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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 1
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Meyer, Bruno: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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Gustav, Leopold: Die Intern. Kunstausstellung der Münchener "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0017

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Nr. s

4- Die Kunst-Halle

wirtschaft bei den ^lusführmigen, „im Dutzend
billiger" muß den Gedanken ruiniren. —
Das Kunstgewerbe befindet lieh, seit es offiziell in
den Rahmen der akademischen Ausstellungen ausge-
nommen ist, in einer eigentümlichen Lage. Diejenigen,
die seit dreißig Jahren an der künstlerischen Wieder-
geburt des deutschen Handwerks mit großen Schwierig-
keiten und großem Erfolge gearbeitet haben, ohne
die Anerkennung ihrer Würdigkeit und Ebenbürtigkeit
von Seiten der akademischen Kreise erreichen zu können,
haben sich von dem Gedanken, nach so etwas zu
streben und darin etwas Ehrendes und Förderliches
zu sehen, entwöhnt; ja, sie stehen den jetzigen akade-
mischen Liebeswerbungen wohl gar stolz und ablehnend
gegenüber: habt ihr nichts von uns wissen wollen,
als wir strebten und Hilfe brauchten, dann danken
wir für euere Anerkennung., nachdem wir ohne euch
aus eigner Kraft etwas geworden find und fremder
Hilfe nicht mehr bedürfen.
Nur was im Kunstgewerbe noch „strebend sich
bemüht", was eben erst im werden begriffen ist und
nach Anerkennung und Erfolg lechzt — oder stil-
gemäßer ausgedrüekt: was sehr selbstbewußt seine
funkelnagelneuen Offenbarungen der widerstrebenden
Welt aufdrängen und mit einem Platz an der Sonne
der allgemeinen Gunst ertrotzen möchte, was immer
und immer wieder — bis ihm „die Huste ausgeht" -
rufen will: wir sind auch da! ihr dürft uicht über
uns wegsehen! Und wenn ihr auch Krämpfe vor
uns bekommt, wir zwingen euch doch, uus auf allen
eueren wegen anzutreffen! — das strömt herbei
und belegt den offen gewordenen Platz.
Wan kann mit diesen neuen Gebilden nicht an«
dauernd auf der wensur stehen. Wan wird sich weiser
achselzuckend auf einen zuwartenden Standpunkt
zurückziehen, wie jener Chirurg, der den Patienten
abwies: 6onper tzn? pourtznoi? tomderg. tout 86ul!
Das soll aber nicht abhalten, die Sachen zu betrachten
und sicherlich nicht, das einzelne Verdienstvolle anzu-
erkennen.
Den breitesten Raum nimmt die Keramik ein.
Hier ist seit langer Zeit plumpe Formlosigkeit und
möglichst primitive Technik, zumal in der Dekoration,
die Losung. Solche Sachen kommen nur uuter
dem Gesichtspunkte des Farbenfleckes in irgend
einer Zusammenstellung in Betracht. Aber gelegentlich
kann sehr wohl auch einmal ein einzelnes Stück für
sich Theilnahme erwecken. So findet sich in der
breiten Fluth der „Keramiken" von Bing und
Gröndahl (Kopenhagen) eine Art Schale oder Vase
mit großen weißen Blumen (der moderne Natura-
lismus der Gruamentik hat ja seine Hauptforce
darin, die natürlichen Vorbilder unkenntlich zu
machen!), zwischen deren Blättern die wand durch-
brochen ist; der untere Theil des Gefässes ist dunkel-
blau, am oberem zieht sich ein blaßgrüner Blätter-
kranz entlang. Das ist wirklich — nicht gerade vor-
bildlich oder welterschütternd, aber — recht fein.
Dieselben Aussteller sagen beiläufig in zwei großen Por-
zellanvasen nach Entwürfen von Heinrich Hansen
als umgekehrte Luther: „ich kann auch anders!"
Die Gefäße sind in streng klassizistischen Formen ge-
halten, auch in der Dekoration ganz „gewöhnlich".
Wan möchte beinahe sagen: Gott sei Dank! —
Außerdem ist noch das Kran ach er Porzellan, von
Bauer, Rosenthal L To. (Kranach), und das
theilweise sehr eigenartige von Philipp Rosen-
thal L To. (Selp in Bayern) zu erwähnen.
Eine zweite Hauptmasse bilden die Wöbel, als

