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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 18
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Juanita: Die Pariser Salons, 1
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Nr. ^8

Die Aunst-Halle

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drehender Wolkenhimmel, ein großes Kruzifix, als Symbol
des Trostes für die am Ufer wohnenden Menschen, die
desselben bedürfen. Als Gegensatz thut es Einem wohl,
das Stimmungsbild „Die Landstraße" bei Mondaufgang
zu betrachten, das ganz vom dort herrschenden Frieden
durchdrungen ist. Ruth Mercier mit ihren groß auf-
gefaßten paidelandschasten, p. Iourdain mit seinen
kraftvollen Schilderungen aus dein Parke von Versailles
stehen als Meister an der Spitze der Aquarellmalerei.
Erwähnen wir auch die großen, wohlausgeführten
Aquarelle von Grasset, als Muster für Photogravüre be-
stimmt.
Im Obergeschoß fallen zunächst die Bilder des kürzlich
verschiedenen Künstlers I. Eharles Eazin auf. Sein
der Stadt Paris gehöriges dekoratives Gemälde 8c>nvo.niv
äs Vets von t88s erhielt den Ehrenplatz. Ls ist eine
symbolische Darstellung der Republik, deren Fest gefeiert
wird. Drei Personen, 8oierckiu, Kuckor und Virtns, eine
sitzende Frau, ein stehender Arbeiter, ein Krieger, betrachten
von einem Gerüst das in: Hintergrund liegende illuminirte
Paris. Im Raume erglänzt das Wort Ooimoräiu in
goldenen Zügen. Die Idee, die dem Künstler vorschwebte,
ist vielleicht nicht ganz verständlich, wenn auch poetisch
ausgedrückt. Und Poesie liegt auch in seinen sechs Land-
schaften. Auf dem Bilde „Der Karren" ist die nach dem
Regen gereinigte Luft so herrlich behandelt, daß man sie
förmlich einathmet. Die auf dem Karren fitzende Bäuerin,
die ihr Kind säugt, trägt zu der sommerlichen Stimmung
des Ganzen bei. Eazin entzückt durch den kunstgerechten
Gegensatz von Sonnenschein und trüben Wolken in einein
ihin eigenen Kolorit. — Erwähnen wir aus demselben Saal
zwei Bilder, die einen rechten Gegensatz zu den eben er-
wähnten bieten. Daseine, ein dekoratives panneau von
G. Desvalliöre, einem der jüngeren Künstler,
nnin trnnsvsvbsrs" ist auch eine symbolische Auf-
fassung des Lebens; die großen malerisch gruppirten, im
Rhythmus schreitenden Personen zeigen den schwärmerischen
Schüler von Gustave Moreau. In einem Frauenporträt
beweist der Künstler, daß wir viel von ihm erwarten
können, wenn er mit eigener Kraft vorwärts schreiten
will. Ein anderer Gegensatz zu Eazin ist das kräftig auf-
gefaßte Bild von I. Juloaga, einem der jüngeren
Maler; es stellt einen „Spaziergang nach dem Stiergefecht"
vor und es ist dem Künstler gelungen, in seinen üppigen,
reichgekleideten Spanierinnen Geschöpfe aus Fleisch und
Blut auf die Leinwand zu werfen. Das Bild ist eins der
wirksamsten in der Ausstellung.
Ganz anderer Art sind einige Bilder von A. Besnard.
Sein Porträt einer Dame im Ballkleid mit einem wunder-
voll gemalten Mantel trägt ein höchst aristokratisches Ge-
präge; die herrlichen Lichteffekte, die durchsichtigen Fleisch-
töne sind kein Machwerk, wie einige Kritiker behaupten.
Sein anderes Bild, eine phantastische Schöpfung, „Kssvio
Irckinw" mag vielleicht nicht Jedem gefallen. Ein nacktes Weib
kauert in einem Sessel in einem dunklen Gemach; zu ihren
Füßen ein rothbraunes Thierfell mit bläulichem Schein, um
sie herum ein schillerndes, mit Füttern und Rubinen be-
setztes Gewand. Das Licht, das von zwei Leuchtern von
oben zu kommen scheint, strahlt aber eher von jedem
Punkte der Flitter und Steine aus, konzentrirt sich auf
den Fleischmasfen und das Ganze trägt einen magischen,
wollüstigen Charakter, der an gewisse Dichtungen von

