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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 23
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Meyer, Bruno: Berlin: Grosse Kunstausstellung 1899, [6]
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Nr. 23

>- Die Kunst-Halle

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daß die Kunst seines großen Bruders Andreas in
einem anderen Düsseldorfer Andreas — Dirks —
nachspukt, „wie er sich räuspert und wie er spuckt".
Und auch die wirklich Großen unter den Neueren
sind vor lächerlicher Nachtreterei nicht sicher: Ls
ist wahrhaft schrecklich, daß Linen bei den: Doppel-
Gänsemarsch „zur geweihten Stätte" von Heinrich
hellhoff (Berlin) und bei dem „Lingang ins Schatten-
reich" der müden Waller mit zur Hälfte abgelaufenen
Beinen von Wilhelm Beckmann (Berlin) unweigerlich
Boecklin in den Sinn kommen muß. Aber was kann
Boecklin dafür, daß Leute ihm zu folger: versuche::,
die nicht das Zeug dazu haben?! Ueber derartige
Beobachtungen hinweg kann man sich dankbar des
vielen Schönen erfreuen, was von Dutzenden bekannter
Weister von der ältesten bis zur füngsten Generation
dargeboten wird, und es thut ihnen keinen Abbruch,
wenn aus die Herzählung ihrer Namen verzichtet
wird. Nur einzelne theils noch weniger Bekannte,
theils zu besonderen Bemerkungen Veranlassung
Gebende sollen, ohne daß darin eine Auszeichnung
gefunden werden darf, erwähnt werden. Wit weh-
muth nimmt man von dem allzu jung verstorbenen
Lduard Sxoerer (Düsseldorf) Abschied. Die Gediegen-
heit seines „sonnigen Tages" in der Vermittelung
der Pläne und in der Staffirung hätte zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt. Bemerkt zu werden verdient
auch in demselben Raume die heitere „Nheinlandschaft
bei Düsseldorf-Neuß" von Fritz Beinke (Düsseldorf).
Leider muß auch das Hauptbild Otto von Kamekes
ein Trauerkranz zieren. Wie lange schon gehörte der
ernste Künstler zu den liebenswerthesten Lrscheinungen
unserer Ausstellungen! Und mit welcher männlichen
Kraft tritt er jetzt vom Schauplatze ab! — Askan
Lutteroth (Hamburg) stellt gewissermaßen seine ver-
schiedenen Charaktere zur Auswahl. Lr wird in
seinem.„Frühling" selber das Wißverhältniß zwischen
Größe und Behandlung fühlen, und die „Einsamkeit"
zeigt, welch poetisches Gefühl ihm eigen sein kann,
während der „Strand von Neapel" die im Sinne
G. Achenbachs verklärte Vedute repräsentirt. — Er-
freulich ist es, auch Ldmund Kanoldt (Karlsruhe),
sicher den bedeutendsten Vertreter der Prellerschen
heroischen Landschaft unter den Lebenden, wieder zu
begrüßen. von ebendort her macht der junge
Wilhelm Schröter mit einer großen, sehr energffch
angefaßten Landschaft „nach den: Gewitter" einen
schon sehr sicheren Schritt. — Nicht zum Windesten
auch durch seine meisterhafte Pastell-Technik zieht
Loriolano vighis „heitere Nacht", mit vier mächtigen
Zypressen, die sich gegen den milde leuchtenden Himmel
absetzen, an. — Damit mag es genug sein!
Unter den Architekturmalern ist Adolph Seel
(Düsseldorf) schon nach Gebühr hervorgehoben. Ueber-
raschend hat sich in diese Neihe auch noch (als Nach-
zügler) Ludwig passini mit einem wundervollen
venetianischen Interieur gesellt. Nennen wir noch
Luigi Bazzanis (Nom) Trajanssäule und die Peters-
burger Architekturen von Franz Kopallik und das
Innere der Hofkirche in Innsbruck von Ladislaus
Lugen petrovits (beides wiener Aquarellisten), so ist
alles Wesentliche erschöpft.
Das Stillleben hat die Ehre, Adolph Wenzel
zu seinen Vertretern zu zählen, und seine unvergleich-
lichen Studienzeichnungen werden ziemlich allgemein
mit dem schuldigen Respekt bewundert. Aber auch
Frankreich hat seinen wohl größten Weister des Faches
in Antoine Vollon (Paris) entsandt. Sein wie ge-
wöhnlich in einer sehr dunklen Harmonie gehaltenes

