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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 23
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0411

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Nr. 23 °—-s- Die Aunst-L)alle -^>—

359

Münckener Trief.
Non Leopold Gustav.

ie Kollektion des A u s st e I l e r - N e r b a n d e s
Münchener Künstler in der Gallerie peinen: a n n
hat sich nur mehrere Bilder vermehrt, die Erwähnung ver-
dienen. Bredt nennt sein Bild K^mplmn nlbu; drei
Mädchenakte sind in den Nebel des jungen Frühlingsmorgens
gestellt, am Ufer eines Waldsees. In der Landschaft, wie
in den drei Gestalten ist der Seerosenzauber unberührter
Natur mit seinem Empfinden ansgedrückt. Otto Ahrweiler
bringt eine Weide am Bache; das vielerlei Grün ist gut
zusanunengestinnnt; seine Landschaft im Glasxalast erreicht
der Künstler jedoch hier an intimer Stimmung nicht ganz.
Bössenroth hat wieder scharf erfaßte, nur oft zu derb hin-
gehauene Augenblicksbilder aus dem Isarthal ausgestellt.
Gehrigs „Alte Stadt im Schnee" und „Nächtliches Straßen-
bild" zeigen eine sorgfältige und doch nicht zu peinlich
akkurate Ausführung, die sehr intim wirkt. Sehr schön
ist bei der nächtlichen Straße das Mondlicht, das Licht der
elektrischen Bogenlampe und des Gases auseinander ge-
halten. w. v. Dietz nennt sein feines Bildchen „Bor dein
Wirthshause". Der Reiter ist vom Pferd gestiegen und
dieses wird von der herbeigeeilten Bauernmagd getränkt.
Den Hintergrund bildet der lauschige Winkel eines alten
Gemäuers von stiller Poesie, das Ganze spricht von vor-
nehmer Kunst, bei der Können und Wollen in glück-
lichstem Einklang stehen. Paul Nauens Stillleben ist
künstlerisch recht tüchtig, während seine Balldame nur
chik ist. Bei Jul. Schrags Porträt ist der ältliche
Frauenkopf trefflich modellirt; bei der grellen Beleuchtung
jedoch müßte man sehen können, durch was diese hervor-
gerufen wird. Zimmermann bringt eine charakteristisch
gemalte alte Großmutter, welche mit ihrem Enkel ein
Gänseblümchen betrachtet, Griitzner einen seiner weinsrohen
Mönche, Gysis ein gut gemaltes Fruchtstück in nicht gerade
sehr geschmackvollem Arrangement. W. Räuber weiß in
einen: ansprechenden Aquarell Münchener Hinterhäusern
und Brauereischlöten einen ganz heimlichen Reiz abzu-
gewinnen. — — Auch der Kunstverein brachte in den
letzten Wochen manches pübsche. Non Strambulesku ein
Perrenporträt und ein weiblicher, sich im Spiegel be-
schauender Akt. In beiden Bildern zerfließt jede Form in
Stimmung, der bizarre Hintergrund soll diese noch heben,
während er für unseren Geschmack nur unruhig macht.
Ls spricht trotz des Weichen, Zerflatternden doch viel
zeichnerisches Können aus den Arbeiten. In Stefan
Popescu lernen wir einen Künstler kennen, dessen Köpfe
und kleine Landschaften zwar Spuren von eigener Auf-
fassung, aber auch solche von noch nicht ausgereiftem
Können zeigen. W. Scholtz bringt ein Friedhofsbild, einen
Jüngling in der Uniform Theodor Körners vor einen:
Grabe stehend; das Landschaftliche ist so gut gegeben, daß
das Genremäßige zurücktritt. Aehnliches gilt auch von
Schultheiß' „Rübezahl", vor dem die Weiber Reißaus
nehmen. Nur die eine pand des Kindes will zeichnerisch
bedenklich erscheinen. Johann perterich ^zeigt eine Ner-
treibung aus dem Paradiese, etwas steif, aber nicht übel
charakterisirt. A. Oppenheims Porträtstudien sprechen von
Talent; man sieht es ihnen an, daß sie ähnlich sein
werden; immerhin balanzirt die Lharakteristik einige Male

