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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 10
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Gensel, Otto Walther: Zwei Marine-Maler, [1]
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Thomas, Bertha: Londoner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0174

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Die K u n st - H a l l e

Nr. f0

^8

mit heiterem oder leicht bewölktem Himmel, wo alle
Farben sich in ein feines Graublau aufzulösen scheinen.
Boudin ist ein Fischerssohn aus Honfleur, dem
alten normannischen Hafenstädtchen, das Havre gegen-
über auf demselben Ufer der Seinemündung wie
Trouville liegt. Fast alle seine Bilder find in seiner
Heimat entstanden, in Deauville, in Trouville, in
Havre, in Ltretat. Hier allein fühlte er sich wohl,
in Paris, wo er die Winter verlebte und ein Atelier
besaß, kam er sich wie ein Verbannter vor. Die
wenigen Bilder, die er im Süden, besonders in
Venedig, gemalt hat, spielen in seinem Werke keine
Nolle.
Der erste Eindruck, den wir in der großen —
leider zu großen — Ausstellung empfangen, ist der
heiterer Ruhe. Boudin ist ein Idyllendichter mit
einem fast weiblich zarten Empfinden. Alles ist licht
bei ihm, nichts ist grell. Er liebte den heiteren oder
nur leicht bewölkten Himmel, aber er fand, daß das
ungehindert alles überfluthende Sonnenlicht nicht
eigentlich malerisch wirkt, wer am Meere gewohnt
hat, kennt die Tage, wo man so weit in die Ferne
schaut und doch alles wie unter einem duftigen
Schleier liegt. An solchen Tagen malte er am liebsten.
So erinnern seine Bilder mehr an Torot als an
Monet und Renoir. Torots tont tlottunt ist in
seinen Bildern. Aber betrachten wir doch die Bilder
van Goyens und van de Veldes, ist nicht auch bei
ihnen alles leicht verschleiert? Boudin ist Impressio-
nist, er führt nichts so minutiös aus wie die Holländer,
mit ein paar Tüpfchen weiß er uns Menschen und
Thiere, ferne Häuser und Schiffe, am Horizonte ver-
schwimmende Inseln auf die Leinwand zu zaubern.
Allein er ist nicht Impressionist in dem Sinne, den
man setzt gewöhnlich darunter versteht. Er verlangt
nicht, daß wir vor seinen Bildern weit zurücktreten
und die Augenlider zusammenkneifen, damit aus deu
brutal nebeneinandergesetzten Pinselstrichen überhaupt
ein Bild entsteht. Er wollte Bilder malen, Bilder
im alten guten Sinne des Wortes. Ich weiß, daß
viele Künstler dies jetzt für etwas völlig Dilettan-
tisches erklären. Allein, wenn auch der Künstler
sich natürlich nicht nach dem zarten Geschmack der
Menge richten soll, so malt er doch schließlich nicht
für seinesgleichen und für Hochweise Kritiker, sondern
für den ästhetisch gebildeten Liebhaber. Dieser aber
will einen Schmuck für sein Zimmer, ein abgerundetes
Werk haben, das aus mäßiger Entfernung gesehen
einen harmonischen Eindruck macht.
Boudins eigentliche Seestücke, die übrigens in
seinem Werke keinen sehr großen Raum einnehmen,
erinnern am meisten an Willem van de Velde. Der
Horizont ist nicht hoch genommen, die Wasserfläche
auf dem Bilde also verhältnißmäßig klein, eben durch
die außerordentliche Feinheit der Luftperspektive wird
das Gefühl der Weiträumigkeit auf das Voll-
kommenste erzeugt. Im Uebrigen liegt der Nach-
druck auf der feinen Harmonie der weiß-grauen
Wolken, des mattblauen Himmels und der grau-
blauen Wasserfläche.
Am liebsten und öftesten hat er den Strand ge-
malt, und zwar so, daß wir von einem etwas er-
höhten Standpunkte aus ihn entlang blicken. In
der Witte des Bildes dehnt sich die weite Sand-
fläche des eigentlichen Strandes aus, auf der einen
Seite erblicken wir das weer, auf der anderen bald
die vornehmen Landhäuser von Deauville, bald weite
Grasflächen mit weidenden Kühen, bald die Falaisen
von Ltretat mit dem kleinen Kirchlein hochoben. Der

