Die Kunst-Halle — 4.1898/1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0339
DOI Heft:
Nummer 19
DOI Artikel:Zeno: Münchener Betrachtungen
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Nr. f9
.—Die Aun st-Halle
295
so bin ich überzeugt, wirb Niemand, der das Bild gesehen,
es se vergessen können, besonders die dramatisch anfgefaßte
Gestalt des Saul nicht.
Aber selbst hier, wo Israels wohl etwas überschätzt
wird, gehen die Urtheile über sein neues Werk ziemlich aus-
einander. Bor allem ist auch dieses Bild ein echter Israels.
Für ihn ist es ja gleichgiltig, ob er holländische Fischer
oder einen Saul, einen David malt. Er wollte keins der
sogenannten Historienbilder schassen, sondern eine Leinwand,
in der er ganz und voll seine eigenthümliche Empfindungs-
weise zum Ausdruck bringen, also einen Israels sums pllra.86
geben konnte. Die Figuren sind fast lebensgroß.
wenn nun die Linen die Malerei in den Pimmel er-
heben, sagen Andere im abfälligen Tone: das sei wohl
eine in Lumpen gehüllte Gesellschaft und entspräche im
Kostüm in keiner weise dem biblischen Gegenstände. Doch
dasselbe könnte man bekanntlich auch von den Bildern
vieler Modernen, in Deutschland von Khde, Slevogt u. A.,
sagen — und Israels ist ja eins ihrer Muster, einer ihrer
anerkannten Senioren. Uebrigens kam mir beim Anschauen
der besagten Leinwand der kleine Jesus im Tempel von
Ad. Menzel ins Gedächtniß. Es ist in der That etwas von
der Auffassung Menzels darin, obschon dessen scharfe
Eharakteristik hier fehlt . . .
Schade, daß fast niemals etwas Bedeutendes von
Deutschland hierher gesandt wird. Nächstens wird aber-
mals die hiesige Iahresausstellung eröffnet, zu der auch an
auswärtige Künstler Einladungen verschickt wurden. In
Folge der entsetzlichen Lhristusgestalten, die ein Münchener
Kunsthändler von namhaften Malern kürzlich auch in
Amsterdam öffentlich zeigte, haben die Holländer erst recht
eine schlechte Meinung von den deutschen Künstlern er-
halten. Da waren jene doch viel klüger, als sie es z. Zt.
ablehnten, für denselben perrn einen holländischen Lhristus
zu malen, offenbar weil sie die sonst wohl unausbleibliche
Blamage voraussahen. Man hatte hier nur ein mitleidiges
Lächeln für die ausgestellten Lhristusbilder und mit Recht,
denn jedes einzelne war in seiner weise verfehlt.
Bielleicht interefsirt es schließlich ihre Leser, daß pos-
rath Ruland in Weimar wiederum einige Blätter Radi-
rungen von Schülern der hiesigen Akademie der bildenden
Künste, die unter Rud. Stangs Leitung arbeiten, für das
Mrtzeum an der Ilm angekauft hat. Es ist das ein sehr
erfreuliches Zeichen der Anerkennung und der hiesigen
künstlerischen Erfolge auf dem Gebiete der graphischen
Künste." X. p. A
fNüycsteyei-
HekrachkuyZei).
in gelegentlicher Mitarbeiter schreibt uns aus
München:
Gestatten Sie, perr Redakteur, meine Verwunderung
darüber auszudrücken, daß eigentlich kein Berliner Blatt,
selbst die „Kunsthalle" nicht, die hier erfreulicherweise seit
einiger Zeit größere Beachtung findet, zu dem vielberufenen
Wandbilde von Prof. F. Stuck kritisch Stellung genommen
hat, obwohl die Vorführung der Malerei im Berliner
„Künstlerhause" doch wohl den Zweck einer Prüfung ver-
binden sollte. Diese Zurückhaltung hat hier, wenigstens in
den Kreisen, wo nicht jeder Pinselstrich unseres im klebrigen
so fürtrefflichen und verehrten Zentaurophilen Stuck als
die reine Offenbarung gilt, keinen hohen Begriff von dem
Ernst der Berliner Kritik und ihren Aufgaben verschafft.
