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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 7
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Dresdner Kunstbrief
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Jessen, Jarno: Berliner Kunstsalons
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0123

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Nr. 7

Die Aunst-Halle -lb

s05

eigenes Kunstkabinet geschaffen. Allein voran steht das
Porträt des Vaters des Künstlers in Lebensgröße, ein
prächtiges, lebensvolles Oelbild, dem sich, räumlich ent-
gegengesetzt, das Bild der Gemahlin des Künstlers in
lichten, freundlichen Farben in gleicher Vortrefflichkeit an-
schließt. Aehnlich dem letzteren in Konzeption sowie Aus-
führung ist das Bildniß eines Fr!. Tr., das gleich den
anderen die Vorliebe wittings für die vornehmste Porträt-
malerei dokumentirt. Die Vielseitigkeit des Künstlers er-
sehen wir aus den verschiedensten „Studien" und „Skizzen";
Landschaften laus der Umgegend Dresdens) sind mit gleicher
Liebe behandelt, wie die Entwürfe zu einein, offenbar al
tr68oo gedachten Kirchenbild.
Hepliyse l^uyskssloys.
(. Künstlerhaus. — Cassirer. — Zaeslein.
-^>n der weihnachts Ausstellung des Künstlervereins
darf penry Luyten-Antwerpen das Hauptinteresse
für sich in Anspruch nehmen, wenn er auch stark
an „Armeleutemalerei" erinnert, die als solche ja wohl
längst ihren Kurswerth eingebüßt hat. Doch brauchte
nicht erst ein „bin äe sioolo" zu kommen, um uns geräusch-
voll zu belehren, daß auch die schlichtesten Daseinsformen
nicht arm an menschlich sympathischem Inbalt und an
malerischem Reize sind. Aber gerade von der bedeutendsten
Schöpsung Luytens, dem eine ganze wand bedeckenden
Triptychon in gut lebensgroßen Figuren „Der Kampf um
das Leben" bleibt nichts übrig, wenn man von der agitato-
rischen Tendenz absieht und den Werth einer tüchtigen
Mache nicht über Verdienst würdigt. Links sehen wir das
unglückliche Proletarierweib, ein Kind auf dem Arm, ein
Anderes an der pand, vor Elend und puuger stumpfsinnig
durch die öden Straßen wandeln, die nur ein fahler Licht
schein aus glänzenden Magazinen spärlich erhellt. In dem
initiieren Pauptbilde drängen sich die Männer in wüstem
Durcheinander mit frenetischem Gebrüll, um eine als Wahr-
zeichen getragene Tafel mit der Inschrift „vn pgin! l)n
?uin!" vor einem der Ihrigen, der sie mit flammenden
Worten zum Verzweiflungskampfe anreizt. Rechts hält an
einem abgelegenen Orte ein Soldat stumme wacht bei den
stummen Opfern, die der Aufruhr gefordert hat, Männer
und Weiber durcheinander. Es sind vortreffliche Einzel-
heiten in den Szenen. Doch in der freien und befreienden
Kunst, die immer snb spwoio aotorui schafft, hat die reine
Tendenz keine Stelle. Der Meister erscheint daher mehr
zu seinem vortheil in den anderthalb Dutzend zum Theil
auch noch ziemlich umfangreichen Bilderti, die er außerdem
ausgestellt, wenn auch in ihnen stellenweise die leidenschaft-
liche Parteinahme kanm weniger in die Erscheinung tritt.
Aber die Ziegelträgerinnen, die Torfmühlen und andere
Darstellungen führen uns nur eindringlich zu Gemüthe,
daß es recht viel harte Arbeit in der Welt giebt. Aber
nicht das, sondern das unverdiente Elend, stößt uns das
Perz ab. wie rührend und erhebend sogar, wenn wir
hier die ruhige Pingabe an das schwere Tagewerk, in dem
„Allein auf der Welt" die über alle Mühsale triumphirende
und sie adelnde Mutterliebe erkennen! Es ist nicht zu-
fällig, daß die Wirkung sich um so mehr abklärt, se mehr

