Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

DOI Heft:
Nummer 5
DOI Artikel:
Künstlerische Zeit- u. Streitfragen
DOI Artikel:
Gustav, Leopold: München: Winterausstellung der "Sezession"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0088

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

Die Aun st-Halle

Nr. 5

ich um der Klärung willen noch einige Fragen stellen.
Meint Herr Trübner, daß die bildende Kunst in Bezug
auf das Laienurtheil eine exzeptionelle Stellung
einnimmt, oder meint er, daß auch eine Novelle, ein
Drama nur von Schriftstellern verstanden und beurtheilt
werden kann, oder ist es die Schriftstellerei allein, die
ihre Kraft lediglich in der Wirkung auf den Menschen
zeigen soll und kann? Die zweite Frage ist die: Meint
Herr T. als Maler wirklich gnädiger beurtheilt zu werden,
wenn Maler über ihn zu Gericht sitzen, als wenn Laien
ihn beurtheilen? Drittens: wirkt ein Kunstwerk wirklich
mehr, wenn man die Mittel der Wirkung und deren An-
wendung kennt? Dabei muß ich an das Bild von Oberländer
denken, wo der Bauer dem Thierarzt sagt: „Dem Ochsen kann
die Medizin nichts nützen, denn er glaubt nicht dran."
wunderlich ist der Kampf der Neuzeit gegen „das
Akademische", wie alle von Künstlern aufgestellten
Begriffsbestimmungen, so scheint mir auch diese etwas ver-
schwommen zu sein, wenn man alle Aeußerungen darüber
zusammenhält, so kommt man auf den Gedanken, die
Meinung sei, daß alles Erlernen das Epitheton „aka-
demisch" erwirbt (milder wird geurtheilt, wenn Liner
einem modernen Landschafter was absieht). woher
stammt nun diese eigenthümliche Angst vor dem Erlernen?
wenn ein Schüler eine Karrikatur aus reinem Ulk an
die wand schmiert, so kann sie amüsant, talentvoll sein.
Müht er sich einen Monat ab, einen Kopf durchzubilden,
so wirkt der oft langweilig, gewöhnlich und verquält.
Im ersten Falle beherrschte das wollen das Können, im
zweiten Fall, wo gar kein psychisches wollen vorhanden
war, tritt blos der Grad des Könnens resp. Nichtkönnens
zu Tage. Ja, man muß viel lernen, wenn das wissen
mehr als ein Ballast sein soll, und man muß stark wollen,
wenn es das Können beherrschen soll, wo wenig wollen,
wenig Ursprünglichkeit ist (ich sage absichtlich nicht Ori-
ginalität), da geht dieses kümmerliche Ding leicht kaput.
Ich könnte eine Reihe sehr geschätzter Künstler nennen
die einen großen Theil ihrer Originalität (hier ist dieses
Mort am Platz) gewissen Ungeschicklichkeiten und Mängeln
verdanken. Nehmen Sie ihnen die groben Schnitzer und
das Ding wird meist dumm, verliert den cg-obst. Dann
flüchtet der Maler hinter das Wort: „ich sehe die Natur
so". Ja gewiß, jeder sieht die Natur anders. Der
Forstmann hat vom Walde einen ganz anderen Eindruck
als der Stratege. Aber der Maler versteht darunter etwas
ganz Geheimnißvolles: die Abweichungen der Natur-
anschauung von der Natur beschönigt er damit. Mir ist
das nie ganz klar gewesen, wenn etwa Jemand die
Eigentümlichkeit des Auges hätte — nun wir wollen
sagen einen Kreis dreieckig zu sehen, so müßte er doch
auf die Leinwand auch einen Kreis hinzeichnen, damit
seine wunderbare Netzhaut den Eindruck eines Dreiecks
bekäme, und der Beschauer würde keinen Unterschied
zwischen Bild und Abbild wahrnehmen, wenn man sagt:
Donatello sah die Natur anders als Fiesole, Botticelli
anders als Masaccio, so ist das leicht faßlich, wenn
aber heute ein Maler die Natur überhaupt „anders"
sieht, so hege ich immer Mißtrauen gegen sein Können,
nicht gegen sein Sehen.
Aber verzeihen Sie die Abschweifung, die nur dadurch
herbeigeführt wurde, daß ich in Ihren Aufsätzen vieles
gefunden habe, dem ich so gern beistimme ... rc. rc.

