mädchenakt „Die Ruhe" ge-
schaffen hat, darf nicht vergessen werden.
Ein kleines Zimmer wurde mit Möbeln und
kunstgewerblichen Gegenständen nach Entwürfen des
bekannten H. L. v. Berlepsch-Valendas aus München
eingerichtet und fesselte das Interesse der Künstler
und des Publikums in gleichem Maße.
G
Kalin:
grosse Kunstausstellung isoo.
Von Bruno Meyer.

VI.

haben mit Absicht, wenn auch lange
nicht für Alles, was zu sagen gewesen
wäre, ausreichend, doch innerhalb des
gesteckten Rahmens unverhältnißmäßig bei den
Menschen-Darstellungen verweilt. Es ist Thorheit
zu wähnen, daß nicht ausschließlich hier die ent-
scheidenden Siege der Kunst erfochten werden. Eine
„neue" Kunst braucht daher nur ausgesprochener-
maßen ihren Schwerpunkt an eine andere Stelle zu
verlegen, um den Stab über sich selber zu brechen.
Es ist eben so unmöglich, etwa aus der Landschaft
einen neuen Kunststil zu entwickeln, wie aus der
Malerei eine stilvolle und selbstständige Kleinkunst ab-
zuleiten. Die unverrückbare Grundlage alles räum-
lichen Gestaltens ist die Architektur, und der Ausgangs-
punkt aller darstellenden Kunst ist der Mensch.
Der Landschaft aus der Ausstellung könnte
kein Mensch ansehen, welcher Tummelplatz der aben-
teuerlichsten Experimente diese Kunstgattung in den
letzten paar Lustren gewesen ist. Spleenige Scherze
wie das schottische Schloß von A. K. Brown (Glasgow)
hat auch jede frühere Ausstellung vereinzelt auszu-
weisen gehabt, und wenn Zulassungs-Jurys nicht
ihre Ausgabe ganz falsch — etwa im Sinne einer
Zensur - Behörde von dem vorgefaßten Standpunkte
einer besonderen Kunstanschauung aus — auffassen,
werden solche Wunderlichkeiten immer zur Erheiterung
sinnvoller Besucher gelegentlich durchgehen. Was
aber der Landschaft hier die Signatur giebt, das ist
nirgends „neu"; selbst die hervorragenden Namen sind
es nicht einmal. Man kann-wie auch sonst-—
solche Erfahrungen sammeln, daß ein Meister wie
Oswald Achenbach sich an einen Rosenlauigletscher
macht, und in den: ihm fremden Gebiete hinter all
seiner sonst unfehlbaren Wirkung zurückbleibt; oder
 
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