Die Au n st-Halle
Nr. so
Amsterdam stattgefunden hat. Zumeist der Bildniß-
malerei angehörig, sind die aus die Zahl von etwa
hundert beschränkten Werke Meisterstücke von un-
bestrittenem Werth. Die Direktoren haben offenbar
ihr Augenmerk daraus gerichtet, alle Gemälde von
zweifelhafter Echtheit, deren es hier im Lande so
viele giebt, möglichst auszuschließen. Und so ist denn,
abgesehen von einigen unvermeidlichen Ausnahmen,
keine Veranlassung zum Tadel, wohl aber Grund
zur rückhaltlosen Bewunderung vorhanden. Die
Radirungen des Meisters sind nicht mit ausgestellt,
und von seinen Genrebildern und religiösen Gemälden
nur einige wenige, doch von seinen portraits dürste
schwerlich eine schönere Auswahl existiren. Die
Königin hat neun Bilder geliehen, darunter das be-
rühmte „Schiffbauer und Frau"; kurzum, die besten
Stücke aus den besten englischen Sammlungen sind
hier in einer selten vortheilhasten weise zur Be-
sichtigung gelangt. So vertraut die Kunstfreunde
auch mit den meisten schon sind, ist doch auch
manches Gemälde da, welches bisher selten oder nie
dem Publikum in öffentlicher Ausstellung zugänglich
war; so z. B. das im Besitz Lord Leconsield's be-
findliche „Bildniß eines sungen Mädchens"; und die
Zusammenstellung einer solchen Zahl von perlen
dieses Meisters ist an und für sich ein Ereigniß von
eigenartigem Interesse. Ein halbes Dutzend Selbst-
porträts aus den verschiedensten Perioden innerhalb
eines Zeitraumes von dreißig Jahren geben Gelegen-
heit zum Studium aller Veränderungen, welche die
Zeit an dem Künstler wie an dem Menschen Rem-
brandt bewirkt hat. Auch von seinen Eltern, seiner
Schwester, seiner Frau und seinem Sohne sind Bild-
nisse in mehrfacher Darstellung und sämmtlich in
lebensvollster Auffassung vorgesührt. Einige Aus-
nahmen abgerechnet, wie eine schöne Kollektion
Zeichnungen, welche Ab Leon Bonnat geschickt hat,
find die bedeutenderen Werke alle inländischer
Besitz. —
Die englischen Maler scheinen sehr zurückhaltend
im Ausstellen; seit langer Zeit ist nichts von beson-
derem Interesse zur Besichtigung gelangt. In der
Dudley-Gallerte ist eine kleinere Ausstellung von
recht hübschen Landschaften, an der etwa ein halbes
Dutzend jüngerer Maler betheiligt ist, eröffnet worden.
Es sind wenigstens Proben echter Kunst, obwohl
von etwas zahmer Art. Beseelt von besseren und
edleren Grundsätzen als diejenigen, durch welche
eine tonangebende Schule den Geschmack des Publi-
kums verdorben hat, stehen sie den Anhängern jener
Richtung doch in Kraft bei weitem nach.
Unlängst ist auch die Graston-Gallerie er-
öffnet worden und zwar mit einer Ausstellung des
Russen wereschagin. Es war vor nunmehr zwölf
Jahren, daß wir seine Malerei hier zum ersten Mal
ausgestellt sahen, welche damals eine starke Sensation
erregte, obgleich sein Kunst-Stil dem Geschmack des
englischen Publikums schwerlich je zusagen wird.
Allerdings ist in den fünfzehn Szenen aus dem
russischen Feldzug Napoleon's, welche den Haupt-
bestandtheil der gegenwärtigen Ausstellung bilden,
die furchtbare Wirkung der physischen (Dualen nicht
so vorherrschend, wie in der früheren Sammlung.
