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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 12
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Schmidkunz, Hans: Aus dem nationalen Kunstgewerbe, [2] (Schluss)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0210

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f80

Die A u n st - H a l l e

Nr. (2

Nus dem
nationalen lkunstgeveerbe.
von vr. Hans Schmidkunz.
(Sckluß.)
ie Pflanzenformen haben jedoch für unseren
Künstler nicht nur die anschauliche,sondern auch
eine gedankliche und zwar eine symbolische Be-
deutung. Zum Theil geben die paar erläuternden
Notizen, die Schmid jedem Heft vorausschickt, Aufschluß
darüber. Beispielsweise ist (Heft 3, Tafel sch Fig- 62)
für einen Spiegelrahmen „die sich im Wasserspiegel so
gerne beschauende weide als Einfassung gewählt"; an
einer Bettlade (Heft 2, Tafel 7, Fig. 26) „deuten die
Mohnblumen über dem Haupte auf den Schlaf, die
ausgehende Sonne zu den Füßen auf das Erwachen
hin"; in ähnlicher weise sind Nachtschatten verwendet,
u. dgl. mehr. Aber auch heimische Thiere sehen wir
dekorativ und häufig zugleich charakteristisch oder sym-
bolisch benützt, so den Pfau, die Elfter auf Schränken,
ein Eichhorn im Astwerk einer Bogenfüllung, Tauben
im Flug zur Sonne auf einer anderen Bogenfüllung,
einen Schwan in einem Armband wie auf Wellen
u. dgl. mehr; dazu manche Thier-Erinnerung aus
alter deutscher Sagenzeit.
Dabei sehen wir noch eines. Der Künstler hat
sich trotz seines üppigen phantasiereichthums nicht
auf den Standpunkt gestellt, loszulassen, was ihm
einfällt, sondern sich ersichtlich dem untergeordnet,
was ihm eine möglichst objektive Rechtfertigung
geben kann. Dazu gehört schon sein einheitliches
Konzipieren jedes einzelnen Werks, seine analytische
Phantasie, die aus den Grundformen herauszieht,
was in ihnen steckt — also im entschiedenen Gegen-
satz zum Zusammenstückeln aus Einzelheiten. Dazu
gehört ferner sein Bemühen, jeden einzelnen Zug
durch Naturvorbilder, durch struktive und sinnbild-
liche Zusammenhänge u. dgl. zu rechtfertigen. Dazu
gehört endlich sein Bemühen, entgegen der unseligen
Nippkunst vielmehr von: Großen zum Kleinen fort-
zuschreiten. Zn einer schriftlichen Mittheilung sprach er
sich selber so aus: „Zn allen Zeiten ging die Baukunst
dem Kunstgewerbe voran, stets schritt man vorn
„Großen aufs Kleine" — nun erscheint es umgekehrt:
wir gehen vom „Kleinen aufs Große" über. Ob
das der richtige weg ist? Gb sich die Baukunst
daraus Epochemachendes zurichten kann? Auch in
der Malerei und dem Kunstgewerbe solgt auf un-
bändige Freiheit allmäliches Studium (Pflanze,
Thierreich u. s. w.), logisch sollte es auch hier um-
gekehrt der Fall sein." Dazu gehört natürlich ganz
besonders sein Bemühen, national zu sein. Außer
den schon erwähnten Anknüpfungen an heimische
Natur- und Geistesschätze möchten wir auf einiges
aus seinen Möbel-Konstruktionen Hinweisen, das ihn
wiederum konservativ in jeder der angeführten Be-

deutungen zeigt. So namentlich auf die Vorlagen
im zweiten Heft sammt ihren Erläuterungen. Hier
wird begonnen mit einer „Sesselart nach englischem
Muster, welche abwechselndes Sitzen und Anlehnen
nach zweierlei Richtungen ermöglicht", worauf ein
Lehnstuhl, der „deutscher Behaglichkeit entspricht",
und „einfache kräftige Stühle für ein deutsches
Wohnzimmer" folgen.
Auch das dritte Heft, „Dekorative Bildhauerei",
bringt nicht nur (besonders in den geschnitzten Möbeln
und Möbeltheilen Tafel (2) eine Fülle heimischen
Pflanzenmaterials, sondern schon durch sein ganzes
Gebiet eine nationale Ergänzung bisheriger Kunst.
„Zm Anfänge der neuen Richtung, die zu sehr dem
englischen Geschmack huldigte, schien die Holz- und
Steinplastik in den Hintergrund gedrängt. Doch jetzt
schon hat die Holzschnitzerei und Stuckarbeit wieder
ebenso weites Feld gewonnen, wie die zeichnerischen
und malerischen Verzierungsarten. Trotz der an-
scheinenden Zerbrechlichkeit ist an unserer Holzein-
richtung die Schnitzerei zweifellos widerstandsfähiger
und sinnvoller als deren Bemalung. Zedoch muß
eine Kunst die andere unterstützen. Es kann z. B.
bei Schnitzereien in geeigneten Fällen ein sarbig
herausgesaßter Hintergrund die Wirkung und Klar-
heit des Musters außerordentlich erhöhen, oder den
Naturholzfarben ein kräftigerer, stimmungsvoller Ton
gegeben werden. Der flotte Schnitt, die Struktur
des Holzes, das Korn des Steins soll aber ungeachtet
der Tönung und Lasur immer deutlich erkennbar
bleiben und wird sich dadurch von den schlechten
Zmitationen und Surrogaten vortheilhast unter-
scheiden." Unter den Vorlagen steht hier voran ein
Portal (Tafel ff Fig. s), auf dessen durchaus origi-
nellen Aufbau wir besonders aufmerksam machen
möchten; namentlich die Säulen können geradezu
eine vorbildlichende Bedeutung gewinnen. „Auf den
Giebelausläufern sind zwei Kinderfiguren postirt,
welche herabgrüßen und zum Eintritt einladen. Es
wäre wünschenswerth, daß die Figuren häufiger im
getreuen Gewände der Gegenwart dargestellt würden,
denn nur aus diese weise geben sie unsern Nach-
kommen ein getreues Bild unserer Zeit."
Und nun die Farbe! Leider sind Schmid's
„Entwürfe" in der Färbung nicht überall so gerathen,
wie sie der Künstler beabsichtigte: auf einigen Tafeln
ist die Farbe zu gesättigt, und im 5. Heft sind 2
Tafeln einfach schwarz gedruckt, die in bräunlichem
Goldton und in bräunlichem Silberton kommen sollten
— für diese Zuweliersachen gerade ein besonders
empfindlicher Mangel. Aber trotzdem sehen wir, in
welchem Sinn dieses Werk auch koloristisch von Be-
deutung ist. Es will uns nach dem vielen weiß
und Braun u. dgl. wieder ins Reich der Farbe und
zwar vorwiegend der Hellen Farbe zurückführen und
uns doch durch möglichst zarte Tönungen an einen
empfindlichen Geschmack gewöhnen. Voran steht hier
 
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