Stillleben, vornehmlich einen Hummer und Austern
darstellend, hat ganz seine außerordentlichen male-
rischen (Qualitäten. — Der Hummer ist auch sonst
als Farben-Dominante in Stillleben mehrfach beliebt
und nut Glück verwandt worden, nirgends aber -
selbst bei vollon nicht — glänzender als in dem großen
und reichen Bilde von Hermann Gottlieb Kricheldorf
(Wünchen), unter den gemalten Stillleben der Aus-
stellung (so wird man Wenzel aus der Vergleichung
los!) sicher das bedeutendste, ein Wunder von Farbe
und eine vortreffliche Komposition. In letzterer Be-
ziehung stehen seine beiden kleineren Bilder, ein
„Fruchtstück" und (gelbe) „Tulpen" etwas zurück.
Aber gemalt sind auch diese beiden über alle Begriffe.
Dasselbe gilt von dem wohl gleich dahinter rangi-
renden schon früher gestreiften Stillleben (japanische
Gefäße) von War Schödl (Wien), der diesmal die
Stelle einnimmt, die wir sonst durch seine Lands-
männin Tamilla Friedländer eingenommen gesehen
haben. Diese selber, deren pinsel sonst in den er-
lesensten Erzeugnissen des Kunsthandwerks zu schwelgen
pflegt, überrascht diesmal nut einer „vorraths-
(Speise)-Kammer". Ls will fast scheinen, als wenn
die menschlichen Nahrungsmittel in: Stillleben die
Reduktion des Waßstabes nicht vertragen: alle nam-
haften Vertreter dieser Richtung malen ihre Gegen-
stände naturgroß. Wan kann ja nun auch hier
genugsam staunen; aber bei Tamilla Friedländer
denkt man sich etwas Anderes. — wenn denn schon
die pikantesten Tafelgenüsse gemalt sein sollen, dann
lobe ich mir Hubert Bellis (Brüssel), der und „un-
heimlich schön", wie ich nur fast unwillkürlich vor
dem Bilde notirt habe, verschiedene Käsesorten und
eine Flasche Benediktiner in verführerischestem Hell-
dunkel vorzaubert. Sehr schön ist auch ein Stillleben
mit einem Hummer vor August Nieper (Wünchen).—
prachtvolle Wohnblumen in einen: grünen Kruge
hat Konrad Dielitz vorgeführt; und bei dieser Gelegen-
heit möchte ich nicht unterlassen, sein elastisches Knaben-
bildniß in ganzer Figur, eine berückende Erscheinung,
nachzutragen. — Die Damen, deren Lieblingsdomäne
das Stillleben zu sein pflegt (oder pflegte?), haben
nicht sonderlich glänzend abgeschnitten. Sie kultiviren
meist eine dekorative Richtung, für deren erfolgreiche
Bearbeitung es ihnen an Kraft und an Raumgefühl
fehlt. Als eiue vortreffliche Vertreterin der Gattung
ist Helene Nagel (Berlin), besonders nut einen: Frucht-
stück zu nennen.
Das Thierbild endlich zeigt wenig Bemerkens-
werthes. Bei zwei groß angelegten Bildern, „Ge-
rettet", Bernhardmer Hunde, Verschüttete im Schnee
aufstöbernd, von Robert F. Turry (Wünchen) und
„Flüchtende Pferde nach der Schlacht" von Luigi
Gioli (Florenz), zeigt sich die verfügbare Kraft den:
räumlichen und sonstigen Aufwande nicht gewachsen. —
Wit einer „Futterstelle" von Enten in: Winter thut
sich Norbert Schrödl (Tronberg im Taunus) hervor.
Drei wie immer vortreffliche Hunde „in Erwartung"
sind von Heinrich Sperling (Berlin) vorhanden; und
auch von Paul Meyerheim, der diesmal wesentlich
nach den: Thierstücke gravitirt, ist wohl ein Hund,
der schwarze Pudel „Sidi" mit dem Lawn-Tennis-
Schlägel in: Waule, das anziehendste. An eine
frühere Spezialität dieses Weisters erinnert das
„American Bar" von Alfred Weczerzick (Lharlotten-
burg), zwei in ihrer geschäftsmäßigen Ehrbarkeitchöchst
drollige Affen, die Limonade mit Rohrstengeln schlürfen.
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