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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 21
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [4]
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Gustav, Leopold: München: Internat. Ausstellung der "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0374

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326

-B Die Kunst-Halle -z-

Nr. 2s

seligkeit und naiv schwärmerische Sinnlichkeit sind auch
„Charakter"-Züge, die mit deu zureichendsten und
angemessensten Mitteln zu schildern eine ehrenvolle
Aufgabe der Kunst selbst dann bliebe, wenn inan den
bedenklichen einseitigen Satz durchaus unterschreiben
müßte: „Die charakteristische Kunst ist die einzig
wahre." Cornelia paszka (Berlin) hat leider unsere
Ausstellung nicht gewürdigt, sich hier mit ihrer ver-
blüffend sicheren und von Schönheitssinn geleiteten
Zeichenkunst so glänzend wie gleichzeitig in Dresden
vertreten zu lassen und über ihre unverständliche
„Vanitas" nur durch die charaktervolle Wiedergabe
ihrer eigeneu bedeuteuden Züge und das reizvolle
Bilduiß eines kleinen Mädchens (Kniestück) hinweg-
geholfen. Selbst in der nur die äußersten Spitzen
flüchtig berührenden Uebersicht würde es unverant-
wortlich sein, die beiden Nummern von Rosina
Mantovani-Gutti (Nom) mit Stillschweigen zu über-
gehen: die Pastell-Skizze dreier Kinder, „der Friede",
ist sprühend geistreich und die „Beatrice" benannte
bezaubernde Halbfigur . .? Vor wenigen Jahren
erregte in unserer Ausstellung ein englisches Bild eine
allgemeine Ekstase, das an poetischem und malerischem
Reiz diesem kaum gleich, an Gesundheit der Empfindung
und der Mache ihm weit nachstand.
Von da zu Karl Gussow (München): Ein größerr
Schritt ist innerhalb des Kunstgebietes nicht möglich!
Gussows „Abendstimmung" hat bereits in anderem
Zusammenhänge ihre Stelle gefunden. Etwas Aehn-
liches wie dort, Absetzung eines lebensgroßen Kopfes
gegen eine ferne Landschaft mit blendendem Licht-
und Farbeneffekt, hat er auch in einem wirklichen
Porträt (eines Berliner Herrn) versucht. Aber selbst
dieser Meister der leuchtenden Farhen bändigt solche
Waghalsigkeiten nicht vollkommen: Eine Stimme aus
dem Hintergründe, die so schreit, drängt sich über-
gewaltsam in den Vordergrund; und gegen solch
Feuerwerk kommt kein Mensch auf. Solche Experi-
mente aber sind erlaubt und dankenswerth bei Einem,
der es „auch anders kann", nämlich auf erprobten
Wegen ohne halsbrecherische Wagnisse, wie er es in
seinem Geh.-Rath Mechelhäuser einmal wieder be-
währt hat. Läßt man sich im Bildniß nicht durch
„spezifisch malerische" Virtuosität auf Kosten der
eigentlichen Aufgabe bestechen, so dürfte schwer etwas
dagegen einzuwenden sein, wenn man dieses Brust-
bild als das vollendeteste männliche Bildniß der Aus-
stellung anspricht. Solch lebenswarmes Fleisch, solchen
fast hörbaren Athem findet inan sonst nirgends!
Eine rügenswerthe Fahrlässigkeit der Hänge-
kommission hat unmittelbar neben ihm dem Selbst-
bildnisse Hans Thoma's (Frankfurt a. M.) iu
Tempera seinen Platz angewiesen. Begegneten beide
Bilder einzeln, so könnte man jedem „in seiner Art"
gerecht werden. Nebeneinander zwingen sie selbst den
Objektivsten zu einem unversöhnlich harten „Entweder
— Oder", das man nicht provoziren dürfte. Sch
will Niemandes heiligste Empfindungen und Ueber-
zeugungen verletzen, indem ich die mir unabänderlich
scheinende Entscheidung andeute. Bemerken möchte
ich nur, daß auch technisch die Zusammenstellung vom
Rebel ist. Auch der Name Gussow bedeutet und
vertritt, ohne daß es gesagt zu sein braucht, ein
technisches Prinzip; und da möchte es wohl unwider-
sprechlich sein, daß diesem gegenüber das hier von
Thoma angenommene nur auf eine sehr eingeschränkte
Anwendbarkeit Anspruch erheben kann.
(Schluß v. IV. folgt.)

München:
Internal. Umstellung der „beression."
Von Leopold Gustav.

