Die A u n st - k) a l l e
Nr. 8
H8
besonders dankbar sein wird, diese Sache grade jetzt ein-
gefödclt und eingebracht zu haben, da der Verein durch
Schaffung seines eigenen Heims hohes Ansehen gewonnen
hat. Mögen die besonnenen Elemente dieser „Sezession"
sich nicht kurzsichtig weiterreißen lassen und erst erwägen,
wein eigentlich ihre Betheiligung Nutzen bringen soll! —
Isunztgewerbiicbe Leit- una
Streitfragen?)
Ein Leser und feinsinniger Kunstsammler, Prof. Dr.
Gottschau, Eharlottenburg, schreibt uus:
„prüft man das Interesse, welches vom Publikum dein
neuerdings so kräftig aufstrebenden und von dem Echo der
Fach- und Tagespresse lebhaft begleiteten modernen Kunst-
handwerk eutgegcngebracht wird, näher, so kommt man
zu der Ueberzeugung, daß jenes — trotz aller Beschönigung
der Thatsachen — fast ausschließlich den: Luxus und den
Einrichtungen der Reichen dient. Die Glücklichen der
oberen Zehntausend werden durch „echtes Empire"
oder modern englische Formen zufriedengestellt. Ja,
wer cs sich leisten kann, verfügt sogar bereits über
Salons nach allerneueftem Geschmack, in dem z. B.
der Belgier van de Velde als tonangebend gilt. Der
Stempel wird nach wie vor dem Ganzen durch den Deko-
rateur aufgedrückt, der dem verlangen seiner kunslfreudigen
Kunden, entsprechend der Zahl der ausgcworfenen Doppel-
kronen, sich dienstbeflissen zeigt. So findet man z. B. in
Berlin, ich möchte sagen, nach der Steuerquote der Be-
treffenden in der Regel ungefähr dieselben Zimmer, d. h.
dieselben Arrangements von Möbeln und Stoffdrapirungcn,
und ein geübtes Auge erräth namentlich bei luxuriöseren
Einrichtungen, welchem Geschäft die betreffende Schablone
entnommen ist. Derartige Beobachtungen sind unzwei-
deutige Zeichen, daß Kunstsinn und Interesse für künstle-
risch geschmackvolle Einrichtung nur zu oft dem wechseln-
den Schönheitsbegriff des jeweilig Modernen sich völlig
unterordnen, daß dein kaufenden Publikum im Allgemeinen
ein eigenes Urtheil, ein zwcckbewußtcs, von künstlerischen
Intentionen geleitetes Anschaffen leider noch immer
mangelt.
Bedauerlich scheint mir ferner, daß auf die kurze
Zeit, da bei uusern Möbelschreinern die Parole „Deutsch-
renaissance" galt, eine so heftige Reaktion folgte. Auch
was man auf retrospektiven Ausstellungen, z. B. auf einer
Renaissance-Ausstellung iin Berliner Akademiegebäude un-
längst zu sehen bekam, war vielmehr lediglich die italie-
nische Renaissance, neben der allenfalls noch gelegentlich
die Arbeiten der alten französischen, flandrischen und frie-
sischen Kunstschreiner beachtet werden. Die speciell deutsche
und im Besonderen die fränkische Renaissance, mit ihren
warnten farbenfreudigen und durch die Farbe so ab-
wechselungsreichen Gebilden hat, wie es scheint, für viele
nur ein kulturhistorisches Interesse, und dennoch verdient
gerade sie in der Sturin- und Drangperiode des Kunst-
handwerks bei uns nicht das Schicksal solcher Vernach-
lässigung. Komme doch Niemand mit dem Einwand, die
Buntholz- und Intarsien-Schränke kämen im Preise zu
hoch oder wären für unsere Zeit zu bunt und wirkten un-
ruhig, denn höher wie die mit Bildhauerarbeit oft über-
ladenen schokoladefarbig glänzenden Renaisfancestücke der
jetzigen Mode kommen sie sicher nicht, und wirken sie bunt
und unruhig, so hat sie eben keine kunstverständige Hand
zusammengesügt. Es gehört ja ins Reich der Fabel, wenn
behauptet wird, die Schönheit der Farben alter Nürnberger
Möbel werde durch die inehrhundertjährige Patina bedingt,
welche die Farbe mehr in Einklang gebracht habe. Diese
Harmonie der Farben ist unseren Altvordern mindestens
gleichwerthig gewesen mit der Harmonie der Formen und
Beides haben sie in bis jetzt noch kaum geahnter Weise
beherrscht und zur Geltung gebracht. Wenigstens bei uns
im Norden hat inan kein verständniß dafür oder steht der
Sache als einer irrelevanten gleichgiltig gegenüber, aber doch
jedenfalls zum Schaden derselben. In Mittel- und zum
Theil auch in Süddeutschland ist dieser Sinn stellenweis
noch erhalten geblieben, und mit ihin auch noch die Freude
an bunten Holzarbeiten, wem: dieselben auch nur in
Eopieen der schönen alten Originale sich dokumentiren.
