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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 1
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Zimmern, Helen: Giorgio Kienerk
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Grünewald: Das künstlerische Urheberrecht
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0015

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Nr. I

Die Kunst-Halle

7

Hauer vor drei fahren empfangen, dürfe dieselbe
nicht auch noch auf ein Gemälde erhalten.
Die Statue muthet im Lharakter, wie der Form
nach ganz wie ein klassisches Bildwerk an, und sie
hätte meines Erachtens nicht, wie sie den Preisrichtern
in Bologna vorgeführt worden, in Marmor aus-
geführt werden sollen, sondern in dem klassischen
Material der Bronze, wofür sie sich wegen ihrer
strengen, keuschen Linien vorzüglich eignen würde.
Das Werk ist „Die Viper" benannt, und es stellt
einen Knaben in gebückter Stellung dar, der, alle
seine Kraft auf die Bewegung der linken Hand kon-
zentrirt, eine im Grase an ihm vorüber kriechende Viper
erwürgt, wie er die Zähne scharf in die Unterlippe
preßt und alle Muskeln des schöngeformten jugendlichen
Körpers auf das Aeußerste gespannt sind, das deutet
auf die in höchster Aufregung und physischer Krast-
anstrengung gipfelnde Situation. Nicht minder ge-
schickt modellirt, doch mir weniger sympathisch, weil
konventioneller, ist eine nackte weibliche Figur, „Die
Eitelkeit" benannt, welche der Komponist Mascagni
vor einiger Zeit von Kiener? gekauft hat. Hinwiederum
nicht konventionell ist das in sinniger weise dem Zweck
entsprechende Grabmal, welches der Künstler kürz-
lich in Marmor für den Denkmäler-Friedhof in Bologna
ausgesührt hat. Es ist von einem reichen Kaufmann
für seine Familiengruft bestellt worden und mußte
daher den Lharakter eines Gesammt-Denkmals er-
halten. Diese schwierige Anfgabe hat nun der Künstler
vortrefflich erfüllt. Ein Kreuz von kolossaler Höhe
erhebt sich innerhalb eines Bogens, und den Zwischen-
raum nehmen in Bas-Relief ausgesührte allegorische
Darstellungen der verschiedenen Phasen des mensch-
lichen Lebens vom Kindes- bis zum Greisenalter ein.
Am Sockel des Monuments, das Antlitz mit halber
Wendung dem christlichen Symbol der Erlösung zu-
gekehrt, steht eine drapirte große weibliche Gestalt
„Die Ergebung" bedeutend, mit einer Rolle in der
Hand, worauf die Worte geschrieben sind: „Nsuwuto
Homo H,nig, kulvi8
wie mir der Künstler erzählte, ist ihm für dieses
Werk ein so lächerlich geringer Preis geboten worden,
daß, hätte er nicht das Ganze mit eigener Hand
herausgemeißelt, seine baaren Auslagen für Material
und Arbeitslohn nicht davon hätten bestritten werden
können. Hat es ihm auch keinen Gewinn gebracht,
so hofft er doch, daß es ihm Ruhm bringen wird,
und mit vollem Recht, meine ich. Zn Italien, wo
man aus schöne Grabmäler so viel Werth legt, wird
dieses hier Aussehen erregen und seinen: Schöpfer
sicher Bestellungen eintragen.
Als Künstler ist Kienerk fast »Zelt macke« zu
nennen. Er hat nie an einer Akademie studirt und
kaum einen Lehrer gehabt. Mit dreizehn Jahren,
als sich seine künstlerischen Anlagen zuerst offenbarten,
erhielt er Unterricht bei jenem starke:: und revolutio-
nären Genie Adriano Eecioni, der als intimer Freund

im Kienerk'schen Hause verkehrte, wo auch sein plötz-
licher Tod eintrat, als er der Familie einen Abend-
besuch machte. Aus dieses Lehrers Einfluß ist jeden-
falls Kienerk's Unabhängigkeitssinn, sein Widerwille
gegen das Herkömmliche, zurückzusühren, obgleich er
ein sehr träger Schüler war, so daß Lecioni, der ihn
zwar nie schalt oder antrieb, ihm eimge Mal erklärte,
falls er sich nicht mehr Mühe geben würde, seinem
Vater sagen zu wollen, derselbe möge ihn in ein Ge-
schäft bringen, da in der Kunst doch nichts aus ihm
werden könne.
Nach dem Tode dieses Lehrers weigerte sich der
Knabe, bei irgend einem Anderen Unterricht zu nehmen.
Er malte zwar eine Weile in: Atelier des durch
Kraft und Originalität ausgezeichneten Telemaco
Signorini; aber nur durch sein eigenes Empfinden
und direktes Studium der Natur hat er sich leiten und
inspiriren lassen.
Mit Interesse werden wir die fernere Laufbahn
dieses Künstlers verfolgen, überzeugt, daß jedes neue
Werk seines Pinsels oder Meißels neue Seiten seines
Könnens offenbaren wird, daß wir ihn stets eifrig
im Forschen nach neuen Gebieten und Motiven, in:
Erzielen neuer Farben- und Lichtwirkungen finden
werden. Denn er ist keiner von denen, die befriedigt
von ihren Erfolgen, im Streben nachlassen. So wie
jetzt, werden wir ihn wohl immer arbeiten sehen,
wie er sich aus die Fingerspitzen beißt, oder in seiner
nervösen Art die linke Wange kratzt, dabei die Kinn-
backen zusammenpressend, daß die Zähne knirschen,
während er ab und zu die Worte murmelt: „Es ge-
lingt mir nicht, es gelingt nur nicht." („Xon mi
ri686S^.)
Vas künstlmscbe Urkebemcbt.
Vom Geh. Iustizrath Grünewald in Metz.

in Kunstmaler hat dem Verleger einer illustrirten
Zeitschrift auf dessen Wunsch die photographische
Nachbildung seines Gemäldes gestattet, um die-
selbe in seinem Blatte zu vervielfältigen und zn verbreiten.
Nach der Veröffentlichung hierin hat der Verleger jene
Nachbildung an den Verleger einer anderen Zeitschrift,
gleichfalls zum Zwecke der Veröffentlichung in der letzteren
weiter veräußert. Der Künstler, ohne dessen wissen und
willen diese Weiterveräußerung und neuerliche Verbreitung
erfolgt ist. hält sich hierdurch in seinem Urheberrecht für
verletzt und beansprucht von beiden Verlegern eine Ent-
schädigung. Sehr bezeichnend für die gewinnsüchtige Absicht
des ersten Verlegers ist der — rechtlich zunächst unerheb-
liche — Umstand, daß sich derselbe, dem der Künstler die
Nachbildung und Vervielfältigung unentgeltlich gestattet
hatte, vom zweiten Verleger einen verhältnißmäßig hohen
Preis bezahlen ließ.
Beide Verleger entgegnen auf die Forderung des
Künstlers, dadurch, daß derselbe die Nachbildung und Ver-
 
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