unfreiwillig nach der Seite der Karrikatur. I. v. Szeremley
zeigt Studien in Braun, einen weiblichen Akt in einer Land-
schaft und ein Männerporträt, alles sehr flott und treff-
sicher hingehauen. Tooby bringt wieder von seinen hart-
gemalten, aber von viel Studinn: zeugenden Thierbildern.
Iakobides' Muschelstillleben ist mit virtuosen: Können und
Eleganz ansgeführt. N. Güttners Plastiken zeigen srisch
erfaßte Figuren aus dem Alltagsleben, von denen nur
wenige aussehen, als ob sie aus einen: „Nerkaufsladen"
kommen.

Kerliyei- Uuyskscbau.
Non Franz In:Hof.

l. <Äus öem Aünstkerßause.
^^^ie neue Saison kündigt sich in: Nereinshause unserer
Künstler an. Ein zweites Kolossal-Gemälde des
Parisers Georges Rochegrosse ist dazu bestimmt, den
Reiz dieser Ausstellungen in der Bellevuestraße kräftig zu
beleben. Nermöge der Darstellung wird das Werk ohne
Frage selbst den Stumpfsinnigsten aufrütteln; aber gerade
diese Schilderung, „Ermordung des Kaisers Geta",
wird verschiedenartig beurtheilt werden, was eigentlich das
Schicksal noch jeder Leinwand des vielgenannten Franzosen,
dessen „Jagd nach dem Glücke" zur Zeit die Moabiter
Ausstellung schmückt, gewesen ist. Sonderbarerweise ent-
rüsten sich aber am meisten die kritischen Leute über die
Rohheit der Rochegrosse'schen Erinordungsszene, die kürzlich
für die weit stärkere naturalistische und koloristische Rohheit
eines 'Slevogt ihre Bewunderung langathmig ausdrückten.
Neraltet erscheint ihnen an dieser Tragödie Getas, des
Bruders und Mitkaisers Laracallas, nicht nur das sensationelle
Motiv, sondern überhaupt, daß ein so alter historischer
Stoff hier behandelt wurde, obwohl doch auch die moderne
Litteratur jetzt wieder mit Norliebe Exkurse in die entlegene
Geschichte unternimmt. Nein, die Wahrheit ist, daß ein
„moderner" Naturalist wie Slevogt mit seiner Technik
nur gequält wirkt, während Rochegrosse ein spätantikes
Milieu von ausdruckvollster Kraft fxielend zu geben ver-
mochte. Das gediegene und bravourmäßige Können des
Franzosen ist den perren ein Greuel und deshalb schelten
sie es „veraltet", wie der Fuchs die Trauben sauer schalt,
weil er sie nicht erlangen konnte. Mögen sie nur dabei
bleiben und das blödeTrottelthum desMünchenerNaturalisten
für wahre Kunst weiter ausgeben, da werden den: Publikum
schnell genug die Augen geöffnet werden.
Technisch steht die Ermordung Geta's uuzweifelhaft
auf der pöhe jener imposanten Glücksjagd; die ist ja durch
die Physiognomik ihrer Menschentyxen weitaus interessanter,
aber dafür ist das vorliegende Werk koloristisch ungleich
erfreulicher, wie wundervoll gemalt ist namentlich das
Mosaik des herrlichen Palastraumes, wo die weiße Sonnen-
fluth ein malerisches Durcheinander gestürzter Bronzetische
und Stühle, von Blumen, Nasenscherben, Blutflecken, bunten
Gewändern und geschmackvollen Arabesken mit sinnen-
reizendsten: Leben und einer farbenschönen Heiterkeit er-
füllt, die im grausigen Gegensatz zur Handlung steht.
Furchtbar und plötzlich ist der Ueberfall, wie ihn der
 
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