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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 21
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Gustav, Leopold: München: Internat. Ausstellung der "Sezession"
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Imhof, Franz: Neue Bücher und Kunstvorlagen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0375

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Nr. 2(

-2- Die Kunst-Halle

327

differenz ausgebrochen. Trübner schildert uns dies nicht
nach Art der Genremaler durch Theatergesten, sondern er
weiß die in der Luft liegende Spannung in uns hervor-
zurufen. Auf Volz' „Frau Musika" ist das Geige spielende
Rind munter und flott hingestellt, aber die Zeichnung der
weiblichen Gestalt überzeugt uns nicht völlig. Zumbusch
erhebt sich mit feinem „Bader" schier zum Humor der
alteu Holländer. Seine Susanna im Bade ist ganz nett,
mehr nicht.
Lepsius bringt ein Damenbckdniß grau in grau; die
verschiedenen Grautöne heben sich gut von einander ab;
es ist technisch eine recht beachtenswerthe Leistung. Ain
nun von den Porträts zu sprechen: Ludwig Kirschner
bringt einen „Prinzregenten Luitpold". Ts ist kein Bijou
unter den Porträts dieses vielporträtirten Fürsten. Ls ist
das Bild eines etwas steifen Herrn, welchen Lindruck der
Regent nie hervorruft. Der röthliche Hintergrund und
das Gesicht stimmen nicht gut zusammen. Das Ganze wirkt
wie eine Photographie. Alenn so etwas am grünen
Holze der Sezession geschieht! — Burger malte „pankok";
das Jugendliche, halb Unfertige, halb Aeberlegene ist gut
charakterisirt; auch sein „Mecker Stückelberger" weif; zu
interessiren; der Seehintergrund ist recht geistreich gegeben,
von Leo Sam berg er wollten wir noch Einiges sagen.
Lr zeichnet mitunter nicht allzu peinlich. Am werthvollsten
ist das Bildniß feines Vaters; flüchtiger, bizarrer und in
gewisfein Grade interessanter fein Selbstporträt. Trefflich
ist der Kopf des Architekten Dülfer herausgearbeitet (Zeich-
nung). Anders Zorn (Paris) bringt „Liebermann", mehr
geistreich als tief; mit einem gewissen Lhick, der seiner
ephemeren Wirkung sicher ist; vom Porträt der Frau
Liebermann läßt sich jedoch viel weniger Gutes sagen.
Audi et bringt ein ganz kleines Bild seiner Großmutter,
das den Stempel absoluter Ähnlichkeit und richtiger
Lharakteristik in sich trägt. Auch der Russe Seroff ist
wieder durch ein gutes Bild vertreten, das aber den vor-
jährigen Großfürsten nicht erreicht. Herkomers Porträt
stellt William Booth, den General der Heilsarmee dar.
Lin prächtiger Kopf mit langem grauen Bart, aus dessen
Zügen Milde und Energie sprechen. George Sauter-London
bringt ein Porträt Fritz vor: Uhdes, das zu sehr am Aeußer-
lichen haftet. Der gleiche Künstler nennt ein anderes Bild
„Inspiration (Kunsthandwerk)". Lin Künstler arbeitet an
einem Lampenständer oder dergleichen. Eine Frauengestalt
steht hinter ihm. Ihr Rothhaar fliegt im winde, wovon
man an dem arbeitenden Manne auch etwas merken
mußte. In der Rechten hat die Frau eine Lilie, in der
Linken eine Schlange; ihr Gesicht spricht mehr von letzterem
Symbol; uns nicht ganz aufklärend und befriedigend.
Um nun jenseits des Kanals zu bleiben. Dow bringt
eine Eva in der beliebten Dreitheilung. Lin Frauenakt
macht sich, wie uns scheint, aus purer Langeweile an dem
Baume zu schaffen, in dessen dunklem Laub die Gold-
orangen glühn, für Aepfel können wir sie wenigstens nicht
halten. Die beiden Seitenbilder ein Engel, der zur Strafe
ruft, und einer mit trauernd gesenkter Leier machen das
Symbol des Sündenfalls nicht überzeugender. — Neven
du Mont erreicht in feinem Bildniß der Miß Marjorie T.
feine weiße Herzogin nicht. Lin Mädchen von ungefähr
Jahren sitzt auf einem weißen Sessel; wieder eine
Studie in weiß, das weiß wird nur unterbrochen von dem
grauen Kätzchen auf dem Schoße des Kindes und seinem
bizarr gekämmten Blondhaar. Nun zu den zahlreich ver-
tretenen Schotteri, von denen nur die wichtigsten gestreift
werden können, zumal da auch hier die breitere Masse
eines guten Durchschnitts vorzudringen scheint.
Da ist Stevenson wieder mit seinen zarten Neben-
tönen, feinen dämmernden Abenden, die ihre Schatten über
das Land herabsenken. James Hamilton giebt die Sand-
bänke des Flusses Lye in guter Beleuchtung und einer
tiefen Ruhestimmung; bei paterfon 's Blick auf Edinburgh
tritt das hohe Gesträuch des Vorgrundes zu sehr als
Hauptsache auf. verwandt zu diesen sind Thomson der
uns St. paul's Kathedral in solch nebeldämmernder Luft
zeigt. In Marianne Stockes heiliger Elisabeth erblicken
wir einen Nachklang Burne-Iones'; wie in Greiffenhagens
Verkündigung, bei welchen: Bilde die Illusion des Schwebens
durch die Schwere der Gewänder kaum aufkommen kann.

