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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 6
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Miszstände bei Konkurrenzen
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Berlin: Kunstschau
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88

Die Aunst-Halle

Nr. 6

Konkurrenzen betheiligen, indem sie bereits verwertete
Modelle oder entliehene Entwürfe in irgend einer weise
anbieten, natürlich zu entsprechend niedrigen Preisen, da
ihnen ja die Herstellung des Modells nichts kostet; auch
schädigt dies die würde der Sache, die Kunst und die
Künstler.
Es ist das Publikum nicht genug daraus ausmerksam
zu machen, daß es sich zur Erlangung von Monumental-
arbeiten an die Künstler wendet und nicht an die
Gießereien. Zur Herstellung des Modells gehört ein Künftler-
Die Gießerei ist aber nur imstande, aus rein technische
weise nach diesem Modell ihren Bronzeguß zu schaffen.
Der Umstand, daß der Name der Gießerei nur zu ost an
prägnanterer Stelle am Bronzeguß angebracht ist, als der
des Autors, ist immer zu geeignet, falsche Vorstellungen
über die Urheberschaft eines Kunstwerkes zu erwecken.
Line kaiserliche Kabinetsorder stellt bestimmte Aussicht,
daß solchen, von Gießereien angebotenen Verviel-
fältigungen rc., von nun an die Allerhöchste Genehmigung
versagt wird.
^ui)skscl)3u.
enbach in Berlin — das ist das künstlerische Haupt-
ereigniß dieser Tage. Man braucht wahrlich nicht den
Kultus der Persönlichkeit zu treiben, wenn man das
schöpferische Können dieses begnadeten Meisters überhaupt
als die (Quintessenz der zeitgenössischen Bildnißdarstellung
bezeichnet. Der Salon Schulte, dem wir diese Kollektiv-
ausstellung von mehr als 40 Gemälden Lenbach's ver-
danken, hat sich hierdurch neuerdings ein wirkliches Verdienst
um das Kunstleben der Hauptstadt erworben. Die
Sammlung will übrigens nicht die Entwicklung des Künstlers
in einer Reihe historisch bedeutsamer Schöpfungen veran-
schaulichen. Sie giebt vielmehr nur einen Begriff seines
jüngsten Schaffens, dessen Fruchtbarkeit in der That in
Erstaunen setzt. Außerdem verhilft sie von Neuem zur
Lrkenntniß: welche achtungsvolle Höhe ein Bildnißmaler
zu erklimmen vermag, der sich so wie Lenbach in die Kunst
der Alten hineinzuleben wußte. Aber „Hineinleben" heißt
nicht Nachahmung und wenn Lenbach die Tizian, van Dyck,
Rembrandt, Velasquez, studirt hat, so hat er das Weser:
ihrer Kunst in der Wurzel erfaßt.
Um sich von der Sicherheit seiner Technik überzeugen
zu lassen, genügte schon eigentlich eine Betrachtung von
bloß zwei der Bilder und zwar gerade zwei unvollendeten.
Ich meine den angefangenen Bismarckkopf und den des
General-Musikdirektors Levy; jener ganz im Profil, dieser
in Dreiviertelwendung. Gbzwar nur eine ganz leicht
getönte Zeichnung, ist der KopfBismarck's schon von sprechender
Aehnlichkeit, ja, macht er gar einen plastischen Eindruck. Und
ebenso der andere Kopf, geistreich hingeworfen mit wenigen
Strichen und Farbenfieckchen, und doch von frappanter Lebendig-
keit. Zur Technik seiner Farbenbehandlung und Zeichnung, die
beide zusammen seine Vortragsweise so markig und seine
Modellirung so kräftig machen, kommt noch etwas hinzu,
was sich nicht erlernen läßt — das Geniale seiner psycho-
logischen Menschenergründung, der Scharfblick für das see-
lisch und geistig charakteristische in Haltung und Physiognomie
des porträtirten. Darum auch gewinnen seine Bildnisse
fast immer desto mehr, je länger man sie betrachtet.
Darum ferner auch ist Lenbach nicht ausschließlich der
Maler des Mannes oder der Frau oder des Kindes, dieses
oder jenes Standes, wie wir das bei vielen in- oder aus-
ländischen Bildnißmalern von heute sehen. Er ist der Maler
der Menschen seiner Zeit schlechtweg. Seine Bilder werden
daher nicht bloß kunstgeschichtliche, sondern auch kultur-
geschichtliche Dokumente bleiben. Daß ihm dabei nicht