Himmel ist leicht bewölkt, die Sonne ist hinter den
Wolken versteckt oder ihre Strahlen sind durch einen
Dunstschleier gemildert, die Kähne schaukeln auf
leicht gekräuselten Wellen. Er wird nicht müde
dieses Thema zu variieren. Zuweilen schlägt er
auch vollere Akkorde an. Er malt einen feuergelben
Sonnenuntergang oder schwarze Gewitterwolken, die
über die Dünen hinjagen, oder in dem berühmten
Kstonr äs lerrentznvitzNZ — die Stimmung nach
dem Sturm mit dem gestrandeten Schiffe in der
Witte, aus dem die armselige Habe der Fischer aus-
gebaggert wird. Immer aber haben wir den Ein-
druck des lyrischen Gedichts, das Episch-Dramatische
lag dem Künstler fern.
Auch eine Anzahl eigentlicher Genrebilder des
Strandlebens, wie die „Regatta in Trouville" oder
das „Konzert im Kasino von Deauville" befinden
sich unter den Werken Boudins. Das Kostüm der
Figuren, zumal die mächtigen Krinolinen zeigen uns
aber, daß sie einer früheren Periode des Künstlers
angehören. Das berühmte Strandbild von s86^
mit der großen rochen Krinoline in der Witte er-
innert etwas an Gavarnis Karrikaturen.
Boudins Stoffkreis ist übrigens mit den See-
und Strandbildern nicht erschöpft. Auch das Innere
der Dörfer seiner Heimat und ihre weiten Wiesen-
strecken haben ihm manches Bild eingegeben. Hier
malt er das breite Bett eines halbversandeten Flüß-
chens, das zwischen verwilderten Gärten hindurch-
fließt, dort eine am Bachesrande lagernde Kuhheerde,
da eine Windmühle, die man seinen: Weister Troyon
zuschreiben möchte.
Nicht minderen Genuß als die Bilder gewähren
die Studien und Skizzen. Unter den Aquarell- und
Pastellskizzen befinden sich einige Studier: des Abend-
himmels, die mich ar: Constables Blätter in South-
Kensington erinnert haben.

Londoner Ikunstbrtek.
von Bertha Thomas, London.

Ausstellung, welche uns diesen Winter die
New Gallery bietet, ist zum Gedächtniß Sir
Edward Burne Jones' dessen gesammtem
Lebenswerk gewidmet; und dieses durch eine
leihweise beschaffte Sammlung in genügend um-
fassender Weise vorzuführen, ist denn auch vortrefflich
gelungen. Obwohl nur zur Gefolgschaft, nicht zu
den Führern der berühmten englischen Kunstschule
der primitiven Richtung gehörend, steht dieser Künst-
ler doch heute als ihr erfolgreichster Repräsentant
da, sowohl durch seine hohe Gabe poetischer Erfin-
dung, wie durch seine hervorragende Behandlung
der Zeichnung und der Farbe.
Zum ersten Wal ausgestellt sehen wir sein
„Arthur in Avalon", ein Bild, das ihn viele Jahre,
bis zu seinem Tode beschäftigt hatte. Gegenstand
der Darstellung ist die Schlußszene der Arthur-Epen;
der Schlaf Arthur's auf der Insel Avalon, wohin
man ihn nach seiner letzten Schlacht gebracht, damit
er von seinen Wunden genese, und von wo er, der
Sage nach, eines Tages zurückkehren werde, um die
Herrschaft über sein Königreich wieder aufzunehmen.
Die ungeheure Leinwand — sie mißt 2s X ff
 
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