So unglaublich es klingt, behauptet Verfasser nach viel-
jähriger Erfahrung, daß in den kleinen Städten und selbst
Dörfern zwischen Nürnberg, Rothenburg o/T. und Würz-
burg, der einfachste Schreiner mehr Verständniß für Aus-
bessern, Ergänzen und Beizen sog. fränkischer Möbel hat,
wie die Mehrzahl der in ihrem Fach sonst zweifellos ge-
schickteren und geschulteren Handwerker Berlins. Ja, ich
gehe soweit, zu behaupten, daß ein geübtes Auge iu vielen
unserer nordischen Museen die Stücke fränkischer Renaissance
herausfindet, welche von süddeutschem und solche, welche
von norddeutschem Meister reparirt sind. Bei letzteren
lassen unter Anderem die bei der Reparatur verblichenen
Farben keine Freude am ganzen Stück aufkommen. Der
Schreiner glaubte sehr korrekt gehandelt zu haben, wenn
er in ähnlicher Weise, wie der Eonservator eines alten
verblichenen Gemäldes, sorgfältig die auf dem Möbel haf-
tende Kruste häufig von Gelfarbe, meist von Firniß,
wachs und Schmutz mit Kalilauge oder Seifenstein ab-
wusch, die glatten Flächen abzog, das etwa Fehlende sorg-
fältig ergänzte und in möglichst übereinstimmende Farbe
mit den abgewaschenen Hölzern brachte. An ein Auf-
frischen der alten gebeizten Flächen denkt er nicht und kann
auch nicht daran denken, denn er hat keine Ahnung, wie
die verschiedenen Hölzer behandelt resp. gebeizt werden
müssen. Er beendet seine Eonservirungsthätigkeit damit,
daß er Alles sorgfältig mit dem allbekannten Universal-
„Mattlack" überzieht. Das so renovirte Kunstwerk ist aber
nur das vollkommen verblaßte Ebenbild des von seinem
Schöpfer ursprünglich erdachten und erbauten farben-
freudigen Gebildes, und fahle Farben und ein kalter grauer
Hauch, der in Folge der Kalilauge das Ganze überzieht,
lassen den Uneingeweihten interesselos daran vorbeigehen,
höchstens daß ihn noch die herrliche Plastik und der ganze
architektonische Aufbau zu kurzer Bewunderung festhält.
