Die A u n st - Lf a l l e
Nr. s3
Line Anzahl jüngerer wiener Künstler hat neuer-
dings im Kunstverein ausgestellt. Die Kollektion hat
wenig gemeinsame Gesichtspunkte; es sind saft durchweg
schöne Talente, welchen wir hier begegnen. Das Land-
schaftliche überwiegt, wie fast überall. Alfred Zoff scheint
der Originellste zu fein; freilich oft roh hingehauen; aber
fein beobachtete Wolkengebilde; einige Wieser: mit Baum-
grnxxen sind sehr schön gesehen. Auch peinr. Tome weiß
mit gutem Blicke einen Naturausschnitt zu erfassen und zu
beseelen; Bergabhang und perbstwald sind solche Bilder.
Verwandt mit ihm scheinen die Ackerlandschaften von Rudolf
Konaxa, die wohl Pariser Schulung erraten lassen und
einzelnes Vorzügliches bieten. Auch das Flußufer, das frei-
lich etwas weichlich gemalt, fei erwähnt. Ungemein pikant
ist auch das Genrebild von Germela. Lin alter Offizier
geht mit einer kaum dein Backfischalter entwachseneil
hübschen Dame durch die regendunstige, durch die Bogen-
lampen vor den Schaufenstern glitzernde Straße. Freilich
könnten auch da Vorbilder zitirt werden. Liebevoll
ausgeführte Genrebilder sind der Volksgarten und der
Nürnberger Markt von Geller; das Reinmalerische ist hier
auch nicht hinter dem Stofflichen vernachlässigt. Walter
Pampels Fabelwesen lassen uns an die erste Zeile des
Lorleyliedes denken; malerisch scheint er theils von Boecklin,
theils von den primitiven inspirirt. Pippich führt uns auf
das Gebiet der Arbeit; feine Kanalbauten zeigen recht
hübsche Details. Kasparides' Kircheninterieur wirkt un-
ruhig durch die geschmacklose Pracht der Altäre dieses
ländlichen Gotteshauses. Viel interessanter sind die land-
schaftlichen Aquarelle aus den: Prater, die sehr gut find.
Von Franz Thiele sehen wir eine Südländerin mit ihren:
Kind auf den: Arme. Lin Sonnenrefler spielt auf ihren:
entblößten palse; ein recht anmnthiges Bild. Bedeutender
find die Sachen von Ld. Veith. Lr ist vor allen: Zeichner.
Seine vielfachen Aktftudien zeigen oft recht schwierige
Probleme, die er mit viel respektablen: Können löst. Veiths
Frauenköpfe wirken durch die zeichnerischen (Qualitäten vor-
züglich; als Pinselfiihrer will er uns bei weitem viel
weniger interessant erscheinen. Von Bamberger, Ameseder
und Strecker sind auch recht tüchtige Sachen da, die jedoch
zur einzelnen Besprechung eine Veranlassung nicht bieten.
Jin Ganzen also sehen wir in dieser Kollektion Jung-
wiens viel tüchtiges Können; nichts, was uns sonderlich
begeistert, aber auch nichts, von dem wir uns kopfschüttelnd
abwenden. — Aug. peyn (München) bringt ein tüchtiges,
vielleicht etwas nüchternes portrait des berühmten Augen-
arztes perzog Larl Theodor, Rich. Scholz eine Kollektion
Damenportraits, mit viel Lsprit hingemalt. In den perren-
bildnissen begegnen wir aber auch tieferer Auffassung und
Beseelung. In der Luitpold gruppe ist einiges dazugekom-
men. Von L. Lorinth eine Lebensfreude. Die sieben ans ver-
hältnismäßig kleinem Raun: zusammengeengten Köpfe er-
scheinen uns gezwungen, wie die „Lebensfreude" auf ihren
Gesichtern, die alles Dionysische entbehrt. — Karl Marr-
Hat eine vorzügliche Aktstudie gesandt; ganz prächtig ist auf
dem einen Frauenportrait die Wehmut gegeben. Walter
Firles sonst reizvolle peilige Familie schwelgt etwas in
Violett; von w. Thor ein farbenschönes Pnndeportrait;
schließlich ein neuer Defregger „Kartenspieler". Der dnnnne
Bua und das gescheidtere Madl in gewohnter, glücklicher
Komposition. Ludwig Dill hat in der „Sezession" zwei
neue Bilder eingereiht: Birken und Schneeschmelze; beide
ungemein fein in: Ton und trefflich in der Zeichnung.
