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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 1
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Ahn, E.: Galvano-Bronzen
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Meyer, Bruno: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0015
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Nr. f

4- Die Uunst-Halle -4—

7

anstalt Geislingen St. unter Anderem im Jahre ^897 das
Kaiserdenkmal nach dem Entwurf von Professor Eberlein
für pann.-Münden aus, ebenso den Broder-Brunnen in
St. Gallen nach den Modellen von Bildhauer Bösch in
St. Gallen.
Auch Figuren kleineren Maaßes als Zinnnerschinuck,
wie Nachbildungen von Antiken, Porträtbüsten oder Reliefs
und Gruppen, die sich ans Sport und Jagd beziehen,
endlich Figuren, die als Träger elektrischer Beleuchtungs-
körper dienen, hat dieselbe Firma in der: Pandel gebracht.
Ls läßt sich auf diesem Wege sehr wohl etwas pübsches
machen und es fehlt einstweilen nur an dem kunstkritischen
Publikum, welches diese künstlerischen Arbeiten von schlech-
ten Nachbildungen zu unterscheiden vermag.
Di
Gosse
verliner Kunstausstellung 1000.
(Schluß.)
XI. Plastik, Architektur und Kunst-
gewerbe.
Die Plastik scheint sich manchmal in der ihr oft
zu Unrecht aufgedrängten Nolle des Stiefkindes der
Ausstellungen zu gefallen. Das ist auch in diesen:
Jahre bedauerlich; aber es ist zu verstehen, wenn
die Bildhauer einsehen, daß die Ausstellungen ihre
Arbeiten der Vollständigkeit und der Dekoration
halber noch mehr brauchen als sie jene. Man sollte
daher einmal ein Unrecht gut machen und in Moabit,
zugleich den Neiz des Wechsels erwägend, eine
Skulpturen-Ausstellung großen Stils eröffnen, bei der
umgekehrt die Gemälde die Umrahmung des Ganzen
zu bilden hätten. Dabei dürfte es sich vielleicht
Herausstellen, welcher Ueberschuß an fähigen jungen
Kräften in Deutschland, zumal in der Neichshaupt-
stadt, nur auf die Gelegenheit harrt, sich angemessen
zu bethätigen. Die Wenigen, denen Glück und
Gunst solches frühzeitig vergönnten, würden dann
wohl nicht wie dieses Mal fernbleiben, wenn sie
wissen, daß die Säle weniger Bazar als Schauplatz
für einen künstlerischen Wettbewerb sein werden.
Bei dem jetzigen Mangel an stärkeren Anregungen
ist es gewiß keinem Künstler, der mitten in großen
Aufträgen und Denkmalsentwürfen steckt, zu ver-
argen, wenn ihn gewöhnliche Ausstellungen ziemlich
kalt lassen. Seine Arbeiten auf Straße und Platz
werden ja doch ausgesucht und gesehen werde::.
Dennoch sind auch hier einige kleine und große
Modelle von Kaiser Wilhelms- u. a. Monumenten
von Ernst Herter, L. Hundrieser, Fr. pfannschmidt
vorhanden, wodurch die Skulpturensammlung im-
posanter wirkt. Line glückliche Leistung ist der
Moltke von Haverkamp; da ist die charakteristisch
schlichte Haltung, der scharfgeschnittene beseelte ernste
Kopf des Schlachtendenkers treffend gegeben und
eine große einfache harmonische Wirkung des Ganzen
erzielt. Zu den umfangreichen Stücken gehört ferner
„Der deutsche Michel" mit Schlafmütze und Dresch-
flegel von Fr. Neusch, Königsberg i. Pr., eine Figur
mit zorniger Geberde, nichts weiter, nur kein Sinn-
bild langmüthiger Geduld, die endlich aus den:
Traum gerüttelt wird. I. Rostek's „Kronos" ist
eine wuchtige Greisengestalt. Etwas seltsam berührt

