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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 21
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Noch einmal: Kunst und Kritik
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0372

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32^

>—Die Aunst-Halle

Nr. 2s

gegangen ist. Wunderbar ist es, wie diese Angel
der Philosophie den Herren Kunstphilologen so ab-
handen gekommen ist. Was würde wohl Meister
Lionardo zu einem solchen Einfälle gesagt haben?
Kunst kommt von „Können" und das ist ein
Kriterium.
Derselbe Autor giebt in seinem Aufsatze die Ent-
deckung zum Besten, daß Herr Liebermann die „moderne
Kunst" geschaffen habe, obwohl er im selben Athem-
zuge ihn als den geschickten Eklektiker der französischen
Kunst hinstellt.
Lin Referent der Litteratur und Unterhaltungs-
blattes des „Hamburger Fremdenblattes" glaubt bei
der Besprechung meines Aufsatzes in der sogenannten
„Freilichtmalerei" die „moderne Kunst" zu finden.
Der Begriff der Freilichtmalerei ist eben ein unklarer
geworden.
Lehr hoch zu schätzen als ein Beweis gesunder
Entwickelung ist das Streben, außer Licht und
Dunkelheit, Form und Farbe auch die atmosphärische
Luft auf alle Gegenstände und die Wechselwirkung
derselben in der Malerei zum Ausdrucke zu bringen.
Es ist lange nicht mehr neu. Aber es ist heute freilich
bei Einzelnen lebhafter geworden. Diese bemühen
sich, Gegenstand in der Natur in freiem Lichte, um-
strahlt von allen Einwirkungen der Atmosphäre und
der in ihr stehenden Dinge darzustellen. Um dies
zu erreichen, müssen sie sich die Beschränkung auf-
erlegen, Alles auch in der freien Luft selbst zu
schaffen.
Das ist, zumal in unserem Klima, eine schwierige
Sache, aber ebenso unabweisbar, als wenn der nach
absoluter Wahrheit strebende Künstler im hohen Schnee
standhaft aushält, um den Eindruck der Natur mit
dem Hinsel festzuhalten, der im brausenden Sturme,
im Gespritze der Wellen, in starker Kälte sein Be-
hagen nicht achtet, um der Natur das abzuringen,
was ihn: zu Herzen geht. Ein solches Ringen nach
Wahrheit läßt sich aber nicht in ein System bringen.
Es ist jedes Einzelnen Sache und nicht bloß durch
Nachempsinden zu erreichen. Was im geschlossenen
Raume ist, kann wohl durch künstliches Licht zu
gesteigerter Helligkeit gebracht werden, wird aber
niemals den Eindruck dessen geben, was sich unter
freiem Himmel befindet. Wenn man nun glaubt,
aus solchem Streben ein Kunstschema machen zu
können und es gar, wie das in Düsseldorf im Werke
ist, in ein „akademisches Freilichtatelier" verlegen will,
so bedeutet das nur den Gipfel der Bequemlichkeit,
und die Bezeichnung ist einfach sinnlos.
Demgemäß ist die „Freilichtmalerei" kein Kriterium
für den von nur gesuchten Begriff des „Modernen",
welchen: jene Einrichtung augenscheinlich Konzessionen
machen will.
Der Autor des „Hamburger Fremdenblattes",
dessen Ausführungen ich nut vielem Interesse gelesen
habe, imputirt mir, daß ich den „Jungen" idealistische
Motive abspreche, das liegt mir durchaus fern.
Wohl habe ich geltend gemacht, daß jede ältere
Kunstanschauung perhorreszirt werde, obwohl doch
alles Heutige auf ihr beruhe.
Es kann sicher nicht als veraltet angesehen werden,
wenn der Maler seine Beobachtungen nut dem Auge
macht, mn sie im Geiste zu verarbeiten und dann
erst in Form und Farbe zu übersetzen.
Diese Art, welche ein sehr gründliches Dor-
studium voraussetzt, wird vielleicht nicht dieselbe
Frische und Ursprünglichkeit haben, wie die Natur-
studien, aber andererseits der Form und der eigenen

Empfindung des Künstlers mehr Rechnung tragen.
Wer wirklich die Form selbst gründlich studirt hat,
was vor der Erleichterung durch die Photographie
jedenfalls eingehender als jetzt geschah, wird dem
nicht widersprechen können. Gern will ich dem
Referenten im „Hainburger Fremdenblatt" Recht
geben, wenn er sagt: „Etwas stärker hätte Deiters die
Massenzüchtung der Künstler als Hauptursache der
traurigen wirthschaftlichen Derhältnisse betonen sollen.
Solche Massenzüchtung ruft nicht nur eine den idealen
Zielen der Kunst unwürdige praktische Konkurrenz
hervor, sondern befördert das Handwerkerthum in
der Kunst".
Das ist mehrfach in: Hreußischen Abgeordneten-
haus zur Sprache gebracht, hat aber das Interesse
des Herrn Ministers nicht gefunden, der ja seine
Informationen aus den Akademien bezieht.
Daß diese eine übertriebene Kunsterziehung nicht
zugeben werden, ist erklärlich, weil viele Lehrer
derselben sonst überflüssig, wenn nicht schädlich er-
scheinen könnten. So findet denn die Massenzüchtung
weiter statt. Was aus den Leuten wird, erscheint
gleichgültig, obwohl der Herr Minister die Ueber-
produktion daraus herleiten könnte, daß er gerade
von den Angestellten des Staates derart um Be-
schäftigung mit Kunst-Aufgaben angegangen wird,
daß er selbst nicht gern Auskunft darüber er-
theilen mag.
SerliN:
Srozse ^unztauzstellung isyy.
Don Bruno Meyer.

IV.
n das Genre müssen wohl, wenn sie nicht
unter die „idealen" Aufgaben gehören sollen,
auch die Aktstudien angeschlossen werden.
Ihrer sind wenige und dem Gedanken nach —
bei Dorwegnahme der „Idylle" von Llementz —
gar keine erheblichen. An die Spitze dürfte
die „Träumerei" von Rudolph Hirth du Fresne
(München) gehören. Die träumerisch im Walde
liegende, gut gezeichnete und modellirte Gestalt er-
weckt namentlich durch die geschmackvolle Zuthat zur
Seite spielender nackter Hutten Stimmung. Sehr
zierlich und weich ist die in wohlstudirter und daher
ganz natürlich wirkender Stellung eingeschlafene
„Hsyche" von Johanna Koch (Kannstatt). Wie kann
aber gerade eine Dame an dem durch den beigelegten
Namen in das Idealreich erhobenen Körper die
Strangulationsmarken der Kleidung um die Taille
des Modells beibehalten?! Anmuthig, besonders
durch die wohlige Gesammthaltung des Bildes, ist
Richard Hollaks (Hrag-Karolinenthal) „Nach dem
Bade"; während an der „Einsam", unter unmöglichen
Bäumen zwei schnäbelnde weiße Vögel — aber nicht
Tauben — Beobachtenden Haul Schads (München),
nur die sonnenbeglänzten Glieder gut sind. Kurt
Agthes (Berlin) „verschämtem" unreifen Fellah-
Mädchen mit dem Gegentheil von „Schnürtaille", bei
dem der wohl ausgesonnene Farbeneffekt etwas „vorbei-
gerathen" ist und Franz Haszkas (Berlin) „weiblichem
Akt" würde inan die Bemühung einer Enthüllung
gern geschenkt haben, zumal dieselbe zum Beschneiden
der Fingernägel (womit sich das letztere Modell be-
schäftigt!) wohl auch uicht unbedingt erforderlich sein
 
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