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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 5
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Rücklin, R.: Neuer Schmuck, [1]
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68

Die Aun st-Halle

Nr. 5

Oeuer Lckmuck.
Von R. Rücklin, Pforzheim.

allen Zweigen unseres Kunstgewerbes
war es die Schmuckkunst im engsten Sinne,
die Kunst Schmuck herzustellen, welche am
längsten mit dem Eintritt in die moderne Stilbewegung
hat aus sich warten lassen. Nun ist auch sie nach-
gefolgt, und man kann drei Wege unterscheiden, auf
welchen sie ihren Zweck, ihren künstlerischen und tech-
nischen Gehalt zu erweitern und zu vertiefen, zu er-
reichen bestrebt war; denn die großen Mängel waren
es, welche unserer, völlig in's Schlepptau des tri-
vialsten Massengeschmacks gekommenen Schmuckpro-
duktion anhafteten: Die Vernachlässigung, ja die
Verpönung jeder künstlerisch bedeutsamen Form und
Linie; das Verschwinden der künstlerischen Klein-
plastik und die protzige, unkünstlerische Verwendung
der Steine und sonstige Putz- und Farbmittel der
Bijouterie. So wird denn jetzt auf der einen Seite
die reine Form, die klare Linie mit Hingebung, mit
Aufgabe aller andern, uns so geläufig, ja unent-
behrlich gewordenen Dekorationsmittel gepflegt; so
betheiligt sich die Kleinplastik in völlig selbstständiger
Weise an der Herstellung von Schmuck; so sucht der
schaffende Künstlergeist endlich aus dem Zusammen-
klang von Emailfarben, von verschiedenartigen Gold-
tönen, von den Farben der verschiedensten Edelsteine
ganz neue Harmonien und koloristische Effekte zu
schöpfen, um seine Erfinderkraft auch auf diesem
Gebiete zu bethätigen. Auf den Kunstausstellungen
nehmen Schmuckarbeiten, in unsern kunstgewerblichen
Zeitschriften nehmen Abbildungen von solchen einen
zusehends breiteren Raum ein. Es scheint an der
Zeit, sich einmal einen Keberblick über den Stand der
Bewegung zu verschaffen.
Die Ursachei:, durch welche unsere Schmuckkünstler
so lange von neuen, von modernem Geiste getragenen
Versuchen und Bestrebungen abgehalten wurden, sind
mannigfaltige. Eine der wichtigsten ist der in jedem
besseren Schmucke steckende hohe Materialwerth; das
zwingt zu geschäftsmäßigem Betrieb bei der Her-
stellung und schreckt ab vor Experimenten; das
ist auch Schuld daran, daß das kaufende Publikum
bei jeder Schmuckwahl nach demjenigen Stück greift,
welches seinen Materialwerth auch deutlich zeigt, je
protziger je lieber, und daß es künstlerische Kom-
position und Handarbeit neben dem Blitzen der edlen
Steine nicht nur nicht schätzt, sondern direkt ablehnt
als etwas, was die Prunkwirkung des Schmuckes
beeinträchtigt. Auch daß der Schmuck fast aus-
schließlich als Bestandtheil der Damentoilette begehrt
und getragen wird, hat — man verzeihe die un-
galante Bemerkung —, auf seine künstlerische Durch-
bildung ungünstig gewirkt: Man hat sich daran
gewöhnt, keine höheren künstlerischen Ansprüche an

ihn zu erheben, als man dies etwa bei einer Hals
krause oder einem Aermelbesatz thut. Dazu ist die
Technik des Schmuckes — Treiben, Biegen, Ziseliren,
Graviren, Steinschliff, -schnitt und Fassung, Lmailliren
und Goldfärben u. s. f.— eine ungeheuer vielseitige,
die selten von einem Fachmann ganz beherrscht wird,
und noch seltener ist es, daß dieser Fachmann just —
ein Künstler ist. So haben sich denn vielfach ent-
werfender Künstler und Goldschmied zusammengethan,
um in gemeinsamer Arbeit Neues zu schaffen. Auf
diese Art sind die ersten, in Deutschland gearbeiteten
und bekannt gewordenen Schmuckarbeiten modernen
Charakters entstanden, nämlich die von Herrn. Hirzel
entworfenen und vom Hofjuwelier L. Werner-Berlin
ausgeführten Broschen und Gürtelspangen. Hier ist
ausschließlich aus der stillen, zarten Schönheit unserer
Pflanzenwelt geschöpft, Linienzug und Flächenver-
theilung ist Alles; kein Stein, keine perle, kein Behang,
nur mattgoldne Flächen und Linien in diskretester
Modellirung. Selbst bei denjenigen Broschen, die
Mosaikfüllungen enthalten, ist den stumpfen ver-
haltenen Tönen so sehr der Vorzug gegeben, daß sie
noch reservirter wirken als die ganz goldnen. Es ist
viel kritisirt worden an diesen Hirzel'schen Schmuckent-
würfen. Seine ersten Arbeiten waren allerdings sehr an-
greifbar. Sie waren ohne die mindeste Rücksicht auf Trag-
barkeitund Bequemlichkeit entworfen und boten soviele
Spitzen und Ecken, daß es kein großes Vergnügen
gewesen sein kann, sie zu tragen. Dieser Fehler ist
an den neueren Arbeiten völlig, sogar in hervor-
ragend geschickter Weise überwunden; aber über das
gänzliche Fehlen von Stein- und Perlenschmuck können
namentlich Fachleute noch immer nicht aufhören die
Köpfe zu schütteln. Als ob es nur eine Sorte Schmuck
geben dürfte! Ich glaube allerdings nicht, daß diese
Hirzel'schen Schmuckstücke jemals Gegenstand der
Massenfabrikation werden; der Eindruck einer zurück-
haltenden Vornehmheit, den sie machen, ist nicht
Zedermanns Geschmack; aber es ist eine so erquick-
liche Aeußerung echter, stiller deutscher Kunst in ihnen,
daß wir uns nur darüber freuen können.
Mit mehr Entgegenkommen für das allgemeine
Verständniß hat der Architekt B. Möhring seine für
die Firma Z. H. Werner-Berlin ausgeführten Schmuck-
entwürfe aufgefaßt; energische Modellirung, sparsame
Verwendung von Steinen und perlen und geschlossener
Umriß sind daran zu rühmen; den absichtslosen,
innerlichen Eindruck der Hirzel'schen Kompositionen
machen sie nicht. Zn München ist die Firma Lohr
und Steinicken mit Schmucksachen aufgetreten, bei
deren Komposition das bequeme Tragen zum leitenden
Gesichtspunkt gemacht worden ist, und zwar in einer
Weise, welche nicht gebilligt werden kann: Der
Schmuck wird von einem Rahmen aus starkem Draht,
herzförmig, kreisrund, langviereckig mit abgerundeten
Ecken u. s. w. eingeschlossen; dieser Rahmen wird
mit Blumen und Blättern ausgefüllt und der geo-
 
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