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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 19
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Gensel, Otto Walther: Die Pariser Salons
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Brosch, L.: Venedig: III. Internat. Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0337

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Nr. f9

Die Nun st-Halle

293

Bei den Gläsern, poterien, Zinnskulpturen und
Bucheinbänden ist schon seit einiger Zeit ein gewisser
Stillstand eingetreten. Tiffany und Koepping,
Dalpayrat, Delaherche und Bigot, Baffier (schönes
Trinkservioe in Zinn), Frau vallgren und Prouvs
haben sehr gute Sachen ausgestellt, die aber nichts
Neues bieten. Einige eigenartige und gelungene
Werke finden sich unter den poterien des Norwegers
St. Lerche. Die geschmackvollen, vielleicht ein wenig
raffinirten mit Edelsteinen geschmückten Lederarbeiten
von Benediktus sind mir dies Jahr zum ersten Male
ausgefallen. Endlich sei auf die Ehrendegen für den
General Dodds und den Major Marchand von
Marquet de Vasselot hingewiesen. Unter den Möbeln
erscheint mir die Eßzimmereinrichtung in Eichenholz
von plumet und Selmersheim am besten gelungen.
Die Möbel sind sehr freundlich, geschmackvoll in der
Linienführung und dabei durchaus solid. Das Eß-
zimmer des Belgiers Serrurier macht als Ganzes
einen nicht ungünstigen Eindruck, im Einzelnen ist
vieles gesucht und gequält. Sauvage hat ebenso
praktische wie elegante Möbel für einen Geigenspieler
(Notenpult, Notenschrank, Stühle) konstruirt.
Für die Zeichnungen und Nadirungen
kommt die Ausstellung der Sooiete nationale in erster
Linie in Betracht. Mährend bei den Artistes fran^ais
auch auf diesen Gebieten nur ein oder zwei Merke
zugelassen werden, kann man hier einige Künstler
wirklich kennen lernen. Mährend dort die Ueber-
setzungen fremder Merke bei weitem überwiegen -—
insbesondere nehmen die Reproduktionen der Merke
des Salons vom Vorjahre stets einen großen Raum
in Anspruch —, begegnen wir hier fast ausschließlich
Griginalradirungen und Originallithographien. Die
große Sammlung niedlicher Pastelle und Miniaturen,
die den Nebensälen der Artistes franeais stets etwas
den Anstrich einer Amateurausstellung geben, ist keines-
wegs dazu angethan, uns dafür zu entschädigen. Be-
ginnen wir mit dem Landschafter Tazin, dessen Hand-
zeichnungen ein ganzer Saal eingeräumt worden ist.
Ich gehöre nicht zu seinen heißesten Bewunderern.
Er ist mir nicht männlich genug in seiner Darstellung
der Natur, seine Motive gleichen sich gar zu sehr
und vor Allem giebt er fast allen seinen Bildern
denselben bräunlichgelben Grundton. Man tritt
deshalb an seine Bilder nut einer gewissen Gleich-
gültigkeit heran, die man den Merken der ganz
großen Landschafter, Nuysdael und Hobbema, Con-
stable und Corot gegenüber nie fühlen würde. Mn
so freudiger ist die Ueberraschung vor diesen Zeich-
nungen, die einen durchaus gesunden und ernsten
Künstler verraten. Insbesondere befinden sich dar-
unter ein paar Sepialandschaften, ganz einfache
Motive, weite Felder mit Strohfeimen oder ver-
einzelten Hütten, die in ihrer großartigen Schlichtheit
fasi an Millet erinnern. Auch die figürlichen Zeich-
nungen erregen lebhaftes Interesse. Von diabolischer
Sinnlichkeit erfüllt sind die Radierungen und Zeich-
nungen von Louis Legrand; ich wüßte keinen Künstler,
der die üppige, perverse tewum ä« treute ans so dar-
zustellen vermöchte wie er in seinen Amants. Seine
Tänzerinnen können sich getrost neben denen von
Degas sehen lassen. Milcendeau, von dessen kräftigen,
mit Aquarellfarben leicht gehöhten Bauern und
Bäuerinnen der Bretagne im vorigen Jahre einige
für den Luxembourg erworben worden sind, zeigt sich
in rüstigem Fortschreiten begriffen. Delachaux und
Guiguet sind wieder sehr gut vertreten, ersterer mit
einigen Frauengestalten in schwarzer Kreide und einem