Beaudelaire erinnert. Unter den Bildern von I. Blanche
find besonders „io Rsveil" interessant, das Erwachen eines
t 2 jährigen Kindes, das im weißen Atlaskleide einschlief;
die etwas gezwungene Packung muß der Natur abgelauscht
sein, denn so etwas erfindet man nicht; auch ein treffendes
Porträt von MIle. Ieanne Rounay, der bekannten Sängerin,
dem aber der seelenvolle Ausdruck fehlt, der das Modell
auszeichnet. Die Gruppe Vorbruits ä'arrris, von bekannten
Persönlichkeiten, im Dekor des Trocaderos während der
Ausstellung gemalt, ist voller Leben. Earolus Duran
stellt ein Porträt, drei Landschaften aus Savoyen und ein
an den Stil Goyas erinnerndes Bildchen aus: Zum
„Schilde des Waffenmeisters"; wir müssen das einfache
Kolorit und den Realismus der Auffassung bewundern.
Earriöre, dessen Virtuosität sich mehr als je geltend macht,
verschleiert wie immer seine Schöpfungen; welche
Zärtlichkeit aber im Ausdruck und den Bewegungen, welche
innige Poesie im Bilde „Buissrs ckn Loir"! Dagnan
Bouveret stellt nur ein Porträt aus, aber eine perle.
In dieser nicht gerade hübschen Frauengestalt im dunklen
Kleide, aus dunklem Hintergrund, entdeckt mail bei jeder
Besichtigung neue Vollkommenheiten. Neben diesem ein-
fachen Bilde sind die rasfinirten Porträts von de la
Gandara zu erwähnen. Die pülle ist blendend; der
innere Werth seiner Modelle tritt nicht immer hervor.
Anquelin mit seinein Bildniß derGebrüderMargueritte
der berühmten Romanschreiber, hebt trotz der technischen
Kunst den moralischen Werth seiner Modelle nicht genug
hervor. Ausgezeichnet dagegen ist das seelenvolle Porträt
des Schriftstellers Andre Ehevrillon von Rene Menard
der auch zwei große herrliche Landschaften, „Der Fluß" und
„Die peerde" ausstellt, die mit ihrem feierlichem Gepräge
an Llaude Lorrain erinnern und den Künstler auf dem
Gipfel seiner Kunst zeigen. Erwähnen wir noch drei fein
gemalte Frauenxorträts von dem schottischen Naler
Lavery; drei Porträts von Aman-Jean, leider nicht von
den besten; ein seines Porträt eines jungen Mädchens im
rosa Musselinkleide von Louis Picard. Ein anderes großes,
sein studirtes Mädchenporträt von Madeleine Lemaire, in
dem das zu schön gemalte Rosenbouquet vielleicht eine zu
große Rolle spielt.
Rassaelli zeigt uns vier Pariser Ansichten in der
Nähe von Notre-Dame in seiner bekannten kreideweißen,
gemergelten Art, und ein gelungenes Genrebild: „Die Braut-
führerin", eine Symphonie in weiß; höchst ansprechend ist
das schöne Mädchen, auf dessen Gesicht die Freude an
ihrem Staate und das Gefühl der Wichtigkeit ihres
Amtes deutlich ausgedrückt ist. Ottilie Roed erste in,
eine geborene Schweizerin, stellt drei vortreffliche Frauen-
köpfe aus; sie erinnert durch ihre sorgsame Feinmalerei
an die altdeutschen Maler des s6. Jahrhunderts.
Jean Bsraud zeigt uns ein viel beachtetes Bild,
„Ehristus an eine Säule gebunden". Der höchste Inbegriff
des religiösen Gefühls ist hier ins Lächerliche, ins Unschöne
gezogen. Die gehässigen Gesichter der dein Erlöser
peinigenden Menge sind der Ausdruck unedler Leiden-
schaften gewisser Persönlichkeiten. Dinet,.dem Maler des
Orients, ist es gelungen, ein von Licht und Farbe gesättigtes
Bild darzustellen. „Der Sohn eines arabischen peiligen wird
von der Menge im Triumph getragen". Der Stolz des
schönen, das Kind tragenden Arabers, das Gewimmel, dei
schwärmerische Begeisterung einer arabischen Menge sprechen
 
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