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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 4
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Glücksmann, Heinrich: 50 Jahre österreichischer Malerei: (aus dem Wiener Künstlerhause)
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P., R.: Düsseldorfer Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0068

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Die Aun st-Halle

Nr. §

5^

wir doch nicht recht glauben, obzwar sie in der Form
der Pietät des Sohnes für den Vater nicht unmög-
lich ist. Thatsächlich bildet es eines der pikantesten
Momente dieser Ausstellung, daß sie vor uns eine
Reihe von Kunst-Stammbäumen auspflanzt, mit dem
Kunsttalent erblich belastete Familien. Freudig ver-
merkt man aber hier eine Evolution: der Drang
des Vaters zur Kunst wird im Sohne zur Berufen-
heit, und des Künstler-Vaters bester Ruhm werden
die Werke seines Sprossen. Das gilt von dem
Veteranen der heutigen Wiener Kunst, dem geistig
jungen 86jährigen Meister Rudolf Alt, von dem
unvergeßlichen Führer der Wiener Landschafts-
schule, Emil Jakob Schindler, der leider schon in
das Programm dieser Ausstellung gehört und darin
auch mit einer Reihe glorioser Bilder einen
herrschenden Platz hat, das gilt endlich auch von
den künstlerisch gar nicht verwandten, aber gleicher-
art tüchtigen Brüdern Robert und Franz Rust und
ihren Vätern, die auch zumeist ihre ersten Lehrer
gewesen. So haben sie doch ein Recht auf den
Dank der Nachwelt. Leider aber hatten sie Zeit-
genossen, die für ihre schwache Kunst nicht den
mildernden Umstand anführen können, daß sie besser
malende Söhne in die Welt gesetzt haben. Und just
die haben den wahrhaftig Großen den Platz weg-
genommen und Prügel vor die Füße gelegt. Aber
diese Großen standen und stehen noch und leben,
indessen für jene Pygmäen der leibliche Tod das
künstlerische Ende war, das absolute Auslöschen.
Für manchen heute Strebenden ein Trost, den ihm
die historische Ausstellung im Wiener Künstlerhause
bietet.

Vässelclorfer ^aystbriek.

Gegensatz zu anderen Kunststädten, welche im
Sammer ihre Kunstausstellungen veranstalten, pflegt
Düsseldorf um diese Zeit der Ruhe.
Und in diesem Sommer besonders hatte man Lorbeeren
genug geerntet, um darauf zu ruhen, Hatte doch der
Malkasten wieder einmal ein hochbedeutendes Stiftungsfest
gefeiert und urbi et oi-bi den Beweis geliefert, daß Düssel-
dorfer Kunst- und Düsseldorfer Künstlerhumor den „Gries-
gram" und den „Durst" und wie alle die bösen Feinde der
Menschheit heißen mögen, siegreich aus dem Felde zu schlagen
Willens und im Stande sei. Darüber hatte man es denn
auch nicht für nöthig erachtet, bei der im September hier
tagenden Naturforscher- und Aerzteversammlung neben den
zahlreichen anderen Ausstellungen auch eine Kunstausstellung
zu veranstalten, so daß es wohl kommen konnte, daß der
eine oder der andere der fremden Gelehrten sich erkundigte,
wo man denn eigentlich „moderne Düsseldorfer Bilder"
sehen könne. Daß ihm dabei eine ooiNralliLtio in uchsoto
passirte, wie vielleicht seit seiner Sextanerzeit nicht mehr,
das ahnte er dann wohl gar nicht.
Man klagt in Künstlerkreisen so gern über den Mangel
an Fremdenpublikum und nun da einmal ein paar Tausend
aus einmal erscheinen, denkt man gar nicht daran, ihnen
etwas zu zeigen; oder glaubt man, daß die permanenten
Bilder in der Kunsthalle die moderne Malerei auch nur von
Düsseldorf vorstellen können?

