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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 15
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Galland, Georg: Die Berliner Geschichtsmalerei vor Menzel
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Imhof, Franz: Der Laie und das Kunsturtheil
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0267

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Nr. G

23s

Die R u n st - H a l l e

unseren ^lusstellungen eigentlich jede Richtung, jeder
Stosskreis der Zeit vertreten war: Antike Mythe,
Mittelalter, Neuzeit, ideale Poesie und derbe Prosa,
Allegorien und Wirklichkeitskunst, Griechenthuin und
Märkerthum. Für Alles warben die Künstler um die
Gunst des Beschauers. Und ein Urtheil: daß hier-
allein der Naturalismus mit der wirklichkeits- und
Nützlichkeitssorderung zu Hause sei, das damals kein
Geringerer als Goethe in der Zeitschrist „Die
Propyläen" gelegentlich einer Rundschau über das
Berliner Kunstschaffen sällte, erscheint demnach an-
fechtbar. Indeß gerade sür den Zahrhundertansang
bot die Eigenart der akademischen Ausstellung der Goethe-
schen Kritik irr der That Berechtigung. Poesie, heißt
es in jener Kritik u. a., werde durch Geschichte —
Charakter und Ideal durch Porträt — das All-
gemein-Menschliche durch das vaterländische ver-
drängt. vielleicht überzeuge man sich bald, daß es
keine patriotische Kunst und patriotische Wissenschaft
gebe ... So konnte ein Göthe wohl reden vom
Standpunkt seiner damaligen Weltanschauung und
seiner ästhetischen Glaubenslehre. Der Künstler, der
Maler zumal, hat indeß Veranlassung, seine Thätigkeit
im eigenen Lichte zu betrachten; ihm ist Poesie an sich
genau so viel und so wenig werth wie Geschichte;
die künstlerische Auffassung, die malerische Behandlung
— das allein entscheidet. So war es auch damals
Gottsried Schadow leicht genug, dem großen Dichter
den Grundsehler seines Urtheils nachzuweisen.
Gerade an der Charakteristik unserer Gestalten,
so etwa meinte er, an den naturgetreuen Bildnissen
werde man uns erkennen und von anderen Nationen
zu unterscheiden wissen. Zn der Landschaft gebe es
ja auch keinen allgemeinen Baunr, sondern nur be-
stimmte Baumarten, die man behuss Wiedergabe
genau studiren müsse. So wie einst die Holländer, so
hätten es auch die Alten schon gemacht. Ihre Statuen
zeigen hellenische Gesichtsbildung, haben ganz be-
stimmte Merkmale. Für den Künstler liege das
Allgemein-Menschliche im Rahmen des Nationalen . . .
wenn die Mehrzahl der Werke der alten Berliner
Historienmaler aus einein vergleichsweise nur niedrigen
künstlerischen Niveau stand, so ist nicht der nationale
Standpunkt ihrer Urheber daran Schuld, sondern
lediglich ihre unzureichende Begabung . . . Leider-
hat es auch der nächsten Generation, die, vielfach von
romantischen Empfindungen beseelt, nun auch die
denkwürdigen Befreiungskriege in den Stoffkreis
der heimischen Historienschilderung hineinzog, an durch-
dringenden Talenten gefehlt: solche waren die Ludwig
Wolf, H. w. Kolbe, Friedrich Wilhelm Herdt,
Raymond de Baux u. A. allerdings nicht. Erst die
folgende Epoche des sog. Biedermeierthums schenkte
uns respektable Meister, z. B. den begabten und ge-
diegenen Franz Krüger, der Hervorragendes leistete
in der Darstellung von Paraden und festlichen Er-
eignissen, einen Wilhelm Hensel, einen A. Eybel, dessen

Hauptwerk „Der Große Kurfürst in der Schlacht bei
Fehrbellin", s. Z. Aussehen erregte . . . Alle diese
und viele andere Berliner Maler waren die bisher
wenig beachteten Vorläufer unseres Adolph Menzel,
des berufensten vaterländischen Schilderers, der durch
sein gesteigertes malerisches Gefühl, seinen überlegenen,
scharfen Geist, seinen sarkastischen Humor alle jene
älteren Meister in den Schatten der Ruhmlosigkeit
drängte.
Aber wenn sie auch vielfach ärmlich in der Er-
findung ihrer Bilder erscheinen, wenn sie gar aus
der Ueberlieferung der berüchtigten Zopfzeit noch
manchmal die nüchterne Form und die gedankliche
Plattheit beibehielten — so gaben sie uns doch noch
Mehreres, wofür wir verwöhnten Nachgeborenen
ihnen dankbar sein müssen. Außer der bedeutsamen
Thatsache ihrer historischen Richtung überhaupt,
gebührt ihnen das Verdienst, daß sie den Sinn für
die Heimathkunst in Berlin belebten und ver-
breiteten. Deshalb soll das Andenken an diese Ver-
treter der älteren Berliner Historienmalerei unvergessen
bleiben.
X
ver Laie unä aas ^unstunbeil.
^öNie Ausstellung der Klimtschen Dekorationsmalerei
„Die Medizin" hat an der Donau, in dein ver-
gnügten Wien, das bisher in dein Rufe stand, nur die
Kunst des Amüsirens ernst zu nehmen, abermals eine künst-
lerische Frage zu einer sehr ernsten Angelegenheit des
Publikums gestempelt. Ich brauche hier nicht die Gründe
zu wiederholen, warum auch dieses zweite, für die wiener
Universitäts-Aula bestimmte Deckenbild ein ähnliches Schick-
sal hatte, wie früher die Stucksche Dekoration einer Saal-
decke des deutschen Reichshauses in Berlin. Ls genüge, zu
wissen, daß dem Besteller oder der bestellenden Behörde
zugemuthet wird, beide Werke des begabten wiener
Sezessionsmeisters als verunglückte Erzeugnisse einer ver-
irrten und verwirrten Phantasie abzulehnen. Die Folge
dieses Wunsches ist an Grt und Stelle, daß inan auf der
einen Seite die Majorennität des Laienurtheils in Sachen
der bildenden Künste überhaupt bekämpft, während man
auf der Gegenseite sich berechtigt glaubt, über das an-
scheinend nicht geglückte Werk eines Künstlers, genau wie
über den verpaßten Rock eines Schneiders, mit der Ge-
behrde: „Fort damitI" abzunrtheilen. Da ist es wohl an
der Zeit, darauf hinzuweisen, daß so extreme Anschauungen
bei einem künstlerischen Konflikt niemals zum Ziele, zur
Verständigung aller Interessenten, führen. Ls hat übrigens
mit der Bewerthung des Kunsturtheils der Laien schlechter-
dings garnichts zu thun, ob eine bestellte künstlerische Arbeit
verworfen werden dürfe oder in jedem Falle zu billigen sei.
Bei jeder künstlerischen Aufgabe spielt doch für die Lösung
die Person, die (Dualität, die Eigenart des Malers oder
Bildhauers eine ausschlaggebende Bedeutung, sodaß es weit
mehr auf die voranfgegangene Wahl der Persönlichkeit,
als auf das spätere Resultat, das Kunstwerk, ankommt,
 
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