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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 19
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Imhof, Franz: Berlin: Zwei Atelierausstellungen
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0342

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298

4- Die Aunst-Halle

Nr. l9

den Beschauer, diese elastisch schlanke Figur, mit dem bart-
losen ausdrucksvoll feinen und geneigten Paupte.
verständlich genug, daß sich die ernste Phantasie dieses
Statuarius, dem so ganz das Grgan für dekorative Ge-
schmeidigkeit fehlt, mit gewisser Vorliebe neuerdings dem
religiösen und biblischen Gebiete zuwandte, zumal er
mit seiner gedanken- und kraftvollen Marmorgruppe
„Adam und Eva", die hier im Eingangsraum steht, vor
Jahren einen ungewöhnlichen künstlerischen Erfolg und die
„große Goldene" errang. Auf diesem Gebiete kommt seine
schöne Gabe der Verinnerlichung der Form, die ehrliche
kerndeutsche Art des Meisters, der jede Effekthascherei
meidet, ohne Einwand voll zur Geltung. Die beiden
Lünettenreliefs an der Kaiser Wilhelms-Gedächtnißkirche:
„Jakob mit dem Engel" und „Beweinung Christi durch die
Madonna" (vgl. die Abbildg.) sind gelungene Beispiele da-
für; dem Eindruck einer warmer: Innigkeit kann sich bei
dieser „Pietü" wohl Niemand entziehen. Auch eine
Kolossalgruppe für das Waisenhaus in Bunzlan „Christus
und die Kindlein" gehört hierher, vielleicht schwebte ihm
dabei Rauchs altes Hallenser Denkmal des Waisenvaters
Franke mit den beiden Kindlein vor?
Sieht man sich weiter in dem Atelier um, so entdeckt
man auch einige ältere Arbeiten, z. B. einen „Frühling"
in Bronze d. h. ein gelagertes Mädchen in Lebensgröße,
eine Statuette Shakespeares im Kostüm der Zeit und eine
Büste des Solinger Stahlwaaren-Fabrikanten penckell, die
durch eine frappante Ähnlichkeit mit dem Kopse von
Exzellenz Menzel auffällt.
Line begabte Architekturmalerin aus der Provinz, Frl.
Grete Waldau, hat jüngst in ihrem hiesigen Atelier
eine Anzahl Breslauer Stadt- und Parkansichten von zum
Theil ungewöhnlichen: Format ausgestellt und damit sogar
die lebhafte Anerkennung mancher Kritiker gesunden, die
bei einen: unfertigen Talent über die bescheidene Fertigkeit
in der Regel hinwegsehen. Diese Leinwandflächen, für das
opulente peim eines Breslauer Mäzens bestimmt, segeln
zur Zeit unter der stolzen Flagge des Kgl. Kunst-
gewerbemuseums: Mögen das die maßgebenden Perri:
dieses Museums, die alle diese Gemälde schon für aus-
stellungsreis hielten, vor ihren: kunstkritischen Gewissen ver-
antworten. Ich kann mich ihren: Krtheile keineswegs an-
schließen, wenn ich auch einzelne, verheißungsvolle Züge
persönlicher Eigenart, das Streben der Künstlerin, gewisse
ai: sich einförmige Flächen durch Beleuchtungseffekte und
Farben reizvoll zu beleben, und ein unleugbares verständniß
für die verschiedenartigen Bautypen einer älteren Stadt
lobend hervorhebe. Dennoch gefallen mir an: relativ besten
die photographisch ausgefaßten Ansichten, also die einfachen,
liebevoll ansgesührten Veduten, z. B. die pittoreske Perspektive
des spätgothischen Rathhauses der Stadt. An: unfertigsten
sind jedenfalls die Schilderungen, zu denen Frl. Waldau
mit tapferem wollen aber, wie gesagt, unzulänglichem
Können allzuviel aus der Tiefe ihres Gemüths schöpfte.
Die Boote und das Wasser auf der ersten großen farben-
reichen Szenerie z. B. sind von kindlicher Naturbeobachtung
und noch bedenklicher erscheint mir u. A. aus dem übrigens
ziemlich langweiligen Winterbilde die saloppe Routine der
Schneewiedergabe. So berechtigt mildes Urtheil dem jungen
Talente gegenüber ist, dessen Zaghaftigkeit der Lrmuthigung
bedarf, so verkehrt wäre dies gegenüber einem verfrühten

Selbstgefühl, das leicht, als Kehrseite der Medaille, der
Unterschätzung Anderer und der Abneigung, von Anderen
zu lernen, anheimfällt.
Franz Imhof.


