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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 8
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Norden, J.: Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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Die Aun st-Halle

Nr. 8

Die neue Ausstellung bei Bruno und Paul
Lassirer bietet zuvörderst 65 Bilder und Zeichnungen
von sechs der ersten holländischen Maler unserer Zeit.
Außerdem siud viele überwiegend bekannte Arbeiten von
Wilhelm Trübner ausgestellt. Nach seiner Kollektion
auf der Großen Kunstausstellung von t8Z5 kann auch die
vorliegende keine neue Seite dieser Künstlerxersönlichkeit
mehr enthüllen. Die gedämpfte Empfindung, das dunkle
Kolorit, die schlichte, kräftige Vortragsweise, bilden wohl
einen hervorstechenden Zug im Landschaftlichen und Figür-
lichen. In welcher Weise er mitunter selbst humoristische Töne
anschlägt, zeigen die beiden Bilder „Adam und Eva" —
eine Dame, die einem Herrn Aepfel anbietet — und
Oussur, morituri to LalutLnt." Der Eaesar ist eine
lllmer Dogge, die „morituri" find Bratwürstchen, die dem
Hunde über die Schnauze gehängt sind. Die bekannte
„Gigantenschlacht" leidet schon äußerlich an dem zu engen
Rahmen, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Einige
Studienköpfe und Bildnisse, sowie die elegische Landschaft
„Fraueninsel" sind wohl das Beste, was hier von ihm zu
scheu ist. — Die hier vereinigten Holländer sehen wir
selbst in Berlin, das sie nicht lieben, nicht zum ersten Male.
Man hat Jos. Israels den „holländischen Millet" genannt.
Auch hier dieselbe Liebe zum Landvolk, das gleiche Ver-
ständnis; für Die, die in steter Berührung mit der
Natur ein mühseliges Leben harter Arbeit führen
das gleiche Vermögen, diesem Leben eine poetische Ver-
klärung abzugewinnen. Der Naturalismus der Holländer
zeigt aber doch sich etwas anders, als der französische:
es erklärt sich das durch die Tradition des ;7. Jahr-
hunderts, den Nationalcharakter des Volks, die Physiog-
nomie der Landschaft. Er ist minder herb, brutal als
der französische; er giebt sich naiver und meistens auch
intimer. Das trifft bei Israels am meisten zu. Und
dann weiß er immer das Milieu so reich an innerer Be-
wegung zu gestalten. Von feinen großen Bildern der
letzten Jahre ist hier nichts; aber die Vorzüge seiner
Schilderungskunst, seines Verinnerlichungsvermögens kommen
auch in kleinerem Format zur Geltung und koloristisch
sind diese kleineren Bilder vielleicht noch reizvoller. Der
„Muschelfischer" und „Bruder und Schwester" und „Nach
der Arbeit", „Schwere Arbeit", „Arbeiter" und „Nach
Hause", „Heimkehr" und andere noch beweisen das sehr
beredt. Seine „Arbeiter des Meeres und des Feldes" in
meist schwermüthiger silbergrauer Dämmerstimmung, wer
kennt, wer schätzt sie nicht heute. Welch' einen Zug in's
Große legt er in diese Schilderungen hinein, die scheinbar
mit so einfachen Mitteln, mit alle Details verschmähenden
Umrissen und einer so sarbenarmen und doch immer so
farbig wirkenden Koloristik, ausgesührt werden, dem Ge-
heimniß virtuoser Technik. Auch die beiden Maris sind
gut vertreten. Willem Maris, der Aeltere, dessen Palette
kräftiger, saftiger ist, als die Iakob's, der sich mehr in
braunen und grauen Tönen bewegt, aber immer von
großer Kraft und Wärme ist. Seine so edel em-
pfundenen Landschaften und Seestücke, der wundervolle
Hafen in Amsterdam, die Windmühle, die Flußlandschaft
mit dem Reiter, Dordrecht im Winter zeigen ihn von
seiner besten Seite. Von den dreien gibt sich Willem, der
Maler wohlgenährter Rinder und munterer Enten, am
stärksten als Impressionist. Mauve, bereits vor ;o Jahren
versterben, hat u. A. auch einige Zeichnungen und
Aquarelle, auf der Ausstellung. Eines dieser Aqua-
relle, der Schafstall, ist für seine Art besonders be-
zeichnend. von seinen berühmten Schafmalereien ist sonst
nichts vorhanden, dafür aber zwei Interieurs von großem
Farbenreiz und eine Bleichwiefe, die ganz besonders von
jener packenden Ursprünglichkeit ist, die die Künstler dieser
Gruppe überhaupt auszeichnet. Der jüngste und radikalste
von ihnen ist der von Manet ausgegangene Breitner.
Seine schwärzlichen Straßen- und Kaualbilder aus Amster-
dam, gewöhnlich mit Pferdestaffage, wirken trotzdem über-
zeugend. „Im Schnee" und „Kanal in Amsterdam",
übrigens von früher schon bekannt, sind verhältuißmäßig
nach hell. In seinem nur mit großen Farbenflecken
arbeitende» Impressionismus ist er in den „Amsterdamer
Docks" am weitesten gegangen. Eine starke Wirkung
weiß er auch so noch zu erzielen. Der sechste, Bos boom,

der im Alter von 7H Jahren verstorbene so geschätzte
Maler, namentlich kirchlicher Interieurs, ist nur mit ein
paar seinen Bildchen und Zeichnungen vertreten, die von
seinem Können indeß keinen vollen Begriff geben.
I. Norden.

