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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 23
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0412

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4- DieAunst-Halle

Nr. 23

Künstler überzeugend schildert. Gleich blutgierigen Bestien
stürzt die von dem kaiserlichen Bruder gedungene Meute
bewaffneter Prätorianer aus den Mitregenten Earacallas^
den die Mutter vergeblich mit ihrem Leibe zu schützen
sucht. Kraß und unschön wirkt bei den gegen die rothe
Wand des Saales gedrängten Uebersallenen allerdings der
Ausdruck starren Entsetzens. In diesem einen Punkte
ist das Problem zu grob, zu bedenklich im Geschmack einer
Kriminalroman-Illustration gelöst. In koloristischer Be-
ziehung dagegen ist auch die Zusammenstimmung der rothen
Töne der Malerei eine virtuose Leistung.
Im Pauptsaale begegnen wir außerdem zwei größeren
Gemälden von I. Besin, Szenen mit bulgarischen Bauern
beim Pflügen draußen aus ödem Felde und aus dem
städtischen Pserdemarkt im sonnenbelebten Gewimmel, voll
treuer Wiedergabe dieser gewöhnlichen Vorgänge, im Frei-
licht scharf beobachteter Menschen und Thiere und aller
örtlichen Ligenthümlichkeiten, auch nicht ohne koloristische
Fähigkeiten gernalt, aber geistig auf dem vergleichsweise
niedrigen Niveau von Erzeugnissen des Amateurphotographen
gehalten .... Sodann hastet unser Blick hier an einer
hoch aufgebauten idealen Stimmungslandschaft von auffällig
böcklinischem Gepräge, deren Autor w. pertling ist, und
an einem wohl älteren Frauenbildniß von G. Max, das,
von hinten gesehen, mit dem rothen Gewand und hell-
bräunlicher Karnation etwas frischer als die jüngsten Köpfe
des Meisters wirkt. Ausnahmsweise haben die Wände
des Saales dieses Mal den Schmuck von mehreren um-
fangreichen und ziemlich gut erhaltenen Gobelins aus dem
t?. und t8. Jahrhundert erhalten. Die Farben sind freilich
auf den älteren vlämischen Stücken stark verblichen, sodaß
man die auf Watteau zurückgeführten französischen Gewebe
besser zu würdigen vermag, als die der Werkstatt des
Rubens, die indeß als Kompositionen und in formaler
Pinsicht die ungleich schöneren sind.
Dem Freunde der historischen Kunst ist ferner in den
Rebensälen durch die Nachlaß-Ausstellung w. von Kaul
bachs eine angenehme Ueberraschung bereitet worden'
Da ist außer einigen größeren Kartons ein beträchtliches, au^
monumentale und illustrative Arbeiten bezügliches Studien-
material an Zeichnungen mit Feder, Bleistift und Kohle
und endlich eine flotfe, kleine Velskizze des „Thurmbaus
zu Babel" vorhanden, die heute wohl ohne Schwierigkeit
als fertiges Gemälde passiren würde. Line Kritik dieser
nach dem Grade der Ausführung ganz ungleichmäßigen
zeichnerischen Studien w. von Kaulbachs scheint mir, trotz
der hier gebotener: Gelegenheit, dexlazirt. Lin Jeder
kennt ja die persönliche Art des Meisters, die der Line
bewundert, der Andere manierirt findet. Niemand aber
wird den scharfen, denkenden, selbstbewußten Geist ver-
kennen, der auch in den geringfügigen Arbeiten dieser
Kollektion keine gewöhnliche Sprache redet, wenn sie auch
nirgends tiefere Empfindungen in uns heute mehr wach-
zurufen vermag. Ls genüge einfach, die Titel der nach-
gelassenen, wohl durchweg verkäuflichen Stücke zu nennen.
Große Blätter mit der „Seeschlacht zu Salamis", der
„Zerstörung Jerusalems", einer überladenen „Apotheose
Shakespeares", der „Begegnung Karls des Großen und
Wittekinds" wechseln mit den Kartons „der deutsche Michel"
„der König von Rom und der Tod", „der Papst und der
Tod", „die Jungfrau von Orleans", „Faust", „Venus"
in dekorativer Umrahmung) u. a. Stücken von zum Theil