trefflichen Interieur, letzterer insbesondere wieder nut
einer Anzahl seiner fein beobachteten lesenden, zeich-
nenden, strickenden, nähenden Mädchen- Lepere hat
seine Radirungen für den pavö von Nichepin und
die „Blessen und Märkte der Normandie", Raffaülli
eine Anzahl seiner farbigen Radierungen ausgestellt,
die kürzlich in Berlin so berechtigte Bewunderung
erregt haben. Aus Deutschland hat Koepping sein
mächtiges Blatt „Huldigung an einen Künstler" ge-
schickt. Der in Paris lebende junge Düsseldorfer
Alfred Sohn-Rethel ist mit ein paar reizenden Rötel-
zeichnungen von kleinen Kindern glücklich vertreten.
Von den Aquarellisten überragen Daniel Vierge
mit seinen gewaltigen spanischen Landschaften und
Prunier mit seinen Szenen aus Paris und der Um-
gegend von Paris bei weitem alle anderen. Beide
sind uns erst kürzlich durch Sonderausstellungen bei
Bing näher gebracht worden. . . .
Die riesige Maschinenhalle des Marsfeldes hat
sich auch dieses Jahr wieder als Kunst-Ausstellungs-
raum gut bewährt. Nächstes Jahr wird sie bei der
Meltausstellung ganz anderen Zwecken dienen, und
die beiden Kunstgenossenschaften werden sich noch
eimal ein interimistisches Heim suchen müssen — man
spricht von dein Schlachtviehhof in Grenelle, — ehe
sie von den neuen schönen Palästen der Champs Elysees
dauernd Besitz ergreifen.

^eneüig:
III. Internat, ^uimaumellung.
Von L. Brosch, Venedig.

ie moderne Kunst trägt noch immer das
Gepräge einer Sturm- und Drangperiode
' und das macht den Laien oft ungeduldig,
den Kenner in seinem Urtheil oft schwankend. Er
vermißt in ihr vor Allem jene Sicherheit, mit der
Konzeption und Darstellung bei den Alten einst innig
verbunden waren, sodaß der Beschauer sie als getrennt
sich gar nicht denken kann. Oft sieht er jetzt statt dessen
ein unsicheres Herumtappen: hier einen dickfetten
Pinselstrich, dort ein mit dem Spachtel aufgetragenes
Farbengemisch der Palette. Einige finden darin das
eigenartige Kennzeichen heutiger Nervosität, andere
die Vorboten neuer Richtungen, die ja von gewissen
Leuten neugierig, wie das Börsenkursblatt studirt
werden. Auch diese III. Internationale Ausstellung
bietet hierfür geeignetes Material. Rns kann der
reiche Inhalt der Ausstellung nur soweit interessiren,
als sich wirklich Bedeutendes in den Merken kundgiebt.
Die Italiener sind natürlich am zahlreichsten
vertreten; unter ihnen ragen zwei lebende Künstler
hervor: Michetti und Sartorio, wie auch der
verstorbene venezianische Genremaler Favretto. Auf
jüngere Kräfte haben die früheren internationalen
Ausstellungen hier anscheinend nicht günstig gewirkt,
denn manches der heimischen Gefühlsweise Fremde
wurde von ihnen nur äußerlich ausgenommen. Da-
neben macht sich in diesen Kreisen einkrankhaftesHaschen
nach Stimmungseffekten oder nach Phrasenkünstelei
bemerkbar. — Doch fangen wir einmal mit einem
ehrlich strebenden Meister an: Aristide Sartorio. Dieser
 
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