Wittelstück derselben diesmal ein sogenanntes „Wohn-
zimmer" von Fiu Dietheim (Steglitz) und Rudolf
Witte (Berlin). Darüber habe ich beim besten
willen nichts weiter zu sagen, als: wenn mich
dieses „Wohnzimmer" in meinem Heim erwartete,
so käme ich überhaupt nicht mehr nach Hause. Ob
man solche Ausstattung nicht für die Gefängnißzellen
von Gewohnheitsverbrechern einführen sollte? — zur
wirksamen Abschreckung?! Zur Abwechslung können
auch Wikingerstühle st la Lion Kießling (Berlin)
oder einige Erfindungen von Otto Eckmann (Berlin
— nicht im Katalog) zur Verwendung kommen.
Am aushaltbarsten gestaltet sich immer noch die
Wetallarbeit; ja, die Erzeugnisse — besonders
einige — von Gustav Lind (Berlin) lassen wirklich
wieder den Gedanken aufkommen, daß die Kunst zur
Verschönerung und Veranschaulichung des Lebens
da ist, und nicht, um sich durch die abstrakten Ein-
fälle wunderlicher Heiliger bis in die Heiligthümer
des eigenen Heims mit Rippenstößen verfolgen zu
lassen.
Bruno Weyer.
Vie Intern. üWztaumellung
üer Münckener „Zereszion".
Von Leopold Gustav.

II.
levogt hat nachträglich noch seinen „verlorenen
Sohn" eingereiht. Auf deu ersten Blick wirkt das
Bild direkt abstoßend; doch besitzt das Triptychon
unstreitig starke künstlerische Qualitäten. Die abgeniagerte,
elende Gestalt des nur mit einem schmutzigen Lumpen um-
gürteten Heimkehrenden, der zögernd mit unglücksstierem
Blick die väterliche Schwelle betritt, ist mit rücksichtslosem
Realismus gegeben und wirkt noch besonders durch den
Kontrast zu der orientalischen Pracht des Zimmers und
dein reichen Gewände des Vaters, dessen erschreckter,
zweifelnder Gesichtsausdruck nicht in gleicherweise ties ge-
faßt ist. Hält sich auf dem Mittelbilde Slevogts Kolorismus
in Schranken, so kann von dein Seitenbilde links das Gegen-
theil gelten. Hier, bei der Schilderung der Freuden des
Prassers, praßt er selbst derart in Farben, daß die ganze
Komposition unklar wird; rechts sehen wir den Ver-
zweifelnden in Schwermuth versunken im Schweinestalle;
ein geradezu glänzend gezeichneter Akt! Schade, daß es
bei den großen Vorzügen von Einzelheiten nicht gelingt,
bis jetzt von einem Slevogtschen Bilde einen harmonischen
Eindruck mitzunehmen.
Doch nun zur Landschaft. Ludwig Dills Bilder
aus dem Dachauer Moos sind wieder frischer, als in den
letzten Jahren, dagegen wirkt bei Holzel ein gleiches
Motiv rein nur als dekorativer Farbenfleck; Paul Erodel s
Schaffen ist demjenigen dieser Beiden verwandt, doch steht
er besonders aus den Bildern mit Hellein Licht auf eigenen
Füßen; sehr fein beobachtet ist der Wolkenzug in „Sommer-
morgen". Der Dachauer Flad sieht seine Landschaften
mehr nach der lyrischen Seite des Meyer-Basel hin, von
dein die Ausstellung wieder stimmungstiefe Herbstbilder
besitzt. Rich. Pietzsch und Rich. Kaiser stilisiren etwas
Heroisches in ihre Landschaften hinein, sie haben hierin
gewisse Aehnlichkeit mit Leistikows durch die konzeutrirte
Stimmung bemerkenswertstem „See im Grünewald", was
Haiders naiv gemachte Landschaften unserer differenzirteren
Anschauung etwa schuldig bleiben, macht der Künstler durch
die biedere Ehrlichkeit seines Könnens wieder wett. Nie-
meyers Landschaft ist diesmal eine Mrgie talentvoll stin-
gesetzter braun - grün-rotster Farbenflecke. Hästn ischs
flott hingestrichener „Einsamer Hof" hat noch Manches, was
noch nicht völlig bewältigt ist. Benno Becker ist wieder
 
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