Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

DOI Heft:
Nummer 16
DOI Artikel:
Furtwängler, Adolf: Ueber Museen in neuer Zeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0280

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2H2 >——Die Kunst-Halle -k-— Nr. f6

elastisch biegen läßt, wie gerade die Kunstwerke es
verlangen. Je mehr Freiheit, je mehr Möglichkeiten
ein Bau der Aufstellung und auch ihrer Veränderung
läßt, desto besser wird er sein. Man wird von losen,
verschiebbaren Zwischenwänden mit Vortheil Gebrauch
machen und vor Allem die Ginrichtungen alle so
treffen, daß nur der Ton, der von dem Kunstwerke
selbst ausgeht, mächtig an unser Ohr dringt und alle
Umgebung nur leise begleitend mittönt.
Insbesondere ist auch die Degradation des Kunst-
werkes durch dekorative Benutzung desselben zu ver-
meiden. Das schlimmste ist, wenn die alten Werke
nur zur Dekoration der neuen Bäume herabgewürdigt
werden, oder wenn man in Museen die Art der
Aufstellung imitirt, welche die Werke oft in den mit
Teppichen und Hausrath überladenen Wohnungen
der Hrivatsammler gefunden haben.
Und jedes wahrhaft gute Kunstwerk muß möglichst
isolirt werden- man muß es ihm gönnen, daß es
allein zu Wort kommt, da es sonst nicht verstanden
werden kann. Auch dies ist natürlich in unsern
Magazinpalästen ganz undurchführbar. Man braucht
Baum, weiten losen Baum, den der Aufftellende sich
ganz nach Bedürfniß umgrenzen kann.
Allein neben jenen wahrhaft guten und großen
alten Kunstwerken giebt es die Masse von geringen,
die doch auch wichtig sind, weil sie uns jene ver-
stehen helfen; aber man wird sie nicht aufftellen wie
jene. Alan wird in den Museen durchaus eine
scharfe Trennung einführen müssen zwischen dein Be-
deutenden und dem Geringen. Daß man dies bisher
zu wenig gethan, hat eben so manchen feiner Em-
pfindenden zum Feiiide aller Museen gemacht. Das
Gute soll alles einzeln, isolirt den: ungestörten Ge-
nüße dargeboten werden, das Geringe aber muß,
von jenem getrennt, in Gruppen wissenschaftlich ge-
ordnet, als übersichtliches und leicht zugängliches
Studienmaterial sich darstellen. Gleich verkehrt ist
es, das Gute durch Vermischung mit dein Geringen
zu erdrücken, wie das Geringere ganz zu verbannen
und in dunklen Magazinen verkommen zu lassen; ver-
kehrt auch das neuerdings vielfach beliebte Verfahren,
das Geringere aus den großen Zentralmuseen aus-
zusondern und den kleineren Hrovinzialsammlungen
zuzuweisen; denn in letzteren können solch heraus-
gerissene Stücke meist gar nichts nützen, indem sie
unverstanden bleiben müssen, während sie dort erst
ihre Bedeutung erhalten durch den Zusammenhang,
in den: sie stehen und dessen ungestörte Anschauung
für das wissenschaftliche Verständniß unentbehrlich ist.
Jene Sonderung des Inhalts der Museen in
zwei verschieden zu behandelnde Theile kann aber
nur vou eindringendem, tiefem Verständniß der Werke
ausgehen. Es ist eine der wichtigsten Errungenschaften
in der Geschichte der Museen in diesen: Jahrhundert,
daß man die Leitung derselben allmälich fast all-
gemein aus der Hand von Dilettanten in die von

Kunstgelehrtei: gelegt hat. Es ist ein Irrthun:, wenn
mail oft geglaubt hat, das wisse,: und das künst-
lerische Empfinden schließe sich aus, während sie sich
gegenseitig nur ergänzen und helfe,:. Nur das wisse::
allein kann zum wirklichen verstehe,: führen. And
das verstehende Kunstempfinden wird um so tiefer
sein, je mehr die nothwendige Vorstufe des wissens
überwunden, je freier dadurch die Aussicht ist. Den:
Kunstgelehrtei: ist das köstlichste Resultat seiner Arbeit
die volle, reine Empfindung des Kunstwerks. Die
Museei: nun müssen immer in: unmittelbarsten Kontakt
nut der Kunstwissenschaft stehen. Sie können nur
richtig geordnet, genieß- und benutzbar gemacht
werde::, wem: unablässige wissenschaftliche Arbeit an
ihnen thätig ist. Die Zahl der wissenschaftlichen
Beamten ist an den meisten Museen, insbesondere
auch den große,: des Auslandes, noch viel zu klein,
so daß diese nicht entfernt der ihnen gestellten Auf-
gabe gewachsen sind. Die Zukunft wird sie bedeutend
vermehre::. Dann wird ein Theil derselbe:: der
Nutzbarmachung der Sammlungen auch - dadurch
dienen können, daß sie etwa ii: lebendigem münd-
lichen Vortrage die Dinge regelmäßig öffentlich er-
läutern, gleich den staatliche:: Eregeten in den Heilig-
thümern des Alterthums. Nur der ununterbrochene
Zusammenhang mit der Wissenschaft erhält ein
Muse::::: lebendig und auf der Höhe seiner Zeit.
Nur er kann verhüten, daß die Sammlungen durch
dilettantisches Durcheinanderwerfen, das nur auf
verständuißlosen, äußerlich dekorativen Aufbau sieht,
geschädigt werden.
Die wissenschaftliche Arbeit verlangt aber nicht
nur ihren: Fortschreiten stetig entsprechende Minde-
rungen der Anordnung und Aufstellung, sondern auch
ebenso stetige Ergänzung und Erweiterung der
Sammlung. Es sind erstarrte todte Museen, die auf
einen: Flecke stehen bleiben.
Die zwei Hauptarten von Sanunlungen werden
nut der Zeit sich wohl noch schärfer trennen als
bisher: die Lokalmuseen im weitesten Sinne, als die
an den Arsprungsorten der Denkmäler befindlichen,
deren Inhalt nicht durch freie Wahl, sondern durch
die Hflicht bestimmt wird, das aufzunehmen, was an
den: Orte sich erhalten hat. And dann jene örtlich
nicht bedingten allgemeinen Museen, welche eine
freie Auswahl von Kunstwerken aus allen Gegenden
vereinigen, um an ihnen die Hauptepochen der Kunst-
geschichte zu verdeutlichen. Ohne Nachbildungen
können diese letzteren Museen ihren Zweck nicht er-
reichen, wenn sie sich nicht begnügen wollen, eine
ganz zufällige, durch örtliche Bedingungen nicht be-
gründete Auswahl von Originalen zu bieten. Diese
Museen nun werden vermutlich mit der Zeit immer
mehr auf Nachbilduugen angewiesen werden, und
jene Lokalmuseen werden an Kraft und Amfang
wachsen. Ja vielleicht wird man später — in der
Heriode der Abrüstungs- und Friedenskonferenzen
 
Annotationen