tendenziösem oder parodistischen: Lharakter ab. Kleinere
Zeichnungen und Skizzen beziehen sich z. B. ans „Joseph
und Potiphar", „die Siegfriedsage", „eine Löwenjagd".
Man sieht, das Material dieses Nachlasses ist ziemlich
erheblich, und alle Verehrer von Zeichnungen des geist-
vollen Lorneliusschülers seien deshalb auf diese Ausstellung
im Künstlerhause nachdrücklichst hingewiesen.
2. -Nus -em Sakon Schutte.
vor Eröffnung der ersten Herbstausstellung hat Schultes
Salon den nach Berlin bereits zurückgekehrten Bruchtheil
seiner Stammgäste mit einer kleinen Veranstaltung im
voraus erfreut. Ls ist eine Bilderkollektion des Wieners
A. p. Schram, die den Pauptsaal der Räumlichkeiten
Unter den Linden erfüllt und in dem, was sie bietet,
gerade geeignet scheint, auf die Sinne solcher Besucher,
die zuvor in eleganten Badeorten Eindrücke von Luxus,
Schönheit und glänzender Fröhlichkeit in sich ausgenommen,
die zudem noch nicht recht die Sammlung und Stimmung
zu ruhiger, vertiefter Betrachtung, noch nicht die Auf-
nahmefähigkeit für ernste künstlerische Genüsse wieder-
gewonnen haben, freundlich und schmeichelnd einzuwirken.
Er ist der echte wiener Pinselführer, der die stolze, aber
nicht unnahbare, die fesche Frauengrazie seiner peimath
berückend zu geben, der als virtuoser Maler des leuchtenden
Fleisches oft zu bezaubern weiß, nicht zwar wie einst der
Titane Rubens durch die strotzende vlämische Gesundheit,
sondern als echter kultivirtester Epigone Makarts durch
blüthenhafte Zartheit des Teints, einer unter Einwirkung
raffinirter Schönheitsmittel geschmeidig gewordenen paut,
die mit den im hellsten Licht modellirten Formen des
Körpers und Antlitzes wie hingehaucht wirkt.
Außer bei einer Zahl weiblicher Studienköpfe und
kleiner, höchst subtiler Kostümgestalten, die als „Byzan-
tinerin", „Priesterin", „Täuzerin" u. s. w. figuriren, finde
' ich — neben den Porträts einiger vornehmer Damen —
Schrams frappante Wahrheit der Karnation am glück-
lichsten gelungen in der lebensgroßen, im Goldregen frei
bewegten Danaö, auch in einer als „Vanitas" bezeichneten,
ihren Handspiegel kokett befragenden jungen Römerin im
halbdurchsichtigen Gewände. Stärker kommt die dem Künstler
keineswegs mangelnde Kraft des Farbensinnes in der
„Nymphenrache" zum Ausdruck, einer Gruppe neckischer
Mädchen, die vereint einen sehr deprimirten Satyr gründ-
lich abführen. Noch fesselnder wirkt der geborene Kolorist
in verschiedenen, recht pikant behandelten Lichtstudien. Dem
feierlich symmetrisch aufgestellten Verkündigungsengel
Nuris,"), der einen packenden Stimmungs-Effekt giebt,
schließen sich zwei mit „Mondnacht" und „Abend" be-
nannte Stücke an, das letztere ein feines Interieur mit
einer bei rothem Lampenlicht träumenden Dame. Ueber-
haupt sind fast alle Genrearbeiten (Lvos Bacchus, Wein-
lese, Im Wintergarten, Ladroni, Am Grabe des Khalifen),
desgleichen mehrere malerische Interieurs von Kirchen
(Scuola S. Rocco, Lhiesa dei Fiori, San Marco-Venedig)
von kräftig gelungenem Farbenreiz. Zu edelstem Farben-
geschmack erhebt sich die koloristische Fähigkeit Schrams
unleugbar in der „Adoration", einer Gruppe festlich ge-
schmückter Frauen, die an den Stufen einer prachtvollen
Altarnische der Madonna mit dem Kinde köstliche Gaben,
Geschmeide und Blumen, darbringen.
 
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