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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 19
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Zeno: Münchener Betrachtungen
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Schmidkunz, Hans: Leipziger Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0340

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296

Die Aunst-Halle

Nr. l9

lich keineswegs den Eindruck einer Streitschrift. Doch
läßt schon der Titel: „Kittel und Schurzfell! Kunst-Debatte
in der bayr. Abgeordneten-Kammer, Glanzlichter aus
Münchener Kunstxslege" (Dgl. Bücherschau. D. Red.), aus
eine Polemik schließen, so übertrifft der Inhalt dieser
Broschüre die Erwartungen noch um Einiges. Prof. Roth
schildert uns seine Wirkungsstätte als eine Art Folterkammer,
in der man ihn seiner künstlerischen und geistigen Ideen
wegen wiederholt zu vergewaltigen gesucht, und ties ge-
kränkt habe. Ueberall entdeckt er gegen seine Person und
seine Werke gerichtete Kabalen, und man würde wohl
geneigt sein, ihn einfach zur Zahl feuer Leute zu rechnen,
die aus krankhafter Selbstüberschätzung sich verfolgt wähnen,
nur um die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihre
Person zu lenken, um so mehr, als er unvorsichtig genug
war, der Verlagsbuchhandlung zu gestatten, sein Porträt
nebst Biographie dieser Streitschrist anznhängen — wenn
er nicht eben ein so ausgezeichneter Künstler wäre, der
das Alles garnicht nöthig hat. Das Pauptstreitobjekt
bildet die lebensgroße Gipsgruppe „Im Sterben": Lin
Elternxaar aus dem Arbeiterstande begleitet mit stummem
Schmerz das letzte Röcheln des einzigen geliebten Kindes.
Man hat dieser ergreifend schönen Skulptur, einem wirk-
licher: obst' ä'osuvrs, in München wie fetzt in Berlin be-
vorzugte Plätze angewiesen, es sogar mit der goldenen
Medaille ausgezeichnet. Aber es soll dem Künstler, der
auf einen Ankauf für die Glyptothek sicher gerechnet hatte,
andererseits bedeutet worden sein: Line solche Art Kunst
mit Kittel und Schurzsell käme nicht dort hinein . . .
Wenn dieser Ausspruch thatsächlich keine bloße Fiktion
des Künstlers ist, der sich in begreiflicher Aufregung ja
auch in der rein schöpferischen Bedeutung des Werkes irrt
— denn z. B. die italienische Plastik kultivirte dieses Genre
schon vor Jahren — dann wäre er in der That gerade-
zu blamabel für den Urheber.
Das Interessanteste in dieser Angelegenheit ist aber
das Verhalten der Münchener „Sezession," die sich
— wie hier einmal deutlich bewiesen wird — gleich ihren
auswärtigen Schwesterverbänden, immer offensichtlicher als
Interessenverein und Lobassekuranzgesellschaft fortentwickelt.
Sie hat, wie Prof. Roth versichert, „die pand mit dazu
geboten" die freiheitliche Entwicklung der Kunst, nach
der sie einst so wacker schrie, „in meiner Gruppe zu
knebeln." So handelte diese „Sezession" einem Künstler
gegenüber, der seinem Temperament und seinem Schaffen
nach doch sicherlich nicht zu den „Alten" zählt. Aber der
Kampf gegen die „Alten" ist eben längst nur Phrase und Vor-
wand, seitdem z.B. die Berliner perrn für ihre Ausstellungen
um die Menzel, Leibl, Böcklin, Thoma u. a. werben.
Wahrheit ist hier lediglich der brutale Kampf um die
perrschaft, um den Besitz der Pinakotheken, Glyptotheken
und Nationalgallerien mit Pilse selbst jämmerlichster
Schiebungen, pat doch sogar, wie diese Broschüre betont,
der bayrische Minister neulich zugeben müssen, daß er zum
Ankauf der von Uhdeschen „Pimmelfahrt" gedrängt
wurde!! „Der gesunde Sinn der Geffentlichkeit, die ganze
Münchener Künstlerschaft, mit Ausnahme einer gewissen
Klique, hat sich gegen den Ankauf gesträubt . . ." Weil
diese Verhältnisse heute genau so auch in Berlin und Dresden
sind, so ist der Gedanke, der bisher nur ganz heimlich auf-
tauchte, der aber vielleicht bald überall ein lautes Echo
finden wird, schon jetzt nicht von der pand zu weisen, daß

nämlich ein kunsthändlerischer Ring besteht, der sich in
Paris schließt, der aus das Engste seine Interessen mit
denen der Sezessionen Deutschlands und Oesterreichs ver-
knüpft hat und dem es zugleich gelang, sein begehrliches
Streben sogar in Museums- und litterarischen Kreisen zur
Geltung zu bringe::.

