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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Meyer, Bruno: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0016

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8

Die Aun st-Halle

Nr. f

kraftvoll für den kleinen Maaßstab. Dagegen eignet
sich für die Figuren von zierlich bewegten Tanzenden
dieser Maaßstab ausgezeichnet: Ernst Seger, Heter
Höppelmani: und A. Lewin-Funcke haben darin
Schönes geleistet, jeder in seiner Art, die beiden
ersteren mit einem Schuß Antikisirung, zumal im Ge-
wandstil, der letztere mehr der natürlichen Em-
pfindung, daneben auch Franz Stuck, folgend. Es
gilt zweifellos für modern, anstatt der früher wie
naß aufgeklebten Gewänder jetzt diese aufgeblähten
derben Segeltücher zu wähleu. Humorvolle Gruppeu
und Figuren, deren j^de die dem Künstler vor-
schwebende Aufgabe nut prächtigem Gelingen löst,
haben S. wernekinck und Stephan Walter, die aller-
hand diebisches Satyrgesindel schildern, Hagelt mit
seinem ergötzlichen Schreihals, Alexander Iaray mit
seiner niedlichen Adam und Eva-Harodie, Max
Dennert mit seinen: Bettelmönch in drolliger Verlegen-
heit, geliefert. Dennerts Thurmbläserbrunnen für
Bremen mit seinen drei burlesken Stadtmufikanten,
köstlichen echt Schwindschen Typen, ist eine auch de-
korativ verdienstliche Leistung. Andererseits enthält
diese Sammlung von Kleinplastiken auch ernste
Motive, die den Beschauer fesselu wie W. Hantel-
manns alter Amateur, der eine Geige verständniß-
voll betrachtet, wehmüthig stimmen wie G. Küsthardts
„Letzte Akkorde". Unter den zahlreichen kleinen
weiblichen Akten fiel mir Hermann Möllers fein-
getönte, anmuthige Früchtesammlerin besonders auf.
Das vorliegende Material in Männer-, Frauen-
und Kinderbüsten ist in: Rahmen dieser knappen
Uebersicht schwer nach Gebühr zn würdigen. Unsere
heimischen Kräfte scheinen — und das ist kein gutes
Zeichen — so sehr in den Wünschen der Besteller
aufzugehen, daß sie zwar lebensgetreue, sehr tüchtige,
aber keine großzügigen, von starker persönlicher Em-
pfindung zeugenden Arbeiten zu geben vermögen.
So aus dem Vollen plastischer Gestaltungskraft
heraus modellirt wie Van den Stappens „Büste eines
Bischofs" findet sich hier fast nichts mehr; Eberleins
Dantebüste käme vielleicht in Betracht. Gute Herren-
porträts schufen u. a. Hans Arnoldt (Geheimrath
Virchow), Max Baumbach (L. Hietsch und G. Günther-
Naumburg), Ioh. Boese (Exz. Lukanus), Fritz
Heinemann (Kommerzienrath Tüll), Joseph von Kopf-
Non: (Direktor Benedikt), Arnold Künne (Geheim-
rath Hlanck), N. Hfretzschner (Alter Herr), Ed. Al-
brecht (Nesper), Ioh. Schichtmeyer. Einige sehr
erfreuliche Fraueubüsten, z. B. Giustis blauäugige
Veuezianerin, Haul Kowalczewskis ausdrucksvoller
Kopf „Die Sünde" mit dem leidhaften Zuge um
den schmalen Mund, Hans Rathauskys fein ziselirte
Mädchen-Kostümbüste in getönter Bronce, Debrazzis
selbst in Marmor überaus frisch wirkende „Schelmin-
Studie" verdienen nachdrücklichste Hervorhebung.
Das Beste, was mir in Kinderporträts begegnete,
rührt von Fritz Heinemann und Ioh. Schichtmeyer
her... Ich weiß sehr wohl, daß in dieser flüchtigen
Revue viel Ansprechendes und Werthvolles, be-
sonders von den fremden Gästen aus Schweden,
Frankreich, Italien übergangen wurde; aber es durfte
bei unserer Betrachtung nicht unser Ehrgeiz sein,
unfern Lesern ein lückenloses Bild des Ganzen zu
bieten. Franz Imhof.
*
Von der Baukunst könnte diesmal ohne große
Ungerechtigkeit gänzlich geschwiegen werden. Sie ist
numerisch sehr schwach besetzt, und es ist wohl nichts