Lott et-paris nennt fein Bild Trauer in den See-
landen. Mutter und Tochter trauernd aneinander ge-
schmiegt, der nut dein Horizont verschwimmende Meer-
hintergrund ist gestimmt, um die auf den Gesichtern der
beiden angeschlagenen Gefühle zu verstärken. Blanche
bringt eine lesende Dame fein und flott in der Ausführung;
dieselben Vorzüge zeichnen sein Porträt aus. Larriöre's
in Nebel gehüllte Passanten wirken als reizvolles
Experiment; durch das große Format bekommt das Bild
jedoch zuviel tote Stellen. Dann sehen wir von Besnard
eine Aktstudie in Pastell, die sich von dein nebenstehenden
Ruhebett kräftiger abheben dürfte. Und nun ein Monet,
eine schneebedeckte Dorfstraße, alles eigentlich nur hinge-
haucht und angedeutet, aber völlig genug, um unsere
Stimmung gefangen zu nehmen.
Ein Miniaturbild Edelknabe von Khnopff und ein
Sturm in Dieppe von Thaulow, mit souverainer Be-
handlung der Wassermassen möge die Bilderschau schließen.
Die Abtheilung für Plastik ist das Stiefkind der Aus-
stellung. von Hildebrand, den die Dresdner Ausstellung
so ziemlich absorbirt zu haben scheint, sehen wir ein flottes
Relief von Hans von Bülow; die Bildnißbiiste petten-
kofers haben wir nur in einen: sehr mäßigen Gipsabguß
vor Augen. Ein Relief in Terrakotta scheint in einigen
Theilen nur skizzirt. Hermai::: Hahn bringt ein Bismarck-
Moltke-Relief in Bronze; bei den: in der Runensprache der
Profile beinahe etwas zu viel geschehen ist. Stuck hat
einen verwundeten Zentaur ausgestellt und eine Tänzerin,
die freilich einen gewissen Rhythmus nicht entbehrt, bei
der jedoch das zusaimnengeraffte Kleid zu schwer wirkt.
Troubetzkoi-Mailand's große Bronze „Mutter und Kind"
wirkt ungemein lebendig. Ganz trefflich find die Augen
des Kleinen gelungen. Das wäre aus den Sälchen der
Plastik ungefähr das erwähnenswerthe.


Neue Sucher unä Sunstvorlagen.

IV.
^WW^S ist vielleicht auch ein charakteristisches Zeichen
des heutigen Einflusses der Technischen Hoch-
schule auf die Universität, daß die hier ge-
pflegte Kunstwissenschaft sich jetzt so eingehend nut
der historischen Entwickelung und der Aesthetik der
Bauformen beschäftigt. Unter Prof. August
Schmarsow ' s Anleitung scheint man neuerdings
an der Leipziger Universität sehr vertiefte Studien
einzelner Epochen der Architekturgeschichte wissen-
schaftlich für besonders ersprießlich zu halte::.
Schmarsow selbst hatte diese Vorliebe schon in seiner
dortigen geistvollen Antrittsrede (f8s)3), über „das
U)esen der architektonischen Schöpfung" Ausdruck
gegeben und seitdem in Vorlesungen und Schriften
kundgethan, daß die Fragen der Baugeschichte
nicht lediglich den Praktiker interessiren sollen, sondern
auch ein willkommenes Feld für technisch-kritische,
kulturhistorische oder ästhetisch-philosophische Unter-
suchungen, also ein Tummelplatz für die scholastische
Gedankenarbeit feieu. Es muß das bei Mauchen:
Bedenken erregen, nicht zum IVenigsten bei deu Nicht-
gelehrteu, den Baukünstlern, die solcher abstrakten
Zergliederung des architektonischen Schaffens kann:
zugänglich sein dürften. Vor zwei Jahren betraf
auch eine Preisaufgabe der philosophische:: Fakultät
der Leipziger Universität ein Kapital der Architektur-
geschichte, das die Ueberschrift „Spätgothik"
trägt, uud die Lösung der Aufgabe erhielt eine U:n-
werthung des bisherigen Begriffs in: Sinne von
„F r ü h r e n a i s s a n c e." Dem. Urheber dieses
 
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