Pans B. Wieland hat sehr tüchtige Schneestudien aus-
gestellt. Auch der Lntwurf der Tanzkarte des vorblickenden
Ballfestes „(909" ist sehr flott und lustig hingestrichen.
Keller-Reutlingens sonnenbeschienene „weidenbäume" seien
auch besonders hervorgehoben. — In den „vereinigten
Werkstätten" sehen wir seit einigen Tagen aust Bilder.
Die Farbstiftzeichnungen von Linilie Mediz-Pelikan künden
ein hohes zeichnerisches Können und poetische Auffassung.
Die Dresdner Künstlerin sieht sehr im Detail. So fesselt
sie oft ein einzelner Baun: mehr, als die ganze Landschaft.
Für Felsen ist ihre Kunst zu weich. Aus Istrien und der
Umgegend von Llbflorenz holt sie ihre Stoffe. Auch im
Figürlichen ist sie zu Pause, wie reizvoll diese knosxenhafte
junge Engländerin; diese Frau aus der perzegowina und
andere mehr. Line durchweg erfreuliche Erscheinung. Die
sonstigen Bilder in den Vereinigten Werkstätten sind uns
weniger sympathisch. Die Kunst nimmt hier Rücksicht auf
das Knnstgewerbe, dem sie sich unterordnet.
G
Äue Weimar.
in recht anregendes Ereignis für die hiesige Kunst-
gemeinde ist die Hierselbst in der „Ständigen Aus-
stellung" gebotene Vorführung von Lithographien, Radi-
rungen und Zeichnungen aller Art des Karlsruher
K iinstlerbunde s. Sind anch nicht alle ausgestellten Sachen
einwandsfrei, so überwiegen doch die Werke von künstlerisch
bedeutender Art. Die in wenigen dezenten Tönen gehaltenen
Steinzeichnungen von p. v. Volkmann wirken namentlich
sehr fein und stimmungsvoll, ebenfo die in mehreren Hellen
Farben gezeichneten flotten Blätter derselben Technik von
Kallmorgen. weiteres darüber vielleicht ein nächstes Mal.
Lin hübsches Zusammentreffen war es, daß eine Ab-
ordnung der hier ausstellenden Karlsruher perren, nämlich
Graf Kalkreuth und Prof. Larlos Grethe, die bekanntlich
jetzt nach Stuttgart übersiedeln, sowie p. v. Volkmann,
Euler, Biese, Pein und der feine Radierer von Thierstücken,
Fikentscher, den hiesigen Künstlern einen mehrtägigen Be-
such abstattete, als noch das Weimarer Kiinstlerhaus von:
Festesrauschen des diesjährigen Winter-Künstlerfestes
wiederhallte und in den in eigenartigem Zauber prangenden
Räumen desselben die wertsten Gäste von einer frohen
Künstlergesellschaft mit Weiblein und Mägdlein geziemend
bewillkommnet werden konnten. Schade nur, daß sie bereits
alle — diese böse Sieben — in pyinens Ketten gefesselt
sind: so seufzten die Mütter. Gleichwohl war es auch für-
gewiegte Kenner nicht leicht, diesen Thatbestand zu er-
kennen, während der Polländerinnen, der Nixen und Ja-
panerinnen reicher Flor sich um der sieben Fremdlinge
Autogramm auf Fächern und Ansichtskarten förmlich riß
und die in liebenswürdiger Gewährung Unermüdlichen be-
drängte! — Originell war die dem Fest zu Grunde liegende
Idee, verschiedene Räumlichkeiten des Künstlerhauses in
den Naupttönen der Palette zu beleben und gemäß den:
Titel des Festes „Palette und Leier" noch einige Räume
für Oper, Gesang und Vortragskunst zu ersibrigen. Von:
holländischen „braunen" Markt mit den: großen, sehr echt
wirkenden, von p. w. Schmidt gemalten ^-tadt-prcqpekt
nnd der sich anschließenden unverfälschten Garküche der
Frau Professor Pagen gelangte inan mit einein 8ul:o