Alles gleich gut glückt, was thuts. wer das nervöse
Temperament Lenbach's kennt, wie er es jetzt auch hier
wieder in zwei Selbstporträts so überzeugend festgehalten
hat, dem erscheint das ganz natürlich und — es bleibt des
Gelungenen wahrlich genug übrig. Wohl entstammen die
Persönlichkeiten, die er malt, überwiegend den Kreisen der
Upperten, der geistigen und gesellschaftlichen Elite; aber
jeder und jede Einzelne, von den Höhen des Throns bis
in das Arbeitszimmer des Gelehrten, den Traumwinkel des
Poeten, das Boudoir der Weltdame, die Kinderstube
hinein, sind rein menschlich erfaßt und ein „üoruo 8um, niliil
lrumani s, ms Ltisnum puto" steht über jedem Bilde.
Mb sie auch immer äußerlich sprechend ähnlich sind — das
ist eine andere Frage; allzu ängstlich ist Lenbach darin
bekanntlich nickt. Ihm „genügt" grade die geistige
Aehnlichkeit. Malt er Diesen oder Jene, so malt er sie
immer mit ihrem Milieu. Gder wir lesen's, wir
empfinden's aus der Persönlichkeit selbst heraus, denn die
allegorislrende und die naturalistische Aceessoiremalerei, die
kommentirende und illustrirende, hat er nie gemocht,
vergegenwärtigen uns alle jene schönen lebensfrohen und
genußkundigen Frauen, bald in Salontoilette, bald in
phantastischem Kostüm gar, wie die rothhaarige welt-
vertraute Frau Lily Merk, die schelmisch lächelnde Baronin
Franchetti, die gluthäugige Baronin wimpffen, die das
Leben anlachende Frau Hahn-Sobernheim, die verführerisch
schöne Frau Toberentz, Frau Borgnis u. A. nicht gleich
ein ganzes soziales Milieu? Lin Milieu des Luxus und der
Lust, eine Welt in der man sich nicht langweilt. Von seiner
„voluptas" legt er fast in jedes Damenporträt etwas
hinein, wohl weil ein Etwas von ihr in der Lebens-
sphäre jeder der schönen Frauen liegt, die er malte. Und
doch weiß er auch anderen Lebenselementen gerecht zu
werden. Man sehe sich nur das Bildniß der staatsklugen,
herrschgewohnten Prinzessin Elementine von Sachsen-Koburg
an, oder das wie ein Hohelied des Schmerzes ergreifende
Porträt der Frau Geheimrath H. Linen Beweis der
Farbenfreudigkeit, der er in letzter Zeit mehr Raum giebt,
liefert er — nebenbei bemerkt — namentlich im Porträt
der Prinzessin Elvira von Bayern. Wie da der rothe
Sammet zum grauen Pelzwerk und grünlichen Ton der
Tiill-Aermel, zu den Fleischtönen, den leuchtenden und Hell-
dunkeln des Antlitzes und des Nackens steht, das ist ein
unbeschreiblicher koloristischer Reiz. Und dann die Männer-
bildnisse, das durchgeistigte aristokratische Antlitz des Fürsten
Hohenlohe, der 8eIkmuäemLN-Kopf des Mannes der That
R. Mosse oder jener andere wildhaarige Graukopf des
Poeten und Stürmers Lingg — soviel Bilder, soviel
Typen und doch auch wieder Individuen. Endlich die
Kinderbildnisse. Freilich nur die der eigenen Töchter, die
er bis in die kleinste Herzensfalte hinein kennt. Aber jetzt
kennen auch wir sie, die goldblonde, rassevolle Marion, die
die Katzen so liebt, und die kastanienbraune Erika, die so
ernsthaft blickt, wie eine velasquez'sche oder van Dyck'sche
Prinzessin ....
Verläßt man den Kunstsalon, so ist Einem Lenbach
wieder einmal mit seiner ganzen künstlerischen Persönlichkeit
besonders nahe gerückt. Ls ist fast so, als wäre man mit
ihm selbst zusammen gewesen. I. Norden.
Bruno und Paul Lassirer sowohl, wie Keller
und Reiner bieten neue Kollektiv-Ausstellungen. Die
Ersteren neben I. F. Raffaelli und Felicien Roxs, James
Paterson, Glasgow, die Letzteren Ludwig von Hof-
mann — zwei Künstler, die es meisterlich verstehen, dem
Schauer eine bestimmte Stimmung zu suggeriren, ihn
zwingen, vor einem Ausschnitt aus der Natur oder aus
ihrer' Phantasie dasselbe zu empfinden, was sie empfunden
haben. Dies Grundphänomen ihres Schaffens haben sie
gemeinsam — sonst sind es zwei völlig entgegengesetzte
Naturen. Paterson hat etwas Insichgekehrtes, wie
stille Trauer liegt es auf seinen Bildern. In matten,
müden Farben giebt er eine warm und poetisch empfundene
Landschaft, eigenartig geschaut mit größtem Scharfblick für
die subtilste Feinheit, äußerliche und innerliche Feinheit
in einer Technik, die aus der Lmxfindungsweise des
Werkes heraus entstanden. Es ist eine aus dem Innern
 
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