HeipLiKep ^uyst.

aß Leipzig nicht zu den berühmten Kunststädten ge-
zählt werden kann, dürste bekannt sein. Immerhin
ist es eine beachtenswerthe Stadt der Sammlungen; ein
Zug der Nützlichkeit und Lehrhaftigkeit charakterisirt sie
wohl alle. Seit wenigen Jahren ist in ihre Reihe, einem
privaten Vermächtniß entsprungen, das „Grassi-Museum"
eingetreten, neben der als reich geltenden Abtheilung für
Völkerkunde besitzt es auch eine kunstgewerbliche. Das
ältere „Museum" enthält jedenfalls eine bemerkenswerthe
Vertretung älterer deutscher Landschaftsmaler und füllt sich
allmählich auch mit modernen Werken; Adolf Lchtlers
„peccatum", das aus der Münchener Ausstellung durch
seinen ergreifenden Ausdruck ausgefallen war, hängt jetzt
dort unter dem Schutz der Benennung „Verlassen". Die
eigenartigste Sammlung Leipzigs ist wohl, im „Buchhändler-
haus", das „Buchgewerbemuseum"; neben dieser historischen
Sammlung enthält das paus eine dauernde, aber von Zeit
zu Zeit wechselnde „Buchgewerbe-Ausstellung".
Ihr wichtigster Schatz dürste derzeit eine Gruppe von
Zeichnungen für verschiedentliche Zwecke der Buchausstattung
sein: „Originale Leipziger Künstler und Künstlerinnen."
Sie sind wohl der beste Beweis dafür, daß in das bisher
künstlerisch nicht sehr ehrgeizige deutsche Buchgewerbe ein
Zug des selbständigen Schaffens gekommen ist, daß aber
Beispiele dafür noch immer ziemlich selten sind. Pervor-
heben möchten wir aus jener Gruppe die, eine perrschast
der „sezessionistischen" Linienzüge zeigenden Zeichnungen
von p. Ed. Kozel und von M. Loose und dann die farbigen
Buchbandpapiere von Amalie Roit. Das Uebrige in der
Ausstellung sind Vervielfältigungs-Arbeiten, technisch wohl
durchweg vollendet, künstlerisch im Ganzen nicht eben sehr
hochstehend; Ausnahmen mögen einige Aquarelle sein: so
Künstler-Aquarell-Karten aus den Rheinlanden in vierzehn-
farbigem Druck (Firma E. v. König peidelberg) und
Aquarellstudien nach der Natur von der Chromolitho-
graphischen Kunstanstalt M. Seeger, Stuttgart. In farbigen
Buchbandpapieren haben zwei Aschaffenburger Firmen
nicht wenig, aber nur das längst bekannte Typische
ausgestellt.
Die Vorherrschaft behaupten leider all die gewohnten
polzschnitte, Kunstdruckereien, Chromolithographien usw.
der ja auch sonst den Markt beherrschenden Vorlage
illustrirter Familienblätter. Auch die vielen Notentitel von
C. G. Röder erheben uns mit ihrem Variiren zwischen
alter Süßlichkeit und sezessionistischer Moderne nicht eben
über Gewohntes. Beachtenswerther sind einige Reproduk-
tionsverfahren, die ersichtlich auf ein feines Wiedergeben
der stofflichen Verschiedenheiten in den dargestellten Gegen-
ständen angelegt sind. So besonders die Peliographien und
auch Photogravüren der Münchener Kunst- und Verlagsanstalt
Dr. L. Albert und Co., und dann von Angerer und Göschl in
 
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