München:
MLntermrsstellung der „Sezession".
Von Leopold Gustav.

LT^ach kurzer Ruhe sind die Säle des Ausstellungsge-
bäudes am Königsplatz wiederum gefüllt, diesmal
hauptsächlich mit Werken der vervielfältigenden Künste.
Die Amateurphotograxhie hat sich in den letzten Jahren
künstlerisch entwickelt. Nach den Resultaten zeigt es sich,
daß die Kunst der Amateure nicht nur eine Be-
schäftigung poui- pL88sr 1s teinp8 zu bleiben braucht, wenn
Leute von künstlerischen Instinkten sich ihrer annehmen.
Die 200 Nummern der „I. Internationalen Elite-Aus-
stellung künstlerischer Photographien", wie der erste Theil
der Exposition heißt, bieten vielfach Sachen, die sehr
künstlerische (Dualitäten besitzen. F. Matthies-Masuren
weist in dem Vorworte zum Katalog auf ein lange ver-
gessenes, jetzt außerordentlich vervollkommentes Verfahren
den Gummibichromatdruck hin, welcher neben der eigenen
Bestimmung des Papierkorns auch die Wahl des Tons
zuläßt. Heinrich Kühn (Innsbruck) hat in seiner sizi-
lianischen Brigg ganz erstaunlich die Lichttöne getroffen;
auch Henneberg's Bach im Frühjahr, in der Art der
Dachauer gesehen, ist gut. Vielfach bemerken wir — die
Vorrede giebt dies zu — direkte Anlehnung an die Werke
großer Künstler. Der Amateur fand in der Natur Aehn-
liches, wie es der Künstler schon gesehen hatte, an dem
er vorbei gegangen wäre, wenn der Maler ihm nicht die
Augen geöffnet hätte. —- Bei Porträts ist eine derartige
künstlerische Beeinflussung noch besonders in die Augen
fallend, wir können keine Einzelheiten weiter aufführen;
es genügt zu sagen, daß unter den 200 das Gute vor-
herrscht und Mangelhaftes fehlt. Die Photographie in
der Hand des Künstlers dürfte berufen sein, denen,
welchen die Erwerbung guter Oelbilder immer eine öko-
nomische Unmöglichkeit bleiben wird, wenigstens ein
künstlerisches Surrogat zu werden. Und auch für die,
welche bei allem künstlerischen Empfinden nicht das tech-
nische Talent zum Maler besitzen, dürfte die künstlerische
Photographie ein nicht unersprießliches Refugium sein- —
Der Ausstellung zweiter Theil umfaßt Plakate; hier
überwiegt noch das Ausland. Doch auch von deutschen
Künstlern sehen wir Tüchtiges. Angelo Jank, Walter
Gaspari, Max Schlichtung, I. L. Stroever seien ge-
nannt, auch einige vorzügliche von puvis de Lhavannes.
Manche haben wir ihre Wirkung schon an den Litfaß-
säulen erproben sehen. In der Ausstellung wirken ja Plakate
leicht verwirrend ; ist doch der Zweck jedes das andere zu
überschreien. — Von den Aquarellen, Zeichnungen rc.
brauchen die von Daniel viorge nur erwähnt zu
werden, da ich dieselben jüngst bei Litt au er sah und
hier besprochen habe. Der genannte Kunsthändler ist auch
der Arrangeur der zweiten Abtheilung; während die
Photographienexposition von dem oben erwähnten Maler
Matthies-Masuren geschmackvoll geordnet wurde, von
FslicienRops enthält die Ausstellung über xoo Blätter.
Da hier erst neulich anläßlich des Todes jenes scharfsinnig
beobachtenden Künstlers seine Eigenart Darstellung erfuhr,
muß es dieses Mal mit der Erwähnung genug sein.
In den Ausstellungsräumen wurde durch geschickte
Anordnung kunstgewerblicher Gegenstände eine behagliche
 
Annotationen