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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 18
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Harrach, Max: Die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie
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Juanita: Die Pariser Salons, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0324

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Nr. s8

4- Die Aun st-Halle

282

und ursprünglichen Volkskunst so reizvoll macht, und
der wohl auch dem Kunstschaffen der Darmstädter
im Lause der Zeit immer deutlicher den Stempel
aufprägen wird.
Die Ziele der modernen Bewegung in der an-
gewandten Kunst und die Ziele der Darmstädter
Künstler im Besonderen können wohl nicht präg-
nanter bezeichnet werden, als in dem Programm
jener Publikation, die die Popularisirung und die
Propaganda der neuen Richtung auf ihre Fahne ge-
schrieben hat. Da heißt es u. A.: Sprechen wir
speziell von deutscher Kunst, so liegt es uns doch
ferne, eine Art von Deutschthümelei zu treiben, die
den Blick nach Außen trübt und zu Ergebnissen
führt, die alles Andere als Fortschritt bedeuten.
Sprechen wir von Neuzeit, so sei darunter nicht jene
Neuerungssucht verstanden, die kopflos alle Brücken
hinter sich abbricht und nicht zugeben will, daß in
der Entwicklungsgeschichte der Menschheit immer
Lines auf dem Anderen fußen müsse. Andererseits
sei aber auch jene Art von Altertümelei verpönt,
die da predigt, ein vergilbtes Blatt sei unter allen
Umständen schöner als ein grünes. Deutsche Arbeit
sei bevorzugt, das Ausland aber nicht außer Acht
gelassen. Es hieße das Mesen unserer Zeit ver-
kennen, wollte man sich nach Außen abschließen. Zn
erster Linie aber wollen wir endlich thun, was leider
sonst für Deutsches Wesen nicht gerade als bezeich-
nende Eigenart gelten kann: wir wollen deutsche
Kunst pflegen, ohne aus dem Auge zu verlieren, wo
gelernt, wo verbessert werden kann.
wir leben in einer Zeit der Bewegung, in der
Alles und nicht zum Mindesten die Kunst und das
Kunstgewerbe nach Erneuerung drängt. Neben
den wirklichen und ursprünglichen Talenten kommen
die halbbegabten und die oberflächlichen Anempfinder,
um mitzuwirken an diesem großen regenerativen
Unternehmen. Auch die Industrie sucht bereits, ge-
mäß ihrer Gewohnheit, die neue Kunstbewegung im
Sinne einer neuen Mode auszuuützen. Mode aber
ist unbeständig — sie fordert also rasche Arbeit.
Sie wirft ihre Aufträge in den Kreis der Schaffen-
den; „Neues", „Modernes", „Originelles" ist das
Schlagwort. Zn diesem weg — denn von der deko-
rativen Kunst zur dekorativen Industrie liegt die
Gefahr — der weg zur Schablone, zur Manier
und zur Entartung. Hier vorzubeugen- wäre eine
dankenswerthe Aufgabe der Darmstädter „Sieben".
Aber nur, wenn sich die Reformbestrebungen vor
Uebertreibungen hüten, werden wir segensreiche
Früchte zu erwarten haben, wie sagt doch Schiller:
„. . . Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist!"
X
Wie Warisei- Ssloys.
Von Zuanita, Paris.
I.
ie „8ociötm Rationale äos Koanx-^rts,"
die schon am 22. April dem Publikum ihre Pforten
öffnete, hat ihren Sitz in dem Theil des großen Palastes
nach der Yvonne ä'^ntin gehend aufgeschlagen, wo man
im vergangenen Jahre die Werke der Exposition Oon-
tonnalo bewunderte. Die höchst geschmackvolle Einrichtung
verdanken wir dem Maler Dubufe, dessen künstlerisches
Auge hier geobwaltet hat. Unten im Erdgeschosse befinden

