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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 20
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Petsch, Robert: Die Siegesgöttin in der Kunst der Hellenen, [1]
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Eller, George: Raoul Larche
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0353

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Nr. 20

4- Die Aunst-Halle

307

Laufe am Boden hineilt und der nun außerdem
Flügel verliehen sind. Ls verlohnt schon der Mühe,
dies Werk etwas genauer zu beschreiben.
Archermos hat sich von den Gesetzen und An-
schauungen orientalischer Künstler, deren Werke er oft
genug studirt haben mag, noch nicht ganz zu lösen
vermocht. Der Körper der Göttin zerfällt deutlich in
zwei Theile; die scharfmarkirte Taille, dieses Neber -
bleibsel orientalischer Mode, von dem sich die hellenische
Kunst nur schwer zur Freiheit durchgerungen hat,
halbiert knapp über den Hüften das eng anliegende
Gewand. Ls ist nun, als ob der Unterkörper an
der Taille eine Vierteldrehung gemacht hätte. Denn
während der Oberkörper uns zugedreht und en kaee
dargestellt ist, bekommen wir den Unterkörper nur im
Profil zu sehen. Das Antlitz der Göttin, deren Haupt
festlich geschmückt ist, zeigt jenes „archaische Lächeln"
— den ersten schüchternen versuch griechischer Bild-
hauer, ihren Werken ein Seelenleben einzuhauchen.
Das straff angespannte Gewand läßt die Körper-
formen deutlich hervortreten. Die Flügel sind ab-
gebrochen, doch können wir aus gleichzeitigen oder
wenig späteren Nikefigürchen, die von unserer Statue
entschieden beeinflußt sind, auf eine, der orientalischen
Art abgeguckte Form schließen: hochaufgerichtete
Schwingen, die oben spiralförmig nach innen gekrümmt
waren. Nun zum seitwärts gedrehten Unterkörper;
das rechte, vorgestellte Bein ist im Knie gebeugt und
bei dem kräftigen vorschreiten von dem Gewände
entblöß worden, das nun das linke, sehr schlecht
erhaltene Bein verdeckt, zwischen den Beinen lang
herabfällt und nur von der linken Hand emporgerafft
wird. Der Faltenwurf ist nichts weniger als künstlerisch,
läßt aber erkennen, daß das linke Bein bis zu einen:
rechten Winkel eingeknickt war. Ls scheint nun, als
ob die Figur nut dem linken Unterschenkel knieend auf
dem Boden läge und das rechte Bein vorsetzte, etwa
die Stellung eines knieenden Schützen. Dieses „Knieen"
aber bedeutet, wie Lrnst Turtius erkannt hat, in der
alten Kunst den schnellsten Lauf. So ist auf einer
späteren Neliesplatte der „Kairos", der günstige,
schnell entschwindende Augenblick, nach einem ver-
lorenen Werke des Lysippos, in dieser selben „Knie-
laufstellung" gebildet. Man hat bisher in dieser
Darstellungsart eine Ungeschicklichkeit, einen schlechten
Nothbehelf gesehen, bis in unser:: Tagen der Moment-
photograph zu unser::: Lrstaunen nachgewiesen hat,
daß sich thatsächlich die Bewegungen des Springenden
auf seiner Platte ganz so ausnehmen, wie es diese alten
Werke zeigen. Wie scharfe Augen haben doch die helle-
nischen Meister aus der palästra sich angeeignet! Also
ein Springen, ein Dahinhuschen über die Erdober-
fläche ist es, was Archermos hervorgebracht hat, eine Er-
findung, ein Ausweg von derselben „genialen Naivetät,
mit der Tolumbus das Li zu::: Stehen brachte."
wie schon erwähnt, hat diese Lrfindung be-
geisterte Aufnahme gefunden, doch wollen wir von

den zahlreichen Nachahmungen nur auf eine Hin-
weisen, auf den prächtigen Griffansatz eines Bronze-
spiegels, den die Berliner Antiquariumsverwaltung
soeben erworben hat.
(Schluß folgt.)
dr
(Naouk Sarche.
(Hierzu die Illustration.)

der großen Maschinenhalle des Ausstellungs-
palastes an: Marsfelde, wo in diesem Jahre
die „8ocn6t6 clss I.rti8t68 bckg.n(M8« und die
„Loeiete Rationale 668 LeLnx-I.rt8" ihre Zahresaus-
stellungen abhalten, ist eine kolossale Bronzegruppe
zu sehen: „1^ lempete et Is8 Rnes8" (Der Sturm
und die Wolken). Die charakteristische Schärfe der
plastischen Form und die Gewalt des Ausdrucks sind
im gleichen Maße merkwürdig an diesen: Werk eines
Künstlers, der, noch nicht vierzig Jahre alt, einen
respektablen Platz in: Reiche der Bildhauerei bereits
errungen hat.
Naoul Lärche ist in: Jahre (860 in 8aint-
I.när6-cl6-0ul2L6 in der Gironde geboren. Seine
Meister waren Zouffroy, Falguiere und Delaplanche.
(886 errang er den zweiten Nömerpreis, (8H0 die
Medaille 3. Klasse mit seiner Gruppe „Ü68N8 ^gvant
1s8 äo6tenr8", die von der französischen Negierung
angekauft wurde und in: Muse::::: zu Agen dauernden
Platz gefunden hat. Die Medaille I. Klasse erhielt
er (8H3 nut seinen beiden Gruppen „Da vrairie et
le Itni886unck und 8evs", über welche ich mich
damals in einer andern Zeitschrift begeistert äußern
konnte. Sein Tafelaufsatz (Zinn) „1^ ^ler", gleichfalls
von der Negierung erworben, zieht in: Luxembourg-
Museum zu Paris die Augen aller Kunstfreunde auf sich.
Außer den: „Stur:::", den wir in dieser Nummer
illustrirt zeigen, hat er Heuer noch eine Marmor-
gruppe ausgestellt, „Ds8 Violettes, ein Werk voll
Poesie und Zartheit der Ausführung.
Augenblicklich arbeitet Lärche an einer Giebel-
gruppe für den Ausstellungspalast, in welcher sein
bedeutendes Talent sich ebenfalls schöpferisch bethätigt.
George Eller.


verlin:
krosse Kunstausstellung isoo.
von Bruno Meyer.


III.

^p^^fleit den: jüngsten Berichte sind die beiden
Säle der Wiener eröffnet. Sie machen
einen vortrefflichen Eindruck, obgleich es
in ihnen von „Nichtungen" wimmelt, die man in der
heurigen Ausstellung sonst ohne Schmerz mehr hat
 
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