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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 16
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Furtwängler, Adolf: Ueber Museen in neuer Zeit
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Galland, Georg: Zur Eröffnung der Grossen Berliner Kunstausstellung 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0281

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Nr. s6

2fl3

2ur Eröffnung der grossen
berliner Kunstausstellung isoo

wo modernes Leben ist. Ls mögen auf private wie
staatliche Initiative möglichst viele, häufig wechselnde
Ausstellungen von modernen Schöpfungen zum Stu-
dium und zur Anregung veranstaltet werden. Aber
in die monumentalen Museen, die Bewahrer des
Alten, gehört das Lebende nicht; sie haben sich dahin
nur verirrt als in die einzigen Asyle der Kunst in
einer Zeit, die von einer praktischen Verwendung
jener so wenig wissen wollte. And dazu kam die
moderne Theorie von der Zwecklosigkeit der Runst.
Von der haben die gesunden klassischen Zeiten nichts
gewußt; die haben ihre Runstwerke alle sür feste
Zwecke geschaffen. Solche gebe man unseren Künst-
lern wieder! Und Gemeinde und Staat helfe der
lebenden Runst, nicht indem sie für Museen kaufen
und zu den Todten hängen, sondern indem sie leben-
dige Ausgaben verschaffen! Und an solchen wird
kein Mangel sein, wenn man sie mehr suchen wird.
Marun: sind die Rirchen, die Rirchhöfe, die Mandel-
gänge und Lrholungsräume der Theater, die Ronzert-
säle, die Marteräume der Lisenbahnen, die Lesehallen,
die öffentlichen Bäder, die Gerichtsgebäude, kurz all
die Plätze, wo das öffentliche Leben pulsirt, nicht
voll von neuen Kunstwerken? Merken, die inan in
Zwischenräumen zum Theil wechseln, austauschen
könnte, um die Aufmerksamkeit immer neu zu fesseln?
Die Losung der Zukunft soll sein: Freude an
frischer, lebendiger Runst und unmittelbare, vielseitigste
Beschäftigung für sie — Lhrfurcht, liebevolles Ver-
stehen und pflegen den Merken der Vergangenheit!

nter großer und lebhafter Betheiligung der
Runstkreise, wenn auch nicht von des
Metters Gunst begleitet, wurde der dies-
jährige Berliner „Salon" im Moabiter Landesaus-
stellungsgebäude in der üblichen Meise durch Rede,
Raiserhoch und Militärmusik festlich eröffnet. Mar
Koner, der mit Paul Meyerheim den verantwortungs-
vollen Vorsitz in der Ausstellungskonunisfion hatte,
faßte sich in seiner Rede sehr kurz und begnügte sich,
gewisse bekannte Vorgänge, die höchst unzeitgemäß zu
einer Spaltung der heimischen Rünstlerschaft führten,
duldsam zu berühren. Gewiß ist es richtig, was er
sagte, daß alte und neue Richtungen, ohne sich gegen-
seitig im Lichte zu stehen, gemeinsam ausstellen können.
Aber das ist es ja gerade, was die ehrgeizigen Leute
dieser „Sezession" offenbar nicht wollten, sie wollten
nicht länger eine Gemeinsamkeit, die ihnen nach ihrer
Meinung nicht genug Vortheil zu bringen schien.

sind weitere Ausblicke wohl gestattet — erkennen,
daß alle Rulturnationen ein gemeinsames Interesse
an der verlorenen Runstwelt haben, daß diese allen
denen gemeinsam gehört, die sie sich geistig zu eigen
aemacht haben. Dann wird man vielleicht auf dein
Mege internationaler Vereinbarung dahin kommen,
den Lokalmuseen zu ihrem vollen Rechte zu verhelfen,
d. h. die Runstwerke, welche die letzten Jahrhunderte
so willkürlich durch die ganze Welt zerstreut haben,
wieder so viel wie möglich an die Orte zurück zu
versammeln, aus denen sie ursprüngllch hervorgegangen
waren. Den Anstoß hierzu könnte wohl die That
fache geben, daß in den klassischen Ländern Italien
und Griechenland weder die vorhandenen materiellen
noch geistigen Kräfte ausreichen, um allein die un-
geheure Pflicht zu tragen, welche ihnen die bsinter-
lassenschaft des Alterthums auflädt. Die Kunst-
wissenschaft und die Museen in diesen Ländern sollten
von den Kulturnationen gemeinsam betrieben und
geleitet, und die ihnen im Laufe der Zeiten ent-
führten Kunstwerke wieder zurückerftattet werden,
wie viel zerrissene Glieder würden sich dann wieder
zusammenfinden zu neuen herrlichen Leibern! — Indeß
der Gedanke ist nicht einmal ganz neu: Zu Anfang
des Jahrhunderts, als gewaltige Umwälzungen den
Boden für kühne Pläne geebnet, trug sich König
Ludwig I. von Bayern als Kronprinz mit der
großen Idee, alle von Napoleon nach Paris ge-
schleppten Kunstwerke nach Rom zu schaffen, um sie
dort in einen: europäischen Museum unter dem Schutze
der vereinigten Mächte aufzustellen. Ob uns das
folgende Jahrhundert solche internationale Museen
an den klassischen Stätten bringen wird? -— Illuch
unserem Vaterlande wäre es aber zu wünschen, wenn
es die heimischen und ihn: entführten alten Kunst-
werke einst wieder in neuen lebendigen Lokalmuseen
würde vereinigen können!
Noch Lines, ehe wir schließen: es giebt eine dritte
Art von öffentlichen Kunstmuseen, die wir bisher
nicht erwähnt, die der modernen, der lebenden Kunst
gewidmeten. Von ihnen hoffen wir, daß sie im
kommenden Jahrhundert verschwinden mögen; und
wir wünschen es nicht aus Mißgunst gegen die leben-
dige Kunst, sondern weil wir sie lieben. Sind jene
Museen in unseren: Jahrhundert doch nur durch die-
jenigen Zustände möglich geworden, die einer leben-
digen Kunst feindlich sind. Die Museen sind die Orte
für die erstorbene, die todte Kunst, in deren Reste
wir uns dort wieder mühsam hineinleben müssen.
Mas in den Museen hängt, ist zunächst hier als
wissenschaftliches Studienobjekt, zu dessen Verständniß
wir durch Forschung im Vergangenen uns den Meg
bahnen müssen. Die moderne Kunst sollte nicht
wünschen, schon zu Lebzeiten behandelt zu werden
wie das Alte. Die Reste des Vergangenen müssen
wir ja auf die Kaufen aufstapeln, die wir Museen
nennen, das moderne Lebendige soll sich da vertheilen,

4- D : r K 2 nst - alle -z-
 
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