in den Gegenständen das rein Menschliche in schlichten
perztönen anklingt, so in einen: „holländischen Interieur"
(Frau mit Kind im Arm vor dein Kaininfeuer sitzend), in
dem trotz des unnöthigen großen Maßstabes liebenswürdigen
„Rachbargespräch" mit der famos beobachteten Pose des
jungen Mädchens, und in der beinahe hübschen „Träumerei".
Freilich begegnet auch allerlei völlig Unannehmbares,
namentlich landschaftlich; ein „Seesturm" ohne alle Natur,
der vor Allen: noch nicht einmal eine leichte Brise ist, eine
wirklich sehr schlechte „Schneestudie", ein Bild „Regnerisch"
mit der gedankenlosen Photographie - Perspektive «hoher
porizont, langweiliger Vordergrund mit falscher räumlicher
Wirkung). Ein anderes, gleich benanntes Bild ist viel
besser, an: angenehmsten unter den landschaftlichen Bildern
ein „Pünschen in polland".
Aus dem reichen sonstigen Bestände der Ausstellung
kann nur noch weniges hervorgehoben werden. Ganz
vorn begegnet eine Studie der Kaiserin Friedrich:
Bachmotiv bei Kampiglio, dem nicht so leicht etwas Rühm-
licheres nachgesagt werden kann, als daß es im Charakter
Aehnlichkeit mit Paul Meyerheims Wasserfall bei Triberg
im Schwarzwalde hat. von dem neuesten Senator Ernst
pildebrand erscheint ein reizvoller Mädchenkopf, halblebeus
groß, und ein niedliches Genrebild „Min Schip". Julius
Ehrentrants „Erwartung" lehrt, was beinahe selbstverständ-
lich ist, daß seine eigenartige Kunst ihren Reiz einbüßt,
wenn sie sich auch nur im Allergeringsten zu „modernen"
Anwandlungen bequemt; wie M. Wilberg „das neueste
Modejonrnal" zeigt, daß bei gewissen Grnndzügen Zierlich
keit in der Durchbildung nirgends vermißt werden darf;
womit mn Alles in der Welt nicht die flache Süßlichkeit
von (Otto Lingners „perzensfrage" gemeint sein soll.
Zahlreiche Andere, die mit einzelnen Arbeiten von hin-
länglich bekanntem Charakter erscheinen, muß ich mir auch
nur aufzuzählen versagen. Bemerkenswerth aber ist es,
wie die ans der Malerei immer mehr verjagte Sorgfalt
der feinen und charaktervollen Formgebung sich in die reine
Zeichnung flüchtet: Konrad Fehrs Studienkopf eines Mönches
sowie mehrere Bildnisse von Rudolph Thienhaus können
hierfür als lehrreiche Beispiele dienen, und gewißermaßen
o nontrnrio der fast scherzhafte Umstand, daß Theodor
wedepohl ein gut durchgeführtes lebensgroßes gemaltes
perrenbildniß, Kniestück, mit auffälliger Inschrift als
„Skizze" kenntlich macht: es scheint danach beinahe, als
wenn es zur Wahrung des guten Rufes vermieden werden
müßte, ein ausgeführtes Bild wirklich auszuführen, und
daß man sich solche Extravaganzen nur noch in Skizzen
und Studien erlauben darf!
Zahlreich, wiewohl nicht gerade hervorragend ist die
Plastik vertreten, an: interessantesten wohl durch Martin
Schauß. Ob wir uns an solche lebensgroße Majolika
Büsten, falls sie uns als vollgültige Porträts geboten
werden, wohl gewöhnen können? Ich möchte es beinahe
bezweifeln. Der nur dekorative Werth solcher - darum
gewiß nicht gering zu achtender — Arbeiten scheint wohl
unverkennbar zu sein. Daher auch so ein munteres Zier-
Figürchen wie „Petite Gavotte" günstigen Eindruck in dieser
Technik macht. Und doch: wie viel mehr läßt sich auch in
diesem Charakter durch Bronze erreichen, wie das zierliche
Dämchen „zur Eisbahn" zeigt! Recht gut ist die meiner
Erinnerung nach schon bekannte Prell-Plaquette. Paul
Aichele tritt sehr ungleich auf, beinahe nicht zusammen-
 
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