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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 4
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Gustav, Leopold: Münchener "Kunstverein"
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Norden, J.: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0071

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Nr.

Die Aun st-Halle

57

schnitten die Farbenreize des Herbstes, ohne daß über diesen
tüchtigen Künstler sich etwas Neues sagen ließe-
A. Bachmann bringt Studien und Bilder von Spitz-
bergen. In glatter Manier, beinahe nüchtern, schildert er
uns die Wunder der arktischen Liswelt. — R. Honig-
mann befindet sich mit seinen Syringen in auswärts
steigender Entwicklung. L. G.

Mei-Iiyei- Muysksckmu.

erSchulte 'sche Kunstsalon vertrat seit jeher das schätzens-
werthe Prinzip, mit seinen Ausstellungen, in denen
Einseitig-Beliebtes nicht bevorzugt, sondern im Gegentheil
jede mögliche Mannigfaltigkeit geboten wird, lediglich in
sachlicher weise den Künstlern und dem Publikum zu dienen.
Ich meine, das müßte die Aufgabe jedes vernünftig ge-
leiteten Salons sein. Nun aber macht sich auch im Kunst-
handel ein neues Prinzip geltend, das srüher seinen Boden
blos in der sog. Kliquenpresse fand, nämlich einen Salon
nicht der Kunst, sondern der Persönlichkeit eines Künstlers
wegen zu eröffnen, selbst dann, wenn die Werke dieses
begünstigten Künstlers schon aller Welt genau bekannt
sind. Das heißt eben: nicht das sachliche Interesse ver-
treten, sondern „den übertriebenen Kultus der pikanten
Persönlichkeit", wie es jüngst in einer Gedächtnißrede sür
Friedrich Geselschax lautete.
Auch dieses Mal vermag der Salon Schulte durch die
Mannigfaltigkeit der Werke zu befriedigen, wenn das
absolut Gute in der Menge nicht gerade vorherrscht, so
sollte die Kritik dem Einen nicht die andere Thatsache
entgelten lassen. Ist doch hier u. a. vorzüglich vertreten
der Karlsruher Meister Fr. Kalimorgen mit mehreren
figürlich staffirten Landschaften („Sonntagmorgen" und
„Sommer-Nachmittag"), in denen die Farben so saftig-
frisch leuchten, daß es eine Freude zu schauen ist.
H. Thoma bietet zwei ältere und zwei ganz neue Arbeiten.
Jene, eine dunkeltönige Sabinerlandschaft und eine
Humoreske mit zwei Bauerndirnen, die einen Satyrbuben
hänseln, befriedigen zumal koloristisch mehr als das im
Hellen Pastellton angelegte, stilisirte „Motiv vom Gber-
rhein" und die Landschaft mit dem Pfau. Max Schlich-
ting hat eine Reihe feingestimmter Freilichtstudien aus
Paris und Brügge hergegeben. Eine Längswand des
Hauptsaales gehört neben dem böcklinisirenden Landschafter
Urban, dem aus München gekommenen Bennewitz von
Loefen, der sich gleich mit einer kleinen Porträtgallerie,
anmuthigen Frauen, reizenden Kindern, energischen
Männern, der Geffentlichkeit als Bildnißmaler vorstellt.
Bisher war der Künstler als Landschafter in der Art von
Keller-Reutlingen und als Genremaler erfolgreich. Unter
seinen männlichen Konterfeien in Gel fällt u. A. der Konsul
Dr. x>. auf, der als Typus eines preußischen Ministerial-
beamter: und Reserveoffiziers völlig echt wirkt. Bei den
weiblichen Pastell-Köpfen ist der Strich stellenweise zu fest,
Haltung und Ausdruck erscheinen noch nicht ungezwungen
genug. Line fleißige gute Arbeit ist die en tace gemalte
ältere Dame. Jos. Block ahmt dagegen in einem Porträt
wie in einer großspurigen Bibelszene („Ehristus und die
Ehebrecherin") das Kolorit der alten Vlämen nach; aber
wie roh, aus das Aeußerliche gerichtet, wirkt bei ihm Alles.
Unter einer köstlichen Artemisstudie von Lenbach ist in-
diskret angedeutet, daß der idealisirte Kopf einer hiesigen
Malerin beabsichtigt ist. Neben dieser graziösen Arbeit
nimmt sich das energisch gemalte Schauspieler-Doppelporträt
von G. Meyn saft brutal outrirt aus. Besser gefällt mir
das imposante ganzfigurige Bild der Jenny Groß von
Tr. Steinthal, das die berühmte Schauspielerin in
orangefarbiger Ballrobe, tief dekolletirt, an der gefähr-
lichen Altersgrenze überreifer bewußter Frauenschönheit
darstellt. In den Nebensälen verdienen Beachtung die vielen
Aquarelle von James Kay-Glasgow: Marinen, belebte

