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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 17
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Imhof, Franz: Berlin: die Weimarer Ausstellung
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0305

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Nr. N

Die Aunst-L^alle

265

junge Akademieschüler, die Räume nur wenig beengten.
Die älteren Meister Leibl, Böcklin, Thoma, Trübner
und der wohl bloß noch äußerlich mit der Münchener
„Sezession" verbundene Franz Stuck sind zum Theil mit
ganz vortrefflichen Werken vertreten und helfen die Ehre
einer Schaar retten, die aus sich selbst heraus kaum mehr
zu bieten vermochte als der Salon Schulte in seinen ge-
wöhnlichen Ausstellungen des letzten winters, nur daß hier
erbarmungslos und mit Recht ungefähr ein Drittel der
Charlottenburger Sammlung als künstlerisch unbedeutend
abgewiesen worden wäre.
Seien wir aber gerecht. Es sind zwei bis drei Dutzend
wirklich guter Malereien, mehrere ausgezeichnete Radi-
rungen, ein Paar sehenswerther Skulpturen da von
Meistern, gegen deren beste Plazirung in der Großen
Kunstausstellung Niemand etwas einzuwenden hätte, warum
diese Künstler hier mit ihren reifer: Leistungen auch all
die vorhandenen, herzlich langweiligen und gequält wirken-
den Bilder, die natürlich originell sein wollen, unter ihre
chützenden Fittiche nehmen, ist eigentlich schwer zu be-
greifen — wenn man bei ihnen nicht lediglich pure Gut-
mütigkeit oder Sentimentalität anzunehmen Grund hätte.
Im Mittelpunkt des Interesses stehen einige bekannte
größere und unbekannte kleinere Bilder von w. Leibl,
wie die famosen „Dorfpolitiker" und jener „Zeitungsleser",
hinter dem zwei junge Frauen wie festgenagelt sitzen. In
seinen Studienköxfen, von denen mehrere Prachtexemplare
da sind, kann Leibl selbst flott wirken, sonst haben seine
Gestalten bei all ihrer koloristischen Frische und minutiös
fein beobachteten Charakteristik oft etwas Erstarrtes. Bon
Böcklin hat man eine sehr alte unbedeutende römische Land-
schaft nicht verschmäht, aus einer Zeit, als er neben Schirmer
und Blechen nur ein Kleinmeister war. Bekannt ist auch seine
(Puellnymxhe in schöner Landschaft und das immer wieder
auftauchende Doppelbildniß „Mutter und Kind". Neben einer
Zimbernschlacht auf der Brücke fällt durch Farbengluth
und Größe das Gemälde „Nessus und Dejaneira" auf,
mit dem klobigen und bärtigen Zentaur, dem die Geraubte
wild den Bart zaust, eine echt böcklinische Mythengruppe.
Von den beiden Thomaffchen Landschaften hat die eine
hügelige die koloristische^Kraft und Poesie jener Landschaft
mit der (puellnymxhe, die andere mit dem pflügenden
Bauern wirkt einfacher, realistischer, aber sehr sein im
Ton. Mit zum Besten gehören die beiden drollig köstlichen
Szenen Stuck's ans dem Leben muthwilliger Panisken, die
ein Zicklein überrennen wollen, und berauschter weiblicher
und männlicher Bacchanten: Landschaftliches und Figür-
liches klingen in diesen feurig heitern Farbendichtungen
wunderbar zusammen.
Neben obigen Schöpfungen fesselten mich u. a. von
L. Dettmann zwei kräftig gemalte Kircheninterieurs und
die gehaltvollen Radirungen von Rich. Müller, Dresden,
in einem Seitenraume. Die umfangreiche Malerei
R. Schuster-W old au's mit den beiden Frauengestalten,
wohl eine neue Variante auf „die irdische und die himm-
lische Liebe," ist mir von einer früheren Ausstellung
bei Gurlitt noch im Gedächtniß. was ferner hier von
Meistern wie p. Zügel, L. Dill, Mar Slevogt, von paber-
mann, L. Korinth, den Worpswedern Modersohn und Pans
am Ende, den Berlinern Leistikow, Liebermann, Skarbina,
R. und S. Lexsius, L. von Pofmann. G. Frenze! u. A.
aufgehängt ist, scheint mir zum Theil wenigstens schwächer

