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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 18
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Galland, Georg: Große Berliner Kunstausstellung 1899, [2]
DOI Artikel:
Fischbach, Friedrich; Bock, Franz [Gefeierte Pers.]: Dr. Franz Bock †
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0318

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276

Die Kunst-Halle

Nr. (8

furchtsam angrinst — aus einer Idealwiese mit
eidottergelben Blumen. Für derartige hochkomisch
bizarren, genial verrückten, miniaturchast sorgfältig
niedergelegtenHhantasien von wundervoller dekorativer
Wirkung haben bis fetzt die Kunsthandbücher noch
keine eigene Rubrik vorgesehen.
(Weitere Artikel folgen.*)
' G. G.

Or. Lranz Kock si.

'B^W^a^er große Bahnbrecher im kirchlichen Runst-
gewerbe und Begründer der Textil-Museen
in London, Wien, Düsseldorf und Trier
verschied im Alter vom fast vollendeten 76. Jahre in
Aachen am 30. April. Line Lungenentzündung raffte den
geistig und körperlich noch sehr rüstigen Greis weg.
Dr. Fr. Bock gehört zu den seltensten Wannern unseres
Jahrhunderts, denn er vereinigte mit unermüdlicher
Hingabe an die höchsten Ziele der Kunst und Wissen-
schaft eine erstaunliche organisatorische Thatkraft.
Als Archäolog konnte er längst einen sehr umfassenden
Katalog seiner Werke herausgeben. Leine Geschichte
der litturgischen Gewänder ist noch heute maßgebend.
Das Hrachtwerk „Die Kleinodien des Heiligei:
römischen Reichs" ist freilich nur in größeren Biblio-
theken zu finden. Lein letztes Hrachtwerk betraf die
Herkunft der wichtigsten 'mittelalterlichen Lmail-
Arbeiten. — Ls dürfte schwer fallen, das Wirken
dieses so vielseitigen Mannes in einen: Nekrolog ge-
bührend zu schildern; ich wähle daher den Ausweg,
aus meiner Lrinnerung persönlich Lrlebtes mit-
zutheilen:
> Ich sah Dr. Bock zuerst in Berlin, wo er (839
in: Polytechnikum eine Ausstellung litturgischer Ge-
wänder veranstaltete, die damals gründlich verspottet
wurde. Der aus Haris berufene Belgier Van der
Lyp war Naturalist vom reinsten Wasser. Um den
Gegensatz der von ihm geleiteten kl. Musterzeichner-
schule schlagend zu zeigen, stellte Van der Lyp einen
Lntwurf für Lchöller'sche Druckteppiche aus, nämlich
eine über Kreuz sich auf einen: Lophateppich wieder-
holende Hasenjagd. Große kohlköpfige Rosen und
Gurkenblätter bildeten die Linrahmung. Das wurde
damals als Höchstes bewundert, während die von
Tasaretto in Krefeld gewebten Ltilmuster und die
nach Kleinertz Lntwürfen von Nonnen gestickten
Kaselkreuze, Velarien rc. als aufgefrischter Lakristei-
Hlunder verlacht wurden. Ls hieß sogar, Dr. Bock
wolle Berlin katholisch machen. Wer heute die
Textil-Lammlungen Berlins kennt, giebt gern den
Umschwung der Ansichten zu, denn die früher so
wenig beachteten alten Meßgewänder, Reliquien-
hüllen 20. gelten als kostbarste Vorbilder und als
schätzenswertheste Ueberreste großer Kunstepochen.
Dr. Bock reiste damals im Auftrage des Fürsten von
Hohenzollern-Ligmaringen durch Luropa, um die
Reste der Textilkunst zu studiren und zu sammeln.
Lr war der Lrfte, der. den: Unverstände und der

*) Notiz. Herr Hrof. Dr. Bruno Meyer wird von
fetzt abständig für unsere Zeitschrift berichten und auch
diese Artikel-Lerie fortsetzen. D. Red.