Gegen malerische Darbietungen dieser Art ist indessen
bei uns nun einmal eine unüberwindliche nationale
Aversion vorhanden. Andererseits ist in diesen zwölf
Jahren die künstlerische Bildung fortgeschritten und
unser Publikum nicht mehr so entzückt von Banali-
täten und theatralischen Effekten. Diese Leistungen
hier sind vorzüglich geeignet, wereschagin's Können
im besten Licht zu zeigen. In anbetracht der Art,
wie sie dem Publikum vorgeführt sind und wie der
Katalog sie bezeichnet, kann der Maler sich nicht be-
klagen, daß man sich hier mehr im historischen als
künstlerischen Sinn für sie interessirt. Hieran sei die Be-
merkung geknüpft, die übrigens das Verdienst des
Malers nicht beeinträchtigen soll, daß er bei den für
diesen Zyklus nothwendigen historischen Studien dem
Zauber der napoleonischen Legende nicht entrathen ist.
Auf diesen Bildern, die vornehmlich die Schilderung der
Leiden bezwecken, welche jene ungerechte Invasion
über sein Vaterland und die Menschheit gebracht
hat, erscheint trotzdem dieses Motiv in den Schatten
gestellt, halb ausgelöscht von der imponirenden, Alles
beherrschenden Uebermensch-Persönlichkeit des Usur-
pators. Line Anzahl russischer Dorfszenen und
Bauerntypen, die glänzend dargestellt, obwohl nicht
frei von Uebertreibung sind, behandelt ein bei uns
noch wenig bekanntes Stoffgebiet und sind von nicht
unbedeutendem Interesse.
M-Nürnberg in MM.
hinter dem Titel „Die Denkmalpflege" erscheint
seit Anfang des Jahres unter Schriftleitung von Otto
Sarrazin und Oskar Hoßfeld eine illustrirte Zeitschrift,*)
auf deren Programm wir aufmerksam machen, weil es
Vielen ernst damit ist zu erfahren, was mit den aus-
besserungsbediirftigen Kunstdenkmälern des Vaterlandes ge-
schehen kann oder künftig geschehen soll. Ls ist wahrlich
nicht träges Hängen am Althergebrachten, Abneigung gegen
das frische, kecke Umsichgreifen des Neuen, das unsere
Theilnahme für das alte Werk erregt und stärkt. Sondern
es liegt solcher Neigung doch oft ein gesunder, pietätvoller
Sinn zu Grunde, ein uns selbst ehrendes Treugefühl für
historische Erinnerungszeichen, für die ehrwürdigen Zeug-
nisse des Kunstsinnes stolzer Vergangenheit, die schon unsern
Großvätern ästhetisches Vergnügen bereitet und die durch
ihren langdauernden Bestand ein Recht auf Beachtung sich
gleichsam erworben haben. Der Inhalt der beiden bisher
erschienenen Anfangshefte ist recht mannigfaltig und ergeht
sich über die verschiedensten Gegenden nicht nur Deutsch-
lands sondern auch des Auslands. Km unsern Lesern
ungefähr zu erläutern was hier gewollt und geleistet wird,
versagen wir uns nicht einen Abschnitt aus dem be-
achtenswerthen Aufsatz „Alt-Nürnberg in Gefahr"
mitzutheilen:
„Zu den wenigen Städten Deutschlands, die sich ihr
eigenartiges Gepräge von Alters her bis in unsere Tage
bewahrt haben, zählt immer noch Nürnberg. Freilich ist,
wie ja in einem aufblühenden Gemeinwesen dieses Um-
fangs nicht anders zu erwarten, auch dort schon viel Schönes
der Privatspekulation zum Opfer gefallen. Anderes hat
dem hier und da berechtigten, sehr häufig aber übertriebenen
Drängen nach Verkehrverbesserungen weichen müssen. Oft
aber sind sehr schöne Theile der Stadt und besonders der
Stadtmauer lediglich deshalb zerstört worden, weil die
maßgebenden Persönlichkeiten kein Verständniß für der:
*) Verlag von Wich. Ernst u. Sohn, Berlin äV.