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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 6
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Galland, Georg: Berlin: Erst eine Kunsthalle
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Zimmern, Helen: Domenico Trentacoste
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0101

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Nr. 6

Die Aun st-Halle

83

man wird diesen Stolz um so erklärlicher finden,
wenn ohne Herabsetzung anderer Verdienste hinzuzu-
fügen ist, daß es nicht mehr die Musiker und auch
nicht die Dichter sind, die in der künstlerisch-poetischen
Produktion der Gegenwart den Vortritt haben, son-
dern die Künstler, zumal die Maler, in deren Bereich
sich die Ideale der Völker wieder am liebsten flüchten.
Die Reichshauptstadt Berlin, deren Etat
sich jährlich die Ausgaben von Millionen gestatten
darf, stellt wohl der Architektur manch lohnende Auf-
gabe und genügt auch neuerdings den bescheidensten
Ansprüchen der monumentalen und dekorativen Bildnerei
in dankenswerther Weise. Indeß die Malerei allein
geht von Jahr zu Jahr bei allen öffentlichen Auf-
trägen der Stadt leer aus. Denn das einzige Por-
trät eines emeritirten Oberbürgermeisters oder Stadt-
verordnetenvorstehers, das in jedem Jahrzehnt für
einen glücklichen Künstler abfällt, beweist doch kaum
mehr Liebe für die Malerei als etwa die Annahme
geschenkter Bilder, die gelegentlich ein strebsamer
junger oder inaktiver Künstler dem dankbaren Magistrat
zur Zierde unbekannter Räume freigebig zuwendet.
Und solches Faktum erhält erst die rechte Beleuchtung,
wenn man erwägt, welche direkten und indirekten
Vortheile dem Stadtsäckel grade durch die Arbeiten
der Maler, durch den heute so gesteigerten Bilder-
handel und die großen Ausstellungen fortgesetzt zu-
fließen.
Bei dringenden und bedeutsamen Unternehmungen
auch künstlerischer Art — ich erinnere nur an den
Neubau des Künstlerhauses — hat andererseits die
städtische Beihilfe niemals ganz versagt. Und das
läßt erhoffen, daß man sich im „Rothen Hause"
über kurz oder lang einmal auch für die Idee einer
städtischen Kun st Halle erfolgverheißend erwärmen
werde. Für ein solches Institut wird anzuschaffen sein,
was nach dem Urtheil berufener Kunstrichter — nicht
einer aus Laien gebildeten städtischen Kunstkommission
— zum Besten der auf den jährlichen Kunstausstel-
lungen vorhandenen Werke gehört. Neben heimischen
Arbeiten in erster Linie würde das Ausland nur so
weit beim Ankauf zu berücksichtigen sein, als es zu-
mal für das Studium der jungen Generation ersprieß-
lich erscheint. Line Art Kartell müßte zwischen
Kunsthalle und Nationalgallerie bestehen, ein Verhält-
nis ähnlich wie in Paris zwischen den Sammlungen
des Luxembourg und des Louvre.
Damit soll angedeutet sein, daß der Staat sich
vielleicht zur Hälfte an den Kosten des neuen Unter-
nehmens betheiligen und dafür das Recht erwerben
würde, nach einem bestimmten Zeitraum, sagen wir
nach 25 Jahren über jedes gekaufte Gemälde oder
Bildwerk in der Weise frei zu verfügen, daß er es
entweder der Nationalgallerie oder bestimmten Samm-
lungen im Reiche ohne Weiteres einverleiben darf.
Die Kunsthalle wird somit eine Art Sieb für die
Nationalgallerie werden können, gewissermaßen eine

Tempelvorhalle, aus der nur das, was die Nach-
prüfung eines längeren Zeitraumes schon Überstand, was
als wahrhaftes Kunstwerk erkannt ist und zugleich
den Empfindungen der Nation nahesteht, ins Aller-
heiligste eingelassen wird. So dürfte es auch fortan
ausgeschlossen sein, daß Bilder in jene Gallerte ge-
langen, die solche Auszeichnung nur dem ephemeren
Modegeschmack verdanken. Grund für Viele, die mit
den jetzigen Zuständen des Staatsinstituts nicht ein-
verstanden sind, ihre volle Sympathie dem vorge-
schlagenen Unternehmen von vornherein zu schenken.
Dessen Verwirklichung würde endlich auch einem
andern längst gehegten Wunsche großer Kunstkreise
förderlich sein, der nur durch das Entgegenkommen
der Künstler in Erfüllung gehen kann. Sie selbst
mögen — wenn ihnen Stadt und Staat durch Grün-
dung einer modernen Kunsthalle ein uob>Is886 Odiles
vorhält — das Gesetz empfehlen und unterstützen,
daß jedes öffentlich ausgestellte Werk zunächst dem
Staate bezw. der Hauptstadt zur Verfügung stehe und
erst nach einem festgesetzten kürzeren Zeitraum ander-
weitig verkauft werden dürfe . . .
Wenn der Herr Verfasser jener zu Anfang zitirten
Schrift den Einfluß seines Wortes zu Gunsten der
hier vorgetragenen Angelegenheit, die uns weit
dringender erscheint als neue Theatergründuugen,
verwenden will, werden wir uns gern des Einver-
ständnisses mit ihm rühmen. G. G.


Domenico Trentacoste-
Von Helen Zimmern, Florenz.
M^n der nördlichen Peripherie von Florenz,
dort, wo eine Anzahl Ateliers die Bezeich-
nung »Via äe^li ^rtisti« führt, wohnt seit
etwa drei Jahren einer der tüchtigsten Bildhauer des
heutigen Italiens. Merkwürdig ist es, daß man
diesen Künstler, der in England und Frankreich längst
die ihm gebührende Anerkennung fand, in seinem
Vaterlande noch wenig kennt, wie er denn auch hier
bis vor Kurzem nichts ausgestellt hat. In Dome-
nico Trentacoste's Atelier einzudringen, ist nicht
leicht, denn der Mann ist menschenscheu, eiu Mi-
santhrop. Aber dennoch ist es mir zweimal vergönnt
gewesen, die Schwelle zu überschreiten, die argwöhnisch
bewacht wird von einem schwarzen Pudel, Nero ge-
nannt, der nur auf Französisch hört. Das Ganze
besteht aus mehreren großen Räumen, an deren
Wänden vorzügliche Photographien von Werken
Michelangelo's und auserlesene Gemälde hängen,
darunter eines von Millet, zwei von dem jüngeren
Fortuny — und außerdem eine große Sammlung
farbiger französischer Plakate, von sämmtlichen
Zimmern kann man in einen kleinen verwilderten
 
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