sich die Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen und Kupferstiche;
in der großen Rotunde und einem Theil des inneren
Gartens die Werke der Bildhauer, sowie die Kuustgewerbe-
ausstellung Die von beiden Seiten ausgehenden Treppen
führen oben zu den ;8 Sälen der Delmalerei hinauf.
Beginnen wir unsere Rundschau unten, wo eine Reihe
von religiösen Auffassungen, von Bildern des Alltagslebens
unser Interesse in Anspruch nehmen. Hier stellt A. Besnard
zwölf große Kartons aus, die zur Ausschmückung der
Kapelle eines Spitals für verkrüppelte Kinder in Korob-
snr-mor bestimmt sind. Der Maler stellt in diesen meister-
haften Kohlefkizzen den gekreuzigten Heiland dar, der die
leidende Menschheit begleitet: Geburt, Krankheit, Tod,
Dulden, Hoffen sind mit einem an Mantegna erinnernden
Realismus geschildert. Der letzte Karton, die Auferstehung,
zeigt uns den auferstandenen Heiland, welcher dem Glück
der Menschheit, das ihr durch die Errungenschaften der
Wissenschaften und die Werke der Barmherzigkeit zu Theil
geworden ist, beiwohnt.
In zwei Nebensälen stellt I. Tissot eine Reihe von
Gouachebilder aus, die zur Illustration des ersten Buches
Mosis bestimmt sind. Trotz der technischen Vollkommenheit
ist dieses Werk minder gelungen, als die vor einigen
Jahren ausgestellten sinnreichen Illustrationen zum neuen
Testamente. In einem angrenzenden Saale zeigt uns Paul
Renouard eine Reihe von Kohlezeichnungen:- „Zur Er-
innerung an die Weltausstellung", die den größten Gegen-
satz zu den Bildern von Tissot bilden. Es sind aus dem
Leben gegriffene Skizzen, man wird in das Gewimmel
und Getümmel des vergangenen Jahres gerissen, man
erkennt die treffend ähnlichen Bilder der offiziellen Persön-
lichsten en, Loubet mit seinem gutmüthigen Lächeln an der
Spitze. Der Künstler giebt treffend jede Bewegung der
Menge wieder, die er bald von der Terrasse des Eiffel-
thurmes, bald vom Trocadero aus beobachtet, hier sich nach
der „Falls äos Illnsions" drängend, dort eine billige
Mahlzeit im Freien haltend; hier die Arbeiter auf den
Balken der heute noch nicht abgerissenen Gerüste, dort das
von einen: Regenguß im Obamp äo Mars überfallene
Volk zeigt. Die qp Kompositionen tragen das Gepräge
des Selbsterlebten; eine gewisse Ironie trägt noch zu der
Ergötzung bei, wie z. B. in den drei Szenen des „trottoir
rorllantN Diese Zeichnungen werden ihr historisches
Interesse behalten. Als vierten Zyklus erwähne ich noch
die 28 flotten Aquarelle von G. Latouche. Mit seinem
intensiven Farbenspiel, das an Besnard erinnert, wirft der
Künstler hier dramatische Eindrücke, Reiseerinnerungen,
Naturstimmungsbilder, dort Szenen aus der Intimität
der vornehmen Welt u. s. w. aufs Papier, Alles mit be-
wunderungswürdiger Wahrheit und kräftigen Gegensätzen
von Licht und Schatten.
Aman-Jean, der sich zugleich als Schüler von
Manet und Puvis de Lhavannes offenbart, und dessen
Talent gerade der Pastellmalerei angeeignet ist, stellt einige
Bilder aus, die wir seinen Gelxorträts vorziehen. Louise
Breslau stellt fünf große, wohlgezeichnete, energisch be-
handelte Pastelle aus, schade nur, daß die Künstlerin die
Durchsichtigkeit vielleicht übertreibt und selbst die
Kinderköxfe mit groben Pinselstrichen malt. Iwill zeigt
uns einige Pastelle, die zu seinen besten Schöpfungen ge-
hören; das eine Bild, „Das Kruzifix" besonders, ist tief
ergreifend: Lin kleiner Hafen bei ausgehender Fluth, ein
 
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