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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 5
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Galland, Georg: Von kleiner und grosser Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0083

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Nr. 5

Die Aun st-Halle

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der Schüler Nembrandt's zuerst ä la. van Dyck, später
sogar klassizistisch gemalt hat. Bol war eben alle-
zeit ein rechter Moderner; er hätte schließlich auch
malayisch gemalt wie heute Ian Toorop, wein:
diese Mode damals in Holland erfolgreich eingeführt
worden wäre. Das Nembrandtisiren empfahl sich
einst den Kunstbeflissenen wie heute wieder das
Romantischen. Die Illustrationen des „Studio" sorgen
überdies dafür, daß das Anschauungsmaterial in
diesem idealen Genre, das bekanntlich in England
prächtig gedeiht, nicht ausgeht. Dazu bei Lappisch
ein bischen Böcklin, ein bischen Li. von Hofmann,
und damit auch etwas Anderes geboten werde, wird
manchmal das Antlitz einer Nymphe mit dem spitzen
Hinsel italienischer Feinmaler zurechtgediftelt.
Mit derartigen Leistungen, selbst wenn Fräulein
Hitz noch so oft ihre verschwommenen Frauenköpfe
mit röthlichen Herrücken ziert, oder die Herren
Hh. Frank und L. Hermann noch so verschwenderisch mit
ihrem Farbmaterial umgehen, wird die Kunstentwick-
lung nicht um einen Hflfferling gefördert. Mer der-
gleichen behauptet, verdient keinen Glauben. Es
genügt keineswegs und beweist herzlich wenig, heute
in der Gesellschaft unserer blutärmsten Nachtreter
älterer Kunstrichtungen vortheilhaft zu erscheinen:
Daraus sogar einen Schluß auf den „großen" Unter-
schied der Hotenz von „jetzt" und „früher" zu ziehen,
ist mehr als gewagt.. Man vergleiche hingegen
einmal das heutige Können mit dem der älteren
Generation, als deren beste Vertreter die Blechen,
Hasenklever, die Feuerbach, Hans Makart u. a. noch
in der Blüthe und Fülle ihres Schaffens lebten und
es niemals nöthig hatten, in November- u. a.
Vereinigungen ihre künstlerischen Bestrebungen zu
vervielfältigen. Man studire in Berlin z. B. die
Gallerte Ravens, die ungefähr zeigt, was man
allein in Norddeutschland zwischen f8^0 und s87O
geleistet, und zwar Manches, was in echter künstlerischer
Vertiefung heute kaum mehr erreicht wird und was
denen, die lernen wollen, beweist, daß nicht Alles
heute so groß ist, wie es die Reklame und das Harthei-
geschrei glauben machen möchten . . .
Alles was heute seiner eigenen Kraft traut, hat
sich wieder aus den Vereinigungen still herausgezogen.
Es ist hier aber, wie wenn die anfänglich gerade
durch die Moderne bekämpfte „Heerdennatur" des
Menschen, die die Schwäche des Einzelnen heimlich
einräumt, von Neuem triumphire. Das Bedenkliche
solcher Gruppen, Klubs und dergl. liegt nun nicht
darin, daß die Kräfte sich gegenseitig stützen, was
bei der heutigen Massenproduktion immerhin be-
greiflich und zeitgemäß wäre, sondern in der üblen
Rückwirkung auf die Geltung des Linzelschaffens.
Schädigend wie auf den Kleinhandel der Bazar, wirkt
unleugbar auf die Anerkennung einer Künstlerindivi-
dualität der kräftige Heerdenschritt einer anrückenden
Malergruppe, in deren Gefolgschaft gewöhnlich auch,

wie bei Wachparaden, ein Troß schreiender Mit-
läufer die Alleinstehenden verächtlich bei Seite schiebt:
Solcher erprobten Brutalität sind z. B. auf einer
der letzten Ausstellungen bei Gurlitt einige ganz vor-
treffliche koloristische Arbeiten von F. E. Wolfrom bei
einer Sorte von Kritikern zum Opfer gefallen. Anderer-
seits wirkt es ergötzlich zu lesen, mit welcher Aus-
dauer immer wieder dieselben dritt- und viertrangigen
Hinselführer wegen gewisser „moderner" Eigenschaften
zitirt und bewundert werden, wiewohl bei den wirk-
lichen Großen derartige Eigenschaften merkwürdiger-
weise nicht zu entdecken sind. Die waren gestern, sind
heute und werden morgen sein — trotz ihrer schein-
baren Unmodernität, die manchem Tageskritiker ein
Greuel ist. Hermann Hrell, der Schöpfer der monu-
mentalen Eddabilder im Halazzo Laffarelli, weiß da-
von ein schönes Lied zu singen. Aber seine Freude wird
erst voll, wenn er sich zugleich davon überzeugt,
wie einige seiner minder begabten Schüler auf
Grund geringfügiger Schwarz-Weißblätter von der
ganzen Kliquenpresse des Ortes als Ingenien ge-
feiert werden . . .
Angesichts solcher Verhältnisse muß doch immer
wieder betont werden, daß auch in der Malkunst, wie
beim Bau, es drei Sorten von schaffenden Kräften
giebt. Zunächst sind es die Handwerksleute, die
das Steinmaterial herbeischaffen, die Rohmaterialien,
aus denen ein modernes Gebäude zu errichten ist;
dann kommen die schon beim Entwurf betheiligten
Meister, die das Ganze phantasievoll gestalten, und
endlich die Leute, die im Sinne der Großmeister und
des Gegebenen, mehr oder minder abhängig, Raum
für Raum den Bau ausstatten und schmücken. So
ist es heute und so war es schon in jenem herrlichen
Zeitalter des italienischen Kunstaufschwungs, im
(Quattrocento, als neben der Menge der kleinern Maler
von vorwiegend technischer Veranlagung, neben diesen
neuartigen Handwerkern der Nenaissancemalerei und
eigentlichen Modernen ihrer Zeit — nur einige
wirklich Ganzgroße gar nicht im Sinne jener Ma-
jorität „modern" schufen, sondern wie Masaccio mit
beiden Füßen auf dem hundertjährigen Kunstboden
Giottos oder später wie Raffael als Monumental-
maler auf dem hundertjährigen Boden der Tapella
Brancacci-Fresken fest und sicher standen. So
lehrt denn die Kunstgeschichte uns Allen, daß die
„Tradition" den Kleinen zwar nur ein modefeind-
licher Begriff, dem künstlerischen Eintagfliegenthum
sogar ein heilloser Schrecken ist, dagegen den Großen
stets den göttlichen Geist, den unantastbaren Werth
historischer Entwickelung vergegenwärtigt.
G. G.
 
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