Was ist dem: so Schlimmes dabei, wenn man selbst dem
verwöhntesten der hiesigen Künstler einmal gründlich die
Wahrheit unter die geehrte Nase reibt, ihm sagt: Theurer
Franz, Du hast Deine Aufgabe dieses Mal ziemlich schlecht
und oberflächlich gelöst? pat dann der Taumel, in den
die unqualifizirte Form des Oc. Lieberschen llrtheils eine
gewisse Künstlerxarthei und die mit ihr verbündete presse
versetzte, jede wahrheitsemxfindung schon abgetödtet? Oder
ist die Bielen unbequeme Erfindung der Wahrheit allein
dazu da, um sie den bösen „Alten" und zwar so unge-
schminkt wie nur möglich zu sagen, während sie den braven
„Modernen" gegenüber als beleidigende Perausforderung
und reaktionäre Gesinnung gilt. Die Feigheit hat heutzu-
tage an letzterem Umstand sicherlich das Meiste verschuldet.
Uebrigens rechne ich unsern erfolgreichen Stuck keines-
keineswegs sarm pllrass zu den Modernen. Im Gegen-
theil, er steht den Böcklin und Lenbach künstlerisch weit
näher, als etwa denen um Dill. Unsern Tadel als par-
teilich aufzufafsen, wird daher kein Ernsthafter versuchen,
und zum Glück kann der Getadelte auch selbst auf Grund
feiner Leistungen die schärfste Be- und Berurtheilung
eines einzelnen Werkes ganz kaltblütig hinnehmen . . .
Um es kurz zu sagen: für mich ist diese sog. „Jagd nach
dem Glück" — eii: schöner Titel für eine sehr unbedeutende
Sache — das Produkt ziemlich gewöhnlicher Dekorations-
malerei. Ja, es macht den Eindruck, als wenn das auf
weißem und blauen: Fond verschwenderisch ausgeführte
Rankenwerk modern - Münchener „Sxätgothik" eher noch
die freilich gewöhnlich viel feinere pand Jos. Rösls,
des Zeichners des Titelrahmens Ihrer „Kunst-Palle", als
die des vielbeschäftigten, zu derartiger rein ornamentaler
Liniengymnastik kaum kapablen Prof. Stuck verräth. Jeden-
falls beträgt diese Ornamentik schon etwa vier Fünftel der
ganzen Leinwand, und die sieben roh hineingemalten
Figuren nebst elf grell-bunten Städtewappen stehen im
Geschmack eher noch unter als über dem stilisirten pinter-
grund. wenn auch wohl in dem Kopfe der seltsamen
nackte:: Fortuna der Stempel des Meisters und in den
hastig bewegten Gestalten seine derb zugreifende Art sich
offenbart, so kann man doch die Ansicht nicht verschweigen,
daß Jeder auf einen: Kunstgewerbemuseum oder in tüchtiger
Praxis ausgebildete Dekorationsmaler das Alles ebenso
gut oder vielleicht sogar noch besser gemacht hätte . . .
Also in der Sache scheinen mir die perren Reichsboten
ebensosehr in: Recht, wie sie sich in der Form ihres
Urtheils gegenüber einem unserer besten Maler damals
leider vergriffen haben.
Beliebt scheint für Künstler jetzt immer mehr die
„Flucht in die Oeffentlichkeit" durch Perausgabe von
Broschüren. Eine solche hat kürzlich auch Prof. Ehristof
Roth, der durch seine plastisch-anatomischen Kunstvorlagen
noch bekannter wie als schöpferischer Bildhauer ist, gegen
die offizielle Münchener Kunstpflege verfaßt. Aus Kunst-
druckpapier hergestellt, mit guten autotyxischen Illustrationen
geschmückt, macht das grüne geschmackvolle peftchen äußer-
.—Die Aun st-Halle
295
so bin ich überzeugt, wirb Niemand, der das Bild gesehen,
es se vergessen können, besonders die dramatisch anfgefaßte
Gestalt des Saul nicht.