Ikunstckronik.
* Berlin. Zu Ehren der „kleinen" Exzellenz von
Menzel veranstaltete der Künstlerverein aus Anlaß der
höchsten Grdensauszeichnung seines Ehrenmitgliedes am
9. v. M- ein Festmahl im Künsilerhause, zu dem der
Altmeister sein Erscheinen zugesagt hatte- Außer dem
Vereinsvorstand, geführt von Prof. Ernst Körner, über-
brachte auch Direktor Anton von Werner dem Gefeierten
die Glückwünsche des Lehrerkollegiums der Kgl. Hoch-
schule für die bildenden Künste. — Das neue Ab-
geordnetenhaus in der Prinz Albrechtstraße, das kürzlich
vom Architektenverein besichtigt wurde, fällt durch seine
imposante Sandsteinfront in strenger Renaissance, durch
feinen reichen plastisch-figürlichen und -heraldischen Schmuck
auf. Schöpfer des Werkes, dessen innere Ausbildung dem
kunstvollen Exterieur entspricht, ist der Geh. Baurath
Friedrich Schulze. Auch was die zweckmäßige An-
ordnung und die Ausstattung aller Räume betrifft, ist an-
gesichts der Gesammtbausumme von H Millionen Mark,
Hervorragendes geleistet. Unter den Räumen wirken am
besten die mit Marmorpfeilern, Glasmalereien rc. ver-
sehene Wandelhalle, der ;6 w hohe, 28:22 m große,
stützenfreie Sitzungssaal und das von Prof. A. Messel
und Maler Seliger gestaltete Ministerzimmer. — Im
Akademiegebäude ist die letztens von uns besprochene
Michetti-Ausste llung inzwischen durch einige Stücke
bereichert worden. Ls sind zunächst zwei umfangreiche
Thierstücke, Truthühner, fein in der Durchführung, außer-
dem eine Anzahl von Studien und einige Genrebilder,
sämmtlich in der delikaten Manier der ersten Periode des
Meisters gehalten. Line fernere Zuthat repräsentiren
drei Gemälde, die von dem König von Italien geliehen
sind. Ein großes Bild „l'Ottava", von t878, erinnert in
der Ausführung an das „Vorpas Domini" und wetteifert
mit dieser Leistung des Künstlers an Feinheit und Farben-
reiz. Zwei kleine Genrebilder, „Hirtenkinder" und „Kirch-
gang", kommen aus der Kgl. Gallerie von Monza und
gehören zu dem Durchgebildetsten, das Michetti geschaffen
hat. — Zu unserer Freude können wir berichten, daß der
preußische Staat das hinterlassene Werk des Bildhauers
Michel Lock „Ich habe keine Zeit, müde zu sein", von
der Wittwe des Künstlers gekauft hat, um es in Marmor
ausführen und im Hohenzollern-Museum aufstellen
zu lassen. — Der Zufall will es, daß Bildhauer Harro
Magnussen seine ähnlich wie jene empfundene Gruppe
„Der Philosoph von Sanssouci" eben jetzt in Marmor
ausgeführt hat. — Prof- Hugo Vogel, der für das
Merseburger Ständehaus der Provinz Sachsen einen Zyklus
monumentaler Historien ausführt, hat in seinem hiesigen
Atelier das dreigetheilte Hauptgemälde vollendet, dessen
Mitteltheil „Kaiser Gtto's und seiner Gemahlin Lditha's
Ankunft vor Magdeburg" darstellt. — Im Salon „Ribera"
in der Potsdamerstraße wird dieser Tage eine Sonder-
ausstellung von Hans Baluschek eröffnet, der die von
uns einst gehegten Hoffnungen auf einen „Berliner
Raffaelli" bisher unerfüllt gelassen hat. Es wird sich
zeigen, ob der begabte junge Künstler auf der schiefen
Ebene, in die ihn sein Hang zur Karrikatur, zur über-
triebenen Schilderung des Lasters verblödeter Menschen-
kinder gedrängt hat, weiter gerückt ist oder ob er sich zu
einer tieferen Lharakteristik entwickelt hat. Außerdem
sind Arbeiten von Prof. Th- Hagen, Weimar, des
Berliner Bildhauers H. Magnussen u. A. zu sehen. —
Zum vierten Mal vereinigen sich die „2H Münchener"
im Kunstsalon Schulte mit einer Anzahl beachtens-
werther Bilder, welche im Verband mit einer Reihe
deutscher und ausländischer Werke vom 8. bis 28. Januar
ausgestellt bleiben.
 
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