An dem Projekt einer großen Kunst- und Gewerbe-
ausstellung läßt man ein paar eifrige und thätige Leute
in der Stille weiter arbeiten, ohne sich ein Kopfzerbrechen
zu machen, ob, wie und wann das für Düsseldorf so eminent
wichtige Unternehmen zu Stande kommt.
Seit gestern ist nun die Wintersaison mit einer Vautier-
Gedächtnißausstellung in der Kunsthalle eröffnet worden.
In Wirklichkeit ist es aber eigentlich nur eine Nachlaß-
ausstellung, denn von fertigen Bildern ist kaum mehr als
ein halbes Dutzend vorhanden, dafür zahlreiche Entwürfe,
Skizzen, gezeichnete Studien, die in Vautiers eleganter,
nicht gerade aufregender Manier hergestellt, den Werdegang
einzelner seiner Bilder verfolgen lassen.
Eine andere Kunstangelegenheit bewegt dagegen seit
einiger Zeit verschiedene Gemüther, künstlerische und nicht
künstlerische. Ls handelt sich um den Plan, eine Damen-
akademie zu gründen. Der Kunstverein, wohl angeregt
durch den Verkehrsverein, hatte bei dem Kuratorium der
Akademie (dem Regierungspräsidenten), die Errichtung einer
Malerinnenschule im Anschluß an die Akademie beantragt
unter der Voraussetzung, daß die Stadt die Hälfte der Kosten
übernehmen solle. Der Regierungspräsident hatte von der
Direktion der Akademie einige Berechnungen eingeholt und
die Sache dem Oberbürgermeister zur Erwägung vorgelegt,
und vor einigen Tagen kam die Angelegenheit vor dem
hohen Hause der Stadtverordneten zur Berathung. Eigentlich
handelt es sich um zwei Pläne, nämlich zunächst um die
Errichtung nur einer Klasse, deren Kosten auf H65O Mark
angegeben wurden und zweitens, wenn diese Klaffe sich be-
währt haben würde, um die Errichtung einer dreik lässigen
Schule, die etwa noch t^voo Mk. p. a. beanspruchen würde.
Im Stadtverordnetenkollegium fand die ganze Sache
wenig Gegenliebe. Erstlich, hieß es, hätten malende Damen
hier genug Gelegenheit sich privatim auszubilden, zweitens
sei die Gefahr da, daß der Dilettantismus wohlhabender
Damen gefördert würde (nebenbei recht schmeichelhaft für
die Akademie, unter deren Aufsicht und Leitung die Schule
stehen sollte). — Von den segensreichen Folgen der Di-
lettantismus, wie sie von Hamburg, dem „Vorort" deutscher
Kunst, aus in so überzeugender weise gepredigt worden
sind, scheint man also hier nicht viel zu halten. — Drittens
koste die Sache viel zu viel Geld, man müsse schon so viel
Geld für die Kunstgewerbeschule ausgeben rc. re.
Da auch in Kunstkreisen die Angelegenheit sehr kühl
beurtheilt zu werden scheint, so wird es mit der Damen-
akademie wohl noch gute Wege haben, es sei denn, daß
der Kunstverein oder der Verkehrsverein die nöthigen Gelder
zur Verfügung stellte. Mb in der That der Düsseldorfer
Kunst mit der Ausbildung von Malerinnen gerade ein
großer Dienst erwiesen würde, ist doch sehr zweifelhaft.
Lin Ersatz für die nur zu zahlreich von Düsseldorf sich zurück-
ziehenden jungen Künstler dürfte bei den malenden Damen
schwerlich gefunden werden und daß mit der künstlerischen
Ausbildung der Frauenarbeit ein fruchtbares Feld eröffnet
würde, das wird doch wohl auch Niemand glauben wollen,
was der Düsseldorfer Kunst fehlt, das ist an dieser Stelle schon
mehr als einmal betont worden. Ls ist ein regeres, künst-
lerisches Leben, das zu seiner Entfaltung eines Mittelpunktes
bedarf, wie ihn unter den heutigen Verhältnissen der Mal-
kasten, dessen Verdienste um Düsseldorf vor etlichen Dezennien
sicher nicht bestritten werden soll, heute eben nicht mehr zu
bieten vermag.
 
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