als Manches, was ich früher von diesen Künstlern sah^
zum Theil kann es zu dem bekannten Bilde ihres Schaffens
nichts Neues hinzufügen. Unter den wenigen Plastiken
ragt ein sehnig mageres Bronzexortrait von Jos. Floßmann,
München, und die eherne Ioachimbüste von pildebrandt,
Rom, über das Niveau des Uebrigen.
Noch eine Schlußfrage: Wo bleibt Lesser Ury, der
echte Typus des Berliner Sezessionsmannes, der mit Be-
gabung und halbem Können — ganze Erfolge bean-
sprucht? — Die perren fangen in der That früh an zu
terrorisiren. . . wird also wohl munter weiter sezessionirt
werden. Parole der Sezession von tyoo: Gegen Akademie
und g eg en Künstlerverein. Parole der diesjährigen: Für
die Akademie. Die perren möchten nämlich Alle hinein —
denn dort herrscht die wahre Knnst! Im Verein herrscht
das Metier — das böse Metier.
Franz Imhof.
X
Aunstchronik.
* Berlin. Der Kaiser in derNationalgallerie.
Es ist aufgefallen, daß die hiesige Tagespresse, die
vielfach von Anhängern des perrn N. Liebermann be-
reisten wird und diesem „Führer", dessen Naturalismus
heute sicherlich schon ebenso veraltet ist, wie irgend eine
der von den Sezessionisten bekämpften Richtungen, eben
ihre begeisterten Puldigungen darbringt über den am
tt- April stattgehabten und öffentlich angekündigten Kaiser-
besuch in der hiesigen Nationalgallerie keinen Bericht
gebracht hat. Da nun der, in gewisser Pinsicht denk-
würdige Besuch des kunstsinnigen Monarchen, durch un-
richtige Angaben von Mund zu Mund, schließlich eine
völlig falsche Deutung erhielt, sehen wir uns zur Steuer
der Wahrheit genöthigt, zu erklären, daß sich der Kaiser
gegen die von den: derzeitigen Direktor der Gallerte vor
einiger Zeit getroffenen Veränderungen auf das Bestimm-
teste und, soweit es die Aufnahme einer Anzahl mittel-
mäßiger französischer Bilder betrifft, auf das Allerschärf st e
geäußert hat. Ls ist hierbei zu einer Redewendung aus
kaiserlichem Munde gekommen, die dem perrn Direktor
die Frage des Rücktritts wohl nahe legte. Auch bei dem
darauffolgenden Besuch des Kunstgewerbemuseums nahm
der Kaiser nochmals Veranlassung, dem perrn Unterrichts-
minister seinen abweichenden Standpunkt gegenüber dem
in der Nationalgallerie zur Zeit noch herrschenden
System des perrn von Tschudi zu präzisiren.
* Berlin. Im Kgl. Kunstgewerbemuseum sieht
man zur Zeit einen mächtigen Altaraufsatz aus Metall,
den Professor Christoph pehl, der bewährte Meister des
Kirchenbaues, für die von ihm kürzlich in romanischen
Formen vollendete hiesige Perz-Iesukirche nach eigenen
Entwürfen hat Herstellen lassen, piernach hat Prof. Vtto
Geyer die figürlichen und ornamentalen Modelle gefertigt,
mittelst welcher M. Rohloff die gegen 3 M. breite und
hohe Altarfront in Kupfer trieb und ziselirte. Das ganze,
überaus kunstreiche, alterthümlich reizvolle Werk erhielt
endlich durch Feuervergoldung jene mattgelbe Tönung, von
der sich der farbige Grubenschmalz an den Säulchen und
die gefaßten Edelsteine an den rahmenden Theilen wie am
krönenden Kreuze effektvoll abheben. Der Arkadengliederung
mit überhöhtem Mittelbogen liegt das Schema der fünf-
schiffigen Kirche zu Grunde; durch weitere horizontale
Theilung sind zehn vertiefte Felder für Reliefs aus der
peilsgeschichte in Verbindung mit alttestamentarischen
Parallelen entstanden. Die Axe, die als Triumphbogen
erhöht abschließt enthält Pimmelfahrt, Kruzifix und thronen-
den Christus zwischen den vier Lvangelistensymbolen.
Die Malereien auf Kupfer an den Innenseiten der Thüren
sind von dem Kölner Maler Kleinertz ausgeführt. Prof,
pehl hat dieser kostbaren Altarschöpfung ornamental wie
 
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