Betrachten wir dagegen beispielsweise die im Nürnberger
Gewerbemuseum aufgestellten herrlichen Möbel des 16. und
1?. Jahrhunderts, so leuchtet uns aus ihnen ein Geist des
Verständnisses für Harmonie der Farben und Formen ent-
gegen, den sich auch unsere nordischen Meister zu eigen machen
sollten, bevor sie aus eigener Kraft Neues, noch nie Da-
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besonders dankbar sein wird, diese Sache grade jetzt ein-
gefödclt und eingebracht zu haben, da der Verein durch
Schaffung seines eigenen Heims hohes Ansehen gewonnen
hat. Mögen die besonnenen Elemente dieser „Sezession"
sich nicht kurzsichtig weiterreißen lassen und erst erwägen,
wein eigentlich ihre Betheiligung Nutzen bringen soll! —
Isunztgewerbiicbe Leit- una
Streitfragen?)
Ein Leser und feinsinniger Kunstsammler, Prof. Dr.
Gottschau, Eharlottenburg, schreibt uus:
„prüft man das Interesse, welches vom Publikum dein
neuerdings so kräftig aufstrebenden und von dem Echo der
Fach- und Tagespresse lebhaft begleiteten modernen Kunst-
handwerk eutgegcngebracht wird, näher, so kommt man
zu der Ueberzeugung, daß jenes — trotz aller Beschönigung
der Thatsachen — fast ausschließlich den: Luxus und den
Einrichtungen der Reichen dient. Die Glücklichen der
oberen Zehntausend werden durch „echtes Empire"
oder modern englische Formen zufriedengestellt. Ja,
wer cs sich leisten kann, verfügt sogar bereits über
Salons nach allerneueftem Geschmack, in dem z. B.
der Belgier van de Velde als tonangebend gilt. Der
Stempel wird nach wie vor dem Ganzen durch den Deko-
rateur aufgedrückt, der dem verlangen seiner kunslfreudigen
Kunden, entsprechend der Zahl der ausgcworfenen Doppel-
kronen, sich dienstbeflissen zeigt. So findet man z. B. in
Berlin, ich möchte sagen, nach der Steuerquote der Be-
treffenden in der Regel ungefähr dieselben Zimmer, d. h.
dieselben Arrangements von Möbeln und Stoffdrapirungcn,
und ein geübtes Auge erräth namentlich bei luxuriöseren
Einrichtungen, welchem Geschäft die betreffende Schablone
entnommen ist. Derartige Beobachtungen sind unzwei-
deutige Zeichen, daß Kunstsinn und Interesse für künstle-
risch geschmackvolle Einrichtung nur zu oft dem wechseln-
den Schönheitsbegriff des jeweilig Modernen sich völlig
unterordnen, daß dein kaufenden Publikum im Allgemeinen
ein eigenes Urtheil, ein zwcckbewußtcs, von künstlerischen
Intentionen geleitetes Anschaffen leider noch immer
mangelt.
Bedauerlich scheint mir ferner, daß auf die kurze
Zeit, da bei uusern Möbelschreinern die Parole „Deutsch-
renaissance" galt, eine so heftige Reaktion folgte. Auch
was man auf retrospektiven Ausstellungen, z. B. auf einer
Renaissance-Ausstellung iin Berliner Akademiegebäude un-
längst zu sehen bekam, war vielmehr lediglich die italie-
nische Renaissance, neben der allenfalls noch gelegentlich
die Arbeiten der alten französischen, flandrischen und frie-
sischen Kunstschreiner beachtet werden. Die speciell deutsche
und im Besonderen die fränkische Renaissance, mit ihren
warnten farbenfreudigen und durch die Farbe so ab-
wechselungsreichen Gebilden hat, wie es scheint, für viele
nur ein kulturhistorisches Interesse, und dennoch verdient
gerade sie in der Sturin- und Drangperiode des Kunst-
handwerks bei uns nicht das Schicksal solcher Vernach-
lässigung. Komme doch Niemand mit dem Einwand, die
Buntholz- und Intarsien-Schränke kämen im Preise zu
hoch oder wären für unsere Zeit zu bunt und wirkten un-
ruhig, denn höher wie die mit Bildhauerarbeit oft über-
ladenen schokoladefarbig glänzenden Renaisfancestücke der
jetzigen Mode kommen sie sicher nicht, und wirken sie bunt
und unruhig, so hat sie eben keine kunstverständige Hand
zusammengesügt. Es gehört ja ins Reich der Fabel, wenn
behauptet wird, die Schönheit der Farben alter Nürnberger
Möbel werde durch die inehrhundertjährige Patina bedingt,
welche die Farbe mehr in Einklang gebracht habe. Diese
Harmonie der Farben ist unseren Altvordern mindestens
gleichwerthig gewesen mit der Harmonie der Formen und
Beides haben sie in bis jetzt noch kaum geahnter Weise
beherrscht und zur Geltung gebracht. Wenigstens bei uns
im Norden hat inan kein verständniß dafür oder steht der
Sache als einer irrelevanten gleichgiltig gegenüber, aber doch
jedenfalls zum Schaden derselben. In Mittel- und zum
Theil auch in Süddeutschland ist dieser Sinn stellenweis
noch erhalten geblieben, und mit ihin auch noch die Freude
an bunten Holzarbeiten, wem: dieselben auch nur in
Eopieen der schönen alten Originale sich dokumentiren.