II.
^U^ans Thoma hat zwei Bilder gesandt. Der ;872
vl»/ gemalte „Angler" muthet uns in seinen braunen
Tönen schon recht alt an; aber eine tiefe Ruhe
spricht aus jener stillen Maingegend mit den sanften pügel-
linien der Ufer. Die Landschaft aus Gberitalien ist
neueren Datums, I897, ein grüner pügelrücken mit blühenden
Mbstbäumen bepflanzt, in seinem natürlichen Primitismus
von erquickendem Frühlingszauber. Da ist nichts von ge-
wollter Naivität, die verstimmt; nur die beiden Rehe, mit
ihren schwarzen Konturen schaden mehr, als sie nützen
könnten, wie fällt dagegen Pans Fehrenberg ab, der den
Frühling in einein Bilde malt, die nur eine flüchtige Skizze
ist, die auch das bischen Duft verlöre, führte man sie
strenger aus; mit sehr sicherer Kunst sind Friedrich Lcken-
felders „Pferde am Waldrand" gebildet. Das ist Zügel-
schule bester Weise. Die kraftvollen Pferde in der Zeich-
nung sehr gut, die Reflexe gut beobachtet, maßvoll und
nicht in Spielerei ausartend. Tooby-München bringt eine
englische Schafweide, landschaftlich schön, die Schafe jedoch
recht hart in den Konturen. Noch besser ist „Nach dem
Regen"; der durchweichte pof mit Kühen und Pferden alles
in der klaren Luft, wie sie nach Regengüssen gegen Abend
eintritt. — payek hat viel bei den Dachauern und den
Schotten gelernt; „An der Amper" und „Frosttag" spricht
von hübschem Naturemxfinden; ganz ähnlich malt auch
Paul Trödel. Persönliche Noten sind da noch wenig zu
spüren.
Bei Pummel tritt in seinem perbst die Zeichnung
ganz zurück und es bleibt eigentlich nur ein gewisses „Sch
weiß nicht was" mit einigen: Farbenreiz übrig. An Bart-
nings Pappeln haben wir nur Mriginalitätssucht entdecken
können; auch Landenbergers „Ain Wasser" wäre besser im
Atelier geblieben; da ist wirklich ein guter Reflex, sonst ist
alles roh und unausgeführt, höchstens eine angefangene
Skizze. Anetsberger malt eine „Sage". Lin rothhaariger
Frauenakt und ein Ritter nebeneinander stehend; das alles
weniger sagenhaft, als schon oft gemalt. Auch dünkt es
uns, als wäre der Maler nicht in die Tiefen eingedrungen,
um den: Stoffe neue Seiten und malerische Vorzüge abzu-
gewinnen. Borchardt gibt seine Biedermeierszenen wieder
sehr gefällig und auch malerisch nicht uninteressant.
Hengelers „pornbläser" in seiner liebenswürdigen Dro-
lerie gehört hierher; übrigens auch landschaftlich von
hübscher Stimmung, wie auch die Abendlandfchaft mit den
Gänsen beweist, pudert von peyden hat sich in das
Studium der Truthähne versenkt; die Bilder zeigen von
guter Beobachtung, sie sind auch malerisch (in der weise
Schramm-Zittaus) zu loben. Ulrich Putz hat sich schon
länger aufs Märchen erzählen verlegt. „Das Märchen
von den zwölf Brüdern" ist aber wieder ohne allen Duft
und Poesie. Niemeyer bringt eine Pilzsammlerin. Seine
wiese ist so blaugrün gesehen, wie wir es ihm beim besten
willen nicht nachzumachen vermögen. Bei Benno Becker
vermissen wir das Fortschreiten und Weiterentwicklen.
Seine toskanische Landschaft gleicht seinen tiefdunklen zy-
xressenbewachsenen Gegenden, die wir seit einigen Jahren
schätzen; aber die schönste Melodie kann uns überdrüssig
werden, wenn keine neue aus ihr emporquillt. Bartels
bringt uns zwei seiner Fischerbilder mit seinem frischen
Sinn für Natürlichkeit und seiner tüchtigen, wenn auch
nicht immer einschmeichelnden Technik. Pier muß auch
Willy pammacher genannt werden, der sich mit seiner
Morgendämmerung auf hoher See auf der pöhe vieler
seiner ähnlichen Marinen behauptet.
Von Trübner bringt die Ausstellung nur eine ältere
Arbeit aus dem Jahre x872 ; aber altmodisch geworden ist
nur das Kleid der Dame; neben ihr hat ein Maler Platz
genommen; wir sehen, da er sich abwendet, nur seinen
großen Künstlerhut. „Sm Atelier" scheint eine Meinungs-
 
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