RunsichromK.

* Berlin. Der Kaiser in der National-
gal lerie. Es ist nicht unsere Schuld, wenn wir aus dieses
Thema zurückkommen müssen. Aber gegenüber dem leicht-
fertigen versuch, die Glaubwürdigkeit unserer Mittheilung
in Nummer t" anzuzweiseln, haben wir Folgendes zu
erwidern: Unsere Bemerkungen, „daß sich der Kaiser gegen
die von dem derzeitigen Direktor der Gallerie getroffenen
Veränderungen aus das Bestimmteste, und soweit es die
Ausnahme einer Anzahl mittelmäßiger französischer Bilder
betrifft, aus das Allerschärsste geäußert hat", halten wir
voll und ganz aufrecht, da wir autheutisches Material in
pänden haben. Ja noch mehr, wir wissen — und wir
schöpfen nicht etwa bloß aus einer (Puelle —, daß der
i kaiserliche Unwille sich vor Allem auch gegen die Rath-
geb er richtet, die eine ihm bis dahin unbekannte Persön-
lichkeit für die Leitung des nationalen Kunstinstituts em-
! xsehlen konnten, wir geben es ruhig dem Urtheil aller
Unpartheiischen anheim, ob wir danach berechtigt waren, zu
schreiben, daß für die Leitung der Nationalgallerie gleich-
sam die Kabinetssrage von der höchsten Seite selbst ange-
regt sei. Die Leute aber, die uns mit schlechtverhüllten:
Aerger zu widerlegen glauben, weil es der Kaiser gegen
jenen perrn damals nicht an Freundlichkeit habe fehlen
lassen, beweisen doch nur, daß ihnen die ritterlichen Ge-
pflogenheiten eines Fürsten ganz und gar nicht verständlich
sind. Den: Monarchen, der eben erst einen: Auslands-
Meister Diego velazquez „als ruhmreichen Vertreter
des spanischen Geistes" so edelsinnig huldigte, hat es
zwar ebensowenig an spontaner Begeisterung für die
französische Kunst und ihre großen nationalen Meister bei
rechten Gelegenheiten gefehlt. Aber er ist wohl der An-
sicht — und wir folgen ihn: darin unbedingt — daß das
unserer nationalen Kunst von Kaiser Wilhelm I. geschaffene
paus in den bevorzugtesten Räumen kein Asyl ist für die
in Paris abgelegten Bilder von Manet, Monet, Degas u. A.,
so ersprießlich das gewiß auch für die Kunstgeschäfte der
Firma Durand-Ruel sein mag. Sicherlich stimmen wir der
Meinung zu, daß die künstlerischen Krtheile des Monarchen
rein persönliche sind und wir haben sie bisher auch
niemals für uns herangezogen, aber wir vertreten im vor-
liegenden Falle die Anschauung, daß die kaiserliche Stimme
grade in Sachen der Nationalgallerie nicht überhört
werde:: darf. Mindestens ist sie hier objektiv so werthvoll
wie das Krtheil der sezessionistischen Kritiker, die jetzt unter
Führung des perrn Galleriedirektors ohne Gnade unsere
„Marine-, Militär- und Peldensagenmalerei" verurtheilen,
die sie gewissermaßen als etwas Künstlerisch-Knreines be-
trachten, vielleicht weil die nicht wie das sog. „Moderne"
vom Ausland übernommen werden kann, wenn wir daran
erinnern, geschieht es wahrlich nicht aus Liebedienerei nach
irgend welcher Richtung oder aus Rücksicht aus die Zwecke
einer Parthei, sondern ausschließlich um der eigenen Ueber-
zeugung denjenigen Nachdruck zu geben, der uns im gleich-
mäßigen Interesse unserer Künstlerschast, in deren frei-
willigen und unabhängigen Dienst sich die „Kunst-Palle"
stets gestellt hat, nothwendig erscheint. Alle Insinuationen
gegentheiliger Art sind verleumderische und richten sich in'
unseren wie in den Augen unserer zahlreichen Freunde
von selbst.
. . . Um dem ernsten Schauspiel die Satyrposse folgen
zu lassen, beschäftigte sich gerade dasjenige hiesige Blatt,
welches den obigen Vorgang dreist leugnete, gleich daraus
mit der Neubesetzung des Direktorxostens der
Gallerie. Es ließ sich den Namen eines Kandidaten aus —
 
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