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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 18
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Thomas, Bertha: London: Die Ausstellungen von 1899
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Gustav, Leopold: München: Die Ausstellung im Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0320

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278

Die Kunst-Halle

Nr. (8

geborene Zug ins Freie, ihre nationale Vorliebe für
Bewegung und Draußenlehen, gewähren eine natür-
liche und eben daher so werthvolle Ouelle der In-
spiration. Jene Landschafter sind nicht Naturalisten
im gewöhnlichen Sinne. Der innere Werth ihres
Könnens beruht aus der echt künstlerischen Beob-
achtung und Mahl desjenigen malerischen Moments,
in welchem gleichsam die (Quintessenz der geschilderten
Szene verkörpert erscheint. Von nicht geringerer:
(Qualitäten zeugt Mr. Tukes „Taucher" (The Diver);
an einer felsigen Küste, von klarem Sonnenlicht um-
flossen, eine Anzahl nackter Burschen, theils im Wasser,
theils in Booten. Und so könnte ich hier noch mehr
der charakteristischen Beispiele ansühren.
In der Skulptur sind einige Aussteller mit äußerst
reizvollen Arbeiten vertreten, und es macht sich da
eine entschiedene Neigung sür die dekorative Kunst
geltend. Tine recht anmuthige Gruppe in Elfenbein
und Bronze ausgesührt, „Novs llauua Vitas" von
H. Bates läßt das Hinscheiden dieses kürzlich ge-
storbenen Künstlers von Neuem beklagen. Sehr in
Ausnahme ist die Email-Malerei, und das Hervor-
ragendste, was der Skulpturen-Raum hierin auszu-
weisen hat, ist ein reich verziertes muthmaßlich zur
Wand - Dekoration bestimmtes Kunstwerk dieser Art
von Mr. Herkomer. Ts ist betitelt: „Der Triumph
der Stunde" und besteht in einem etwa sechs Fuß
langen Metallschild, dessen Oberfläche verschlungene
Kurven hat, zwischen denen brillante kleine Tmail-
bilder gemalt sind, einen Zyklus von symbolischen
Figuren und Szenen darstellend, deren Sinn in dar-
unter angebrachter Schrift erläutert ist. Neu und
ganz überraschend ist das Arrangement, ob aber
glücklich, bleibt fraglich. Trotzdem ist es eine aber-
malige glänzende Bethätigung der erstaunlichen Viel-
seitigkeit dieses Künstlers.
X
München:
Vie NuMellung im Llaspalast.
von Leopold Gustav.

I.
ir waren dieses Mal daraus gefaßt, daß
die Ausstellung Ueberraschungen be-
sonderer Art nicht bieten würde. Unsere
Kunstentwicklung hat in den letzten Jahren ein lang-
sameres Tempo angeschlagen. Wir sehen im Glas-
palast viel Gutes, sogar einiges vorzügliche und das
Mittelmäßige, was ja auch auf der besten Ausstellung
nicht sehlt, so gruppirt, daß es wenigstens
nirgends stört.
Das meiste Interesse scheint mir wieder die
„Luitpold-Gruppe" zu verdienen, der Saal 3 bis so
eingeräumt ist. Wir können bei unserem ersten Durch-
gang nur das Markanteste erwähnen, das Uebrige
späteren Besprechungen vorbehaltend. Da ist Raffael
Schuster-Woldan mit einer Reihe seiner espritvollen,
dekadenten und wieder schönheitsfreudigen Frauen-
gestalten. Mehrere haben wir schon in diesem Blatte
besprochen, so das technisch meisterhafte Bildniß der
Frau v. L., ein ausgesprochener Nassetypus. Dann
ein anderes (M. v. R.): ein müdes Botticellithum in
Auffassung und Ausdruck. Raffael Schusters Schön-
heitsideal stellt sich, wenn wir uns so ausdrücken