Aber selbst hier, wo Israels wohl etwas überschätzt
wird, gehen die Urtheile über sein neues Werk ziemlich aus-
einander. Bor allem ist auch dieses Bild ein echter Israels.
Für ihn ist es ja gleichgiltig, ob er holländische Fischer
oder einen Saul, einen David malt. Er wollte keins der
sogenannten Historienbilder schassen, sondern eine Leinwand,
in der er ganz und voll seine eigenthümliche Empfindungs-
weise zum Ausdruck bringen, also einen Israels sums pllra.86
geben konnte. Die Figuren sind fast lebensgroß.
wenn nun die Linen die Malerei in den Pimmel er-
heben, sagen Andere im abfälligen Tone: das sei wohl
eine in Lumpen gehüllte Gesellschaft und entspräche im
Kostüm in keiner weise dem biblischen Gegenstände. Doch
dasselbe könnte man bekanntlich auch von den Bildern
vieler Modernen, in Deutschland von Khde, Slevogt u. A.,
sagen — und Israels ist ja eins ihrer Muster, einer ihrer
anerkannten Senioren. Uebrigens kam mir beim Anschauen
der besagten Leinwand der kleine Jesus im Tempel von
Ad. Menzel ins Gedächtniß. Es ist in der That etwas von
der Auffassung Menzels darin, obschon dessen scharfe
Eharakteristik hier fehlt . . .
Schade, daß fast niemals etwas Bedeutendes von
Deutschland hierher gesandt wird. Nächstens wird aber-
mals die hiesige Iahresausstellung eröffnet, zu der auch an
auswärtige Künstler Einladungen verschickt wurden. In
Folge der entsetzlichen Lhristusgestalten, die ein Münchener
Kunsthändler von namhaften Malern kürzlich auch in
Amsterdam öffentlich zeigte, haben die Holländer erst recht
eine schlechte Meinung von den deutschen Künstlern er-
halten. Da waren jene doch viel klüger, als sie es z. Zt.
ablehnten, für denselben perrn einen holländischen Lhristus
zu malen, offenbar weil sie die sonst wohl unausbleibliche
Blamage voraussahen. Man hatte hier nur ein mitleidiges
Lächeln für die ausgestellten Lhristusbilder und mit Recht,
denn jedes einzelne war in seiner weise verfehlt.
Bielleicht interefsirt es schließlich ihre Leser, daß pos-
rath Ruland in Weimar wiederum einige Blätter Radi-
rungen von Schülern der hiesigen Akademie der bildenden
Künste, die unter Rud. Stangs Leitung arbeiten, für das
Mrtzeum an der Ilm angekauft hat. Es ist das ein sehr
erfreuliches Zeichen der Anerkennung und der hiesigen
künstlerischen Erfolge auf dem Gebiete der graphischen
Künste." X. p. A
fNüycsteyei-
HekrachkuyZei).
in gelegentlicher Mitarbeiter schreibt uns aus
München:
Gestatten Sie, perr Redakteur, meine Verwunderung
darüber auszudrücken, daß eigentlich kein Berliner Blatt,
selbst die „Kunsthalle" nicht, die hier erfreulicherweise seit
einiger Zeit größere Beachtung findet, zu dem vielberufenen
Wandbilde von Prof. F. Stuck kritisch Stellung genommen
hat, obwohl die Vorführung der Malerei im Berliner
„Künstlerhause" doch wohl den Zweck einer Prüfung ver-
binden sollte. Diese Zurückhaltung hat hier, wenigstens in
den Kreisen, wo nicht jeder Pinselstrich unseres im klebrigen
so fürtrefflichen und verehrten Zentaurophilen Stuck als
die reine Offenbarung gilt, keinen hohen Begriff von dem
Ernst der Berliner Kritik und ihren Aufgaben verschafft.
