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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 3
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Gustav, Leopold: München: Ein moderner Thiermaler
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Coffmann, Paul Nikolaus: Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0049

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Nr. 3

Die Kunst-Halle

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geboren, kam nach dem Besuche der Fortbildungs-
schule in Schwab. Hall mit (7 Jahren in die Stutt-
garter Kunstschule, verließ sie nach 2 fahren, um
gleich nachher in München selbstständig zu sein. Wohl
führten Studienreisen ihn nach Paris, Holland und
Belgien; aber außer der einjährigen Professur (als
Nachfolger von Baisch) an der Karlsruher Akademie
hat Zügel die bayerische Hauptstadt nie mehr auf
länger verlassen . . . wie diese trockenen Angaben
seines Lebenslaufes keinerlei romantische Züge offen-
baren, so hat auch das künstlerische Schaffen Heinrich
Zügel's fast nur schlichte, ernste Noten aufzuweisen.
Wie Zola in seinem roman experimental der Wissen-
schaft adaequate Resultate geben will, so geht ähnlich
durch Zügels Malerei eine Naturbeobachtung, die in
der That den Scharfblick des Naturforschers, als
künstlerisch-technische Voraussetzung aber ein echtes
Zeichentalent verräth. Seine Skizzenbücher bekunden
das von vornherein, aber sie zeigen auch, daß dieses
Talent sich erst Blatt für Blatt durch ehrliche Studien
entwickeb: mußte, ehe es Zügel's Meisterschaft und
seinen Ruf als Künstler begründen konnte, was
die Fingerübungen für den Pianisten, das läßt er
auch für seine Schüler das Skizziren sein. Die Hand
soll so geschult, so sicher sein, daß sie des Nadir-
gummis leicht entbehren kann. Auge und Hand des
Zeichners müssen gleich schnell funktioniren, sodaß es
verständlich ist, wenn Zügel in wenigen glücklichen
Sekunden eine in freier Natur dahinziehende Hammel-
heerde mit flottem Stift charakteristisch auf das
Papier bringt.
Zn Heinrich Zügel's Kunstschaffen kennen wir
übrigens drei Perioden. Bei seinem ersten Auftreten
in München malte der junge Künstler tieftonig,
farbiges Grau; er hatte schon damals die souveraine
Behandlung der Technik, eine spielende Ueberwindung
der Schwierigkeiten in der Pinselführung, die ihn
immer auszeichnete. Dann lernte er Lenbach kennen,
der in altmeisterlichem Sinne auf ihn einwirkte.
Zügel quälte sich sehr, den braunen Ton in seine
Bilder zu bekommen, aber dieser Einfluß wirkte nicht
günstig auf sein urwüchsiges Naturell; seine Bilder-
erschienen damals rußig und schwer. „Eine Heerde
beim Gewitter an einer Felswand" ist ein Beispiel
aus dieser zweiten Periode; besagtes Gemälde befindet
sich, wenn ich nicht irre, in der New-Horker Gallerte.
Gemalt waren diese Bilder trotzdem vorzüglich, auch
läßt sich hier nicht lediglich von Nachahmung
sprechen, dazu war Zügel stets zu selbstständig.
Nach und nach machte sich der Maler von
dem „Gallerieton" wieder los, um sich als einer der
Ersten den koloristischen Prinzipien, der Moderne
anzuschließen. Die unmittelbare Anschauung lag ja
schon in der Richtung seines so frischen Talents be-
gründet und sie leuchtete fortan aus seinen Bildern
heraus mit einem Luftton, einer Farbe, einem Glanze,
als athme die Natur selbst in seinen Malereien.

Man kann in Folge dessen Zügel dreist den größten
Thiermaler in Deutschland nennen; die Anerkennung,
die ihm bei uns gezollt wird, entspricht aber noch
keineswegs dem wirklichen Verdienst, wäre er als
Franzose geboren, würde wohl öfter betont werden,
daß es wenige seines Gleichen giebt und gegeben hat.
Zügel „zeichnet" mit jedem Pinselstrich. Der
Laie hat keine Ahnung davon, wie schwer gerade
diese scheinbar flüchtige Malweise ist. Das vermag
nur ein Künstler, welcher sich über jeden Pinselstrich
Rechenschaft ablegt und so virtuos wie er die Technik
beherrscht, wenn aber eine Arbeit ihn nicht völlig
befriedigt, wenn er nicht die Reberzeugung hat, sein
Bestmöglichstes gegeben zu haben, kratzt er die Farben
wieder weg oder er stellt das Bild unvollendet in
die Ecke. Zn solcher Selbstkritik unterscheidet sich
der echte Künstler vom Handwerker. Seinen Schülern
prägt er noch manches Andere als Richtschnur ein.
So heißt er sie, bei aller Anerkennung des Musters
der Alten, mit den eigene:: Augen sehen. So schwierig
dieses selbstständige Sehen auch ist, hängt doch davon
der Fortschritt der modernen Kunst überhaupt ab.
Für den Thiermaler, der das weidende Vieh meist
in der Landschaft, weniger oft im Stalle, malt, be-
deutet natürlich die sog. Pleinairmalerei ungemein
viel, und wenn Zügel leuchtende Sonnenflecke und
bunte Farbenreflexe auf die Leinwand bringt, kümmert
ihn das mangelnde Verständniß jener Leute nicht,
welche an den Ochsen niemals „blaue Flecke" oder
den Himmel „nie so gefärbt" gesehen haben wie auf
seinen Gemälden. Zügel's Schafbilder sind wohl
sein Bestes, doch frappant wirken auch seine Ziegen,
Rinder ro. im Halbdunkel des Stalles oder inmitten
sonniger Landschaft, auf freier Wiese oder am
Waldessaum. . . .
An der Münchener Akademie ist man ihm seit
seiner Berufung außerordentlich entgegengekommen.
Seinem Wunsche gemäß wurde in dem Garten der
Akademie ein eigenes, glasbedecktes Atelier mit Schaf-
ställen errichtet, das seinen Schülern pleinairstudien
unter schützendem Dach auch bei Winterkälte gestattet.
Zur Sommerszeit weilt Zügel mit ihnen gewöhnlich
in Wörth an: Rhein, dort unter freiem Himmel
seiner Kunst — lehrend und beobachtend — mit nicht
rastendem Eifer ergeben.
Aphorismen.
von Paul Nikolaus Lossmann.H
Man ist nicht eine Mdividuakität, weik man mit -Ändern
uneins, sondern weit man mit sich eins ist.
d
Äuf allen Gerieten des Meinens gieKt es zwei Haupt-
koterien: die eine verehrt akte (vorurtheike, die andere neue.
*) München 18I8. Carl Haushälter Verlagsbuchhandlung.
 
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