vorhanden, was, abgesehen von lokalem oder persön-
lichem Interesse, besondere Aufmerksamkeit zu erregen
vermöchte. Da ich im hochschulpädagogischen und
künstlerischen Interesse großen Werth auf die Gestal-
tung der zeichnerischen Darstellung baukünstlerischer
Entwürfe und Hläne lege, möchte ich nicht verfehlen,
vor Allem auf die ausdrucksvolle Einfachheit der
Darstellung bei w. Ende (Berlin — Entwurf zu
einer Doppelvilla) und Gustav Jänicke (Berlin —
wohn- und Geschäftshaus Hersemann) hinzuweisen,
welches Letzteren wohn- und Geschäftshaus für
Minden (w.) freilich die nicht unbedingt nöthige
„sezessionistische" Stilisirung der Wolken als befremd-
liche Zugabe bietet, wie die „müden" und sonstigen
sinn- und geschmacklosen „Linien" der „Moderne" sich
auch der Bauwerk-Darstellungen selber zu bemächtigen
vermögen, das zeigt zu glücklicher Erheiterung Arthur
Biberfeld (Berlin), was Hermann Guth (Thar-
lottenburg) ausgestellt hat, reiht sich nicht bloß der
vorher rühmlich hevorgehobenen virtuos schlichten
Darstellungen an (Rathhaus-Konkurrenz-Entwurf),
sondern zeigt auch in der farbigen perspektivischen
Darstellung, von Maler Küppers ausgeführt, eine
ähnlich glückliche Tendenz, wobei namentlich der
hübsche malerische Eindruck der Aquarelle zu loben
ist. Als eine geradezu ideale Leistung in der detail-
lirten Darstellung bedeutender vorhandener Bauwerke
sind die großen Thoransichten der Dome von Mainz
und Worms von wilheln:Manchot(Frankfurt a.M.)
zu betrachten. Hier ist selbstverständlich nicht von
Vereinfachung der Technik die Rede. Wohl aber
verdient deren bescheidene Unterordnung, die Abwesen-
heit jedes prahlerischen Sichvordrängens Anerkennung
in hohem Maße.
Auf einzelne Entwürfe einzugehen, ist nicht mehr
Zeit. Mehr als der „romanische Halast" gegenüber
den: Thor der Kaiser Wilhelm-Gedächtnißkirche in
Berlin von Franz Sch wechten (Berlin) erfreut
vielleicht künstlerisch dessen Dorfkirche in Steinach
(Sachsen-Meiningen). — Bruno Schmitz (Tharlotten-
burg) zeigt in dem Salon und den: Musiksaale der
Villa Stollwerk in Köln, daß er „auch das" kann,
während dagegen das „Stadtthor an einem Seehafen"
von Einil Sch andt (Berlin) eine bedenklich auf
Stelzei: daherschreitende Kreuzung der beide:: kraft-
genialischen Manieren von Schmitz und Rieth zu Tage
fördert.
Schließlich möchte ich noch der Kohlezeichnung
einer „Bismarck-Säule" von August Tiede (Berlin)
gedenken, nicht bloß, weil sie architektonisch und
malerisch hocherfreulich ist, sondern mehr noch, weil sie
jedem Besonnenen und Geschmackvollen noch ein-
drucksvoller als die kritischen Darlegungen (vorzugs-
weise von I)r. Hans Hopfen und von mir, deren
Unanfechtbarkeit durch einige kenntnißlose und wuth-
schnaubende Insulten z. B. der „Burschenschaft-
lichen Blätter" unfreiwillig in die günstigste Beleuch-
tung gerückt ist) den Widersinn des schematischen
Bismarck-Säulen-Nummels begreiflich machen kann.
Als eine einmalige (individuelle) künstlerische Leistung
von Belang, hineingedacht in eine gegebene stimmungs-
volle Lokalität läßt eine solche Säule sich nicht bloß
ertragen, sondern sie wirkt -— namentlich in Feier-
stimmung wie hier, mit lohendem Brande vorgeführt,
— durchaus im beabsichtigten Sinne. Aber die ein-
tönige Wiederholung an jedem unpassenden Orte,
die Entweihung der Stimmung durch Leersteheu
(Nicht-Brennen) und umgebenden Alltagstrubel, die
nothgedrungen bald einreißeude elendige Surrogat-
 
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