Häfen, barocke Straßenperspektiven, wiesen mit Vieh oder
Teichen, an denen Angler stehen, — Alles in gebrochenen
blassen Tönen verschwommen und flott lavirt. Ferner
drängt sich von dem Pariser G. G. Roger eine dreige-
theilte, blaß-grau-grüne »vaMLisls clocorativs« aus. Die
impressionistischen Sommerlandschaften eines anderen
Franzosen, Albert Lebourg, mit dem sanften Flimmern
der Luft, haben keine besondere Note. Nicht übergangen
seien die frisch aufgenommenen Aquarell-Ansichten aus
deutschen Gauen von G- Günther-Naumburg sowie die
Wald- und Küstenlandschaften von Müller-Kurzwelly
mit ihren energischen effektvollen Lichtabtönungen.
Als Ersatz für die fehlende Plastik bietet dieses Mal
der Salon eine Sammlung von „Griginal-Fayencen und
Töpfereien", deren Urheber der Bildhauer H. St. Lerche
in Paris ist. Ls gilt ja als zeitgemäß heute, daß die
Künstler ihre kunstgewerbliche Nebenbeschäftigung haben.
Die Einen malen Fächer, die Anderen blasen Gläser oder
drehen Thongefäße. Die Kritik verhält sich demgegenüber,
selbst bei effektiven Nichtigkeiten nicht etwa zurückhaltend,
fondern vergeht meist vor Enthusiasmus- Es soll nun nicht ge-
leugnet werden, daß mehrere der hier ausgestellten Vasen,
Schalen rc. von St. Lerche, so gesucht primitiv und plump
auch die Gesammtform ist, durch ihre raffinirt zarten
schmückenden Reliefs und farbig getönten Glasuren einen
bedingten künstlerischen Reiz besitzen. R. K.
4- *
*
Bei Gurlitt ist die November-Ausstellung eröffnet
worden. Dieses Mal steht ein großer verstorbener mit
einer Anzahl, dem Gedächniß der Lebenden theilweise schon
entrückter Malereien im Mittelpunkt der Sammlung:
Anselm Feuerbach, jener seltsam ungestüme Geist, dessen
Werke klassischen Formensinn und romantifche Empfindungen
verrathen. Auch hat es ihm öfters gefallen, sich an große
Vorbilder anzulehnen, zumal an die reifen Koloristen
Venedigs, wiewohl er niemals Nachahmer war. Dem
trivialen Marktgeschmack hat sich die vornehme Natur
dieses Künstlers niemals genähert. Da konnte ihm aller-
dings ein Vorwurf wie eine „Nana" nicht gelingen.
Daß er ihn wählte erscheint befremdlich, und was er aus ihm
machte ist lediglich die fleißig gemalte Aktstudie eines
hemdärmeligen Bürgermädchens vor dem Toilettenspiegel.
Sein urdeutsches Empfinden vermochte gar nicht das Wesen
der Zola'schen „Heldin" zu erfassen. Interessant ist die
Skizze zur Versuchung des Hl. Antonius. Möglicherweise
ist's die zu dem späteren Gemälde, das der Künstler, miß-
muthig über seine Zurückweisung, selbst zerstört hat. Hier
schon früher zu sehen gewesen ist die „Gartenszene" —
Frauengestalten in einer idealen Landschaft, schon ganz in
dem kalten grauen Kolorit seiner letzten Schaffensperiode
gehalten. Leuchtend sticht von diesem die Skizze zu einen:
Gemälde „Hamlet und Gphelia" (die Theaterszene) ab.
Allerdings stammt sie aus den fünfziger Jahren, wo er
eben aus Paris zurückgekehrt war und unter dem Einfluß
Delacroix' und Eoutures gestanden hatte.
Zum ersten Male begegnete ich auf dieser Ausstellung
Arbeiten der Gattin Hans Thoma's. Auch die sind meist
ältere Blumenstücke und Stilleben; sie muthen wenigstens
„altmeisterlich" an. Eella Thoma zeigt natürlich eine
Wesensverwandschaft mit ihrem Gatten. Gewinnende
Schlichtheit und feinfühliges Sichversenken in den Gegen-
stand zeichnen ihre Blumenstücke wohl aus; aber es sind nur
nicht die zarten vergänglichen Kinder Floras, die sie malt.
Die blumigen Formen wirken zum Theil wenigstens zu
kompakt, leblos, so etwa wie Thierstücke, die nach ausge-
stopften Kühen und Schafen gemalt sind.
In demselben Raum ist auch ein neues Stück von Lud-
wig v. Hofmann zu sehen. Eine lichtschimmernde,
farbig prunkende ideale Badeszene von sorgfältiger Aus-
führung, und in einem kolorirten figuren- und ornament-
reichen geschnitzten Holzrahmen von großem Reiz. Kolo-
ristisch und figürlich stimmt alles schön zusammen und die
blühende Phantasie des Künstlers hat in Formen und
Farhen hier förmlich geschwelgt. Das schöne Gemälde ist
bereits im Privatbesitz. Um so erfreulicher, daß es trotz-
dem zur Ausstellung gelangen konnte. il.
*
 
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