die auf sechs Gruppen bezw. Figuren nachträglich
beschränkte Sonderausstellung von G. Eber lein.
Der Meister, der sich früher gar nicht genug iu
sinnenreizenden Gebilden thun und mehr noch den
modernen Franzosen als der Antike folgen konnte,
gefällt sich plötzlich als Plastiker des Lharakteristisch-
Unschönen und der verwelkten Form des Greisen-
alters: der sterbende Friedrich der Große, Dante's
lorbeergeschmückte Halbfigur, eine trauernde baby-
lonische Iudenfamilie, das Kieler Kruzifix mit der
trostsuchenden jungen Wittwe, „Christus und die
Kindlein" und der Lees lllomo sind die Titel der
Arbeiten, die uns in ihrer Formgebung an die älter::
Ouattrozentisteu und an die deutschen Meister der
Dürerzeit erinnern, nur daß bei Eberlein, auch durch
den durchgängigen Schwarzanstrich, Alles in hohem
Grade outrirter wirkt.
Zu den großen Stücken der Sammlung gehört
auch der schon in voriger Nummer für sich ge-
würdigte kolossale Bogenschütze von E. M. Geyger
in der Pracht seiner sehnigen Glieder. Ludwig
Tauer hat einem angehenden beherzten Jüngling,
einen Telemachos, der eben sein Schwert anlegt,
aus schneeigem Marmor gemeißelt, einen reifenden
Jünglingskörper von blendender Feinheit der Linien,
ein herrliches Werk. Ebenso ist der knospige
Mädchenakt, den: Paul A ich e le-Berlin den Titel
„Opfer" giebt, vollendet schön. W. Ackermann's
(Stockholm) großer Frauenakt ist mehr des innigen
Ausdrucks, als der formalen Vorzüge wegen uennens-
werth. H. Nheinhold's Brunnengruppe, Fischmann
und Fischweib sich über einem Felsblock küssend, ver-
zichtet auf höheren dekorativen Neiz. H. Berwald-
Schwerins Madonna mit Kind ist eine bewegte,
stattlich-jugendliche, holdselige Frauengestalt, etwa in
den: Typus der alten Venetianer; des Italieners
Emilio Bifi's große Gruppe „Auf tiefsten: Meeres-
gründe", Najade mit einem wie eine Mumie ver-
schnürten ertränkten Jüngling, erregt des ungeeigneten
Motivs wegen Widerspruch.
Stephan Sinding's (Kopenhagen) getönte Holz-
figur einer blinden Greisin „Die Aelteste ihres Ge-
schlechts" fällt durch den intensiven Ausdruck as-
ketischer Weltentrücktheit auf. Noch mehr dem ma-
lerischen Zuge der Zeit folgen die österreichischen
Bildhauer Jakob Gruber, in der Bronzegruppe
zweier Schiffbrüchigen, die aneinandergeklammert auf
Rettung harren, und Ios. Kassin, der für eine von
einer Pflegerin bedienten Kranken im Lehnstuhl deu
lebensgroßen Maßstab gewählt hat, ob mit Recht
und Erfolg kann immerhin fraglich erscheinen:
jedenfalls spricht in beiden Gruppen ungleich mehr
die Empfindung als die statuarische Wirkuug.
Bahnt sich so der konsequente Realismus in
größeren Werken seinen Weg, so natürlich noch
breitspuriger in der Menge der kleineren, bei Büsten
und Werken jener Salonplastik, die das gewöhnliche
Genre dieser Kunst repräsentirt. Doch giebt es nicht
wenige Bildhauer, die es lieben, auch sür Idealifi-
rungen aller Art ein-selbst winziges Format zu wählen.
In dieser sehr reichhaltigen Kleinplastik der Ausstellung
steckt eine unglaublich große Mannigsaltigkeit in
stilistischer Einsicht. Talandrelli, gewohnt in größeren
Formen zu reden, hat in den zierlichen Gruppen
„Mutterglück" und „Erster Unterricht" nicht den un-
befangenen schlichten Ausdruck, den er wollte, finden
können; das sind vielmehr die üblichen Sockelfiguren
etwa für ein Pestalozzi-Denkmal. Thr. Behrens'
leidenschaftliche Oedipus-Sphinxgruppe ist fast zu
 
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