Was ist dem: so Schlimmes dabei, wenn man selbst dem
verwöhntesten der hiesigen Künstler einmal gründlich die
Wahrheit unter die geehrte Nase reibt, ihm sagt: Theurer
Franz, Du hast Deine Aufgabe dieses Mal ziemlich schlecht
und oberflächlich gelöst? pat dann der Taumel, in den
die unqualifizirte Form des Oc. Lieberschen llrtheils eine
gewisse Künstlerxarthei und die mit ihr verbündete presse
versetzte, jede wahrheitsemxfindung schon abgetödtet? Oder
ist die Bielen unbequeme Erfindung der Wahrheit allein
dazu da, um sie den bösen „Alten" und zwar so unge-
schminkt wie nur möglich zu sagen, während sie den braven
„Modernen" gegenüber als beleidigende Perausforderung
und reaktionäre Gesinnung gilt. Die Feigheit hat heutzu-
tage an letzterem Umstand sicherlich das Meiste verschuldet.
Uebrigens rechne ich unsern erfolgreichen Stuck keines-
keineswegs sarm pllrass zu den Modernen. Im Gegen-
theil, er steht den Böcklin und Lenbach künstlerisch weit
näher, als etwa denen um Dill. Unsern Tadel als par-
teilich aufzufafsen, wird daher kein Ernsthafter versuchen,
und zum Glück kann der Getadelte auch selbst auf Grund
feiner Leistungen die schärfste Be- und Berurtheilung
eines einzelnen Werkes ganz kaltblütig hinnehmen . . .
Um es kurz zu sagen: für mich ist diese sog. „Jagd nach
dem Glück" — eii: schöner Titel für eine sehr unbedeutende
Sache — das Produkt ziemlich gewöhnlicher Dekorations-
malerei. Ja, es macht den Eindruck, als wenn das auf
weißem und blauen: Fond verschwenderisch ausgeführte
Rankenwerk modern - Münchener „Sxätgothik" eher noch
die freilich gewöhnlich viel feinere pand Jos. Rösls,
des Zeichners des Titelrahmens Ihrer „Kunst-Palle", als
die des vielbeschäftigten, zu derartiger rein ornamentaler
Liniengymnastik kaum kapablen Prof. Stuck verräth. Jeden-
falls beträgt diese Ornamentik schon etwa vier Fünftel der
ganzen Leinwand, und die sieben roh hineingemalten
Figuren nebst elf grell-bunten Städtewappen stehen im
Geschmack eher noch unter als über dem stilisirten pinter-
grund. wenn auch wohl in dem Kopfe der seltsamen
nackte:: Fortuna der Stempel des Meisters und in den
hastig bewegten Gestalten seine derb zugreifende Art sich
offenbart, so kann man doch die Ansicht nicht verschweigen,
daß Jeder auf einen: Kunstgewerbemuseum oder in tüchtiger
Praxis ausgebildete Dekorationsmaler das Alles ebenso
gut oder vielleicht sogar noch besser gemacht hätte . . .
Also in der Sache scheinen mir die perren Reichsboten
ebensosehr in: Recht, wie sie sich in der Form ihres
Urtheils gegenüber einem unserer besten Maler damals
leider vergriffen haben.
Beliebt scheint für Künstler jetzt immer mehr die
„Flucht in die Oeffentlichkeit" durch Perausgabe von
Broschüren. Eine solche hat kürzlich auch Prof. Ehristof
Roth, der durch seine plastisch-anatomischen Kunstvorlagen
noch bekannter wie als schöpferischer Bildhauer ist, gegen
die offizielle Münchener Kunstpflege verfaßt. Aus Kunst-
druckpapier hergestellt, mit guten autotyxischen Illustrationen
geschmückt, macht das grüne geschmackvolle peftchen äußer-