dürfen, als mis8MA Imle zwischen der Geliebten
Romeos und einer Doktorin der Pilosophie dar. Tine
hier und da vortretende Koketterie, beinahe Süßlichkeit
wollen wir nicht leugnen, sie resultirt jedoch wieder
in seinen nervöser Ueberkultur entstammenden Frauen-
gestalten. Georg Schuster-Woldan betitelt seine große
Leinwand „Largo", eine in Schwärmerei versunkene
junge Frau, an Gabriel Max' beste Tage erinnernd,
sehr fein in den Farben, die das musikalische Motto
auf das Glücklichste transponiren. Weniger will uns
Exter gefallen. Sem Triptychon strömt durch seine
Koloristik sicherlich eine gewisse Stimmung aus; die
Schwere seiner Symbolsprache möchten wir nur nicht
mit Märchentiefe verwechseln. Wirksam ist sein
Kuhstallmotiv, obwohl hier ein Mindermaß in der
Buntfarbigkeit der Reflexe sicherlich die Wirkung er-
höhen würde. Nikolaus Gysis hat im Auftrage des
bayerischen Staates eine Apotheose der Bavaria ge-
schaffen. Auf dem von Löwen gezogenen Wagen
fährt sie daher, in der linken den Frieden verheißenden
Oelzweig, in der rechten Lekythos mit dem nährenden
Gele; Tros führt die Zügel, die Wissenschaft mit
der Fackel der Fortschrittes erhellt den Weg. Poesie
und Glück ziehen die gleiche Bahn. Allwo es eine
recht lange Erklärung giebt, staut sich das bildungs-
hungrige Publikum; es wird auf der Tafel manches
finden, was sich aus dem Bilde schwer herausbuch-
stabiren läßt. Tros z. B. soll andeuten, daß die
Liebe stets das Haus Wittelsbach und Bayern ver-
bindet und dergl. mehr. Uns interessirt vor Allem
das Feinabgewogene in jeder Farbe, Schattirung und
Linie. An dieser wundervollen Technik kann Jeder
noch etwas lernen und doch läßt dies bajuvarische
Stück Griechenland uns kühl, ganz kühl.
Phil. Otto Schäfers „Kampf", ein dramatisch be-
wegtes Bild, zeigt ein an Stucks machtvoll dekorativem
Talent vielgeübtes, aber nicht nachäffendes Können,
das Beachtung verdient. Ubbelohdes Sommertag ist
ungemein reizvoll im Landschaftlichen; nur die korrekte
Jungfrau, die auf dem Hügel Platz genommen, ist
etwas fadengrad gerathen. Seine rein landschaftliche
Morgenstimmung ist recht fein in der Farbenwirkung;
zeichnerisch jedoch nicht gerade bestechend. Torinth
zeigt sich wieder als trefflicher Farbenkünstler in Fleisch-
kolorit und lila Tönen, palmis bringt einige seiner
seelenvollen Haidebilder und Abendlandschaften; Georg
Iakobides entlockt der Genreszene „Bad" höhere
malerische Reize; Tanal behauptet in seiner „Nieder-
ländischen Stimmung" die Höhe seiner ähnlichen
Motive, pernath hat einige seiner wirkungsvollen
Porträts, von denen uns das Bild der Gräfin Ram-
baldi als das trefflichste erscheint. Flott und elegant,
wenn auch etwas zu chik in der Mache ist das Porträt
der Schauspielerin Ilona Sperr. Wir wollen hier
zu den Berliner Künstlern übergehen; da pernaths
elegante Porträtkunst uns, ohne zu nahe Vergleiche
ziehen zu wollen, an Koner erinnert, von ihm sehen
wir ein vornehm gehaltenes Porträt des Groß-
herzogs von Weimar: dann das flott gemalte Bild
einer Signorina, endlich das Porträt einer Frau
Schuppmann, fein im Ton, für unser Empfinden
jedoch etwas zu süßlich. Knaus ist mit einer
bonbonsnaschenden Dame recht anmuthig vertreten,
von Meyerheim sehen wir „der rothe Araras und
seine Gäste", Papagei und Tauben voll reizvoller
Naturwahrheit. Seine Studien aus dem Orient
sprechen von gleicher Naturtreue und künstlerischer
Ausgeglichenheit. In der Münchener Gruppe G. fällt
besonders Fritz Trier auf. Die Dame in Schwarz,
 
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