Geldgier der Küster entgegentrat, da damals alte
Meßgewänder oft verbrannt wurden, um aus den
Goldfäden etwas Metall zu gewinnen. Durch sein
Ltudium entdeckte er den großen Werth der sog.
itt-urgischen Kapellen. Als dieser von Jahr zu
Jahr wuchs, ärgerte es freilich die Besitzenden, daß
man Dr. Bock erlaubt hatte, von dem damals werth-
losen Hlunder große Ltücke mitzunehmen. Leinen
etwas berüchtigten Lammeleifer wollen wir nicht in
jedem Falle gutheißen, aber es ist auch vieles auf-
gebauscht, ohne die damaligen Zustände und ohne
die großen Ziele und Resultate des Lammlers zu
würdigen. Dr. Bock war freilich, ein überaus be-
gabtes Lrwerbs- und Handelsgenie und zudem wußte
er ebenso sehr Zeichner, Maler, Bildhauer, Tischler
und Klosterfrauen als auch Bischöfe, Fürsten, Archi-
tekten und Fabrikanten für seine Zwecke zu gewinnen.
Wo er Lehrreiches fand, ließ er nicht ab, bis neue
Kollektionen entstanden. Die Trödler wußten in
ganz Luropa, daß Bock mehr und schneller kaufte,
als die Museums-Direktoren. Hatte er aber eine
Lammlung fertig, sei es von alten Geweben, Lpitzen,
Ouaften, Bildern, Ltatuetten, Lchellen, Thürbeschlägen
und Thürschlössern ro. so vereinbarte er mit Museen
den Hreis oder Leibrente. — Unvergeßlich ist mir,
als er mit einem Koffer voll altägyptischen Geweben
und Lchuhen nach Lt. Gallen kau:. Lr empfing mich
in einen: türkischen Kaftan und mit rothem Fez auf
der prächtig gewölbten Ltirn. Linige Jahre vorher
gab er nur einen besonderen Hlatz in: Don: zu
Aachen, wo er bei einer Halästrina-Messe als Kanonikus
und päpstlicher Geheimkämmerer in den schweren
Hrachtgewändern des (6. Jahrhunderts zelebrirte.
Leine Glanzepoche war vor 33 Jahren in Wien.
Durch seine Vermittelung war Fr. Lchmidt, der be-
rühmte Gothiker, von Köln nach Mailand und dann
nach Wien als Dombaumeister berufen. Lein frischer,
rheinischer Humor gefiel bei Hofe, wo zudem jeder
Geistliche besonders geehrt wurde. Mit Lssenwein,
Litelberger, Falke, Heider ro. war regster Verkehr.
Ich mußte ihm geistliche Ornatstickereien zeichnen.
Ls sehlte ihn: schon damals an Raum, um selbst :n
Miniaturform alle Orden auf seinen: violetten Ge-
wände anzubringen. Lein Hauptverdienst bestand in
jener Zeit darin, daß er nicht nur Männer wie
Hrofessor I. Klein, Lchönbrunner, Kleinertz und zahl-
reiche Architekten und Kunsthandwerker für eine ideale
kirchliche Kunst begeisterte, sondern auch die besten
Aufträge vermittelte. Bischöfe, Minister und
Kaiser und Könige wußte er zu gewinnen. Lo hoch
ich einzelne Förderer des Kunstgewerbes stelle, so
weiß ich doch Niemanden, der mit Bock in dieser
Hinsicht zu vergleichen ist. Freilich beschränkte sich
sein Wirkungskreis nur auf das kirchliche Gebiet.
Die klassisch-griechische Kunst, sowie unsere klassische
Litteratur war ihm gleichgültig. Diese Linseitigkeit
verhinderte wohl auch, daß er dieselbe hervorragende
Rolle in der weiteren Lntwickelung des Kunstge-
werbes behalten konnte. Lin schöner Zug in seinen:
Tharakter war die liebenswürdigste Gastfreundschaft.
Lein Haus gestaltete sich zu einen: vornehmen
Museum, das aber durchaus wohnlich anmuthete.
In letzten Jahren beabsichtigte Dr. Bock, seine Kunst-
schätze und Reichthümer seiner Vaterstadt Aachen und
nicht den: erzbischöflichen Museum in Köln zu ver-
machen. Lr wollte auch einen Lehrstuhl für kirch-
liche Kunst dotiren. — Durch einen Fall von einem
Kameel in Damaskus hatte er am Knie geringere
Beweglichkeit, so daß er weniger reiste. Alle seine
 
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