So unglaublich es klingt, behauptet Verfasser nach viel-
jähriger Erfahrung, daß in den kleinen Städten und selbst
Dörfern zwischen Nürnberg, Rothenburg o/T. und Würz-
burg, der einfachste Schreiner mehr Verständniß für Aus-
bessern, Ergänzen und Beizen sog. fränkischer Möbel hat,
wie die Mehrzahl der in ihrem Fach sonst zweifellos ge-
schickteren und geschulteren Handwerker Berlins. Ja, ich
gehe soweit, zu behaupten, daß ein geübtes Auge iu vielen
unserer nordischen Museen die Stücke fränkischer Renaissance
herausfindet, welche von süddeutschem und solche, welche
von norddeutschem Meister reparirt sind. Bei letzteren
lassen unter Anderem die bei der Reparatur verblichenen
Farben keine Freude am ganzen Stück aufkommen. Der
Schreiner glaubte sehr korrekt gehandelt zu haben, wenn
er in ähnlicher Weise, wie der Eonservator eines alten
verblichenen Gemäldes, sorgfältig die auf dem Möbel haf-
tende Kruste häufig von Gelfarbe, meist von Firniß,
wachs und Schmutz mit Kalilauge oder Seifenstein ab-
wusch, die glatten Flächen abzog, das etwa Fehlende sorg-
fältig ergänzte und in möglichst übereinstimmende Farbe
mit den abgewaschenen Hölzern brachte. An ein Auf-
frischen der alten gebeizten Flächen denkt er nicht und kann
auch nicht daran denken, denn er hat keine Ahnung, wie
die verschiedenen Hölzer behandelt resp. gebeizt werden
müssen. Er beendet seine Eonservirungsthätigkeit damit,
daß er Alles sorgfältig mit dem allbekannten Universal-
„Mattlack" überzieht. Das so renovirte Kunstwerk ist aber
nur das vollkommen verblaßte Ebenbild des von seinem
Schöpfer ursprünglich erdachten und erbauten farben-
freudigen Gebildes, und fahle Farben und ein kalter grauer
Hauch, der in Folge der Kalilauge das Ganze überzieht,
lassen den Uneingeweihten interesselos daran vorbeigehen,
höchstens daß ihn noch die herrliche Plastik und der ganze
architektonische Aufbau zu kurzer Bewunderung festhält.
Betrachten wir dagegen beispielsweise die im Nürnberger
Gewerbemuseum aufgestellten herrlichen Möbel des 16. und
1?. Jahrhunderts, so leuchtet uns aus ihnen ein Geist des
Verständnisses für Harmonie der Farben und Formen ent-
gegen, den sich auch unsere nordischen Meister zu eigen machen
sollten, bevor sie aus eigener Kraft Neues, noch nie Da-