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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 22
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Ein neues Schutzmittel für Gemälde
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Paris: Aus den "Salons" von 1901
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3H8

Die Run st-Halle

Nr. 22

im Wasserbade erhitzt und verrührt. Der verflüchtigende
Terpentin dient als Verdünnungsmittel. Die gänseschmalz-
artige Masse läßt sich leicht verstreichen, was sich davon
durch Leinwand und Malgrund in die Farbe einsaugen
kann, erfrischt und regenerirt dieselbe. Die durch das
daran gebundene Vaseline geschmeidig bleibenden festen
Stoffe bleiben auf der Rückseite haften und nehmen der
Leinwand dauernd ihre hygroskopische Eigenschaft.
Da die hauptsächlichsten Bilderschäden aber von der
Einwirkung der Feuchtigkeit auf die Leinwand und das
cholz herrühren, wird durch die Anwendung des Bilder-
schutzmittels das Wohlerhaltenbleiben der Kunstschätze der
Malerei gesichert.
Paris-
HU5 aen „Salons" von 1001.
Die Bijouterien.
Als sich die Pforten der pariser Weltausstellung t9OO
schlossen, war in der Bijouterie die Ueberlegenheit des
modernen Stils besiegelt, und selbst viele seiner anfäng-
lichen Gegner konnten nicht umhin, die Kühnheit, den
phantasievollen Schwung desselben zu bewundern. Ein Be-
such der diesjährigen „Salons" im Grand Palais, in denen
gegenwärtig Erzeugnisse der Juwelier- und Gold-
schmiedekunst neben Werken der dekorativen Kunst aus-
gestellt sind, liefert uns zwar wieder den Beweis, daß es
sich nicht um eine vorübergehende Laune, eine flüchtige
Erscheinung handelt; leider aber können sich die Bewunderer
des modernen Stils nicht verhehlen, daß man bereits über
das rechte Maß hinausgegangen ist, daß neben einer großen
Anzahl wirklich schöner Gegenstände auch die Mittelmäßig-
keit und stümperhafte Unfertigkeit sich breit machen. Man
darf der Jury den Vorwurf allzu großer Nachsicht nicht
ersparen. In Kunstfragen ist Nachsicht stets schädlich, und
die Jury konnte die ganze Richtung nicht ärger gefährden,
als durch die Zulassung mittelmäßiger Arbeiten von uner-
fahrenen Neulingen. Um ein Geschmeide künstlerisch her-
zustellen, genügt es nicht, eine lebhafte Phantasie und eine
gewandte chand zu besitzen, man muß auch die Technik, die
feststehenden Regeln der Kunst beherrschen.
Der Künstler darf nicht vergessen, daß die Zeichnung
eines Geschmeides und der durch dasselbe auszudrückende
Gedanke gleichsam in Gold, kostbare Steine und Email
übersetzt werden soll, und nur wenn er neben der Inspi-
ration auch die technische Fähigkeit zur Ausführung seiner
Idee besitzt, wird er der Schöpfer wirklicher Kunstwerke
sein. Als solche kann man die prächtigen Erzeugnisse von
Desrosiers und Fouquet bezeichnen, in denen eine kühne
Erfindungsgabe und eine wundervolle charmonie aller
Details zum Ausdruck kommt. Auch die Bijouterien von
Richards sind von außerordentlich diskretem Reiz, und
namentlich seine Uhren gefallen durch ihre stilvolle Ein-
fachheit.
Wie immer, so ist auch diesmal die Ausstellung des
Meisters. Rens Lalique eine einzige große Ueberraschung,
ein Wunder der Phantasie. Seine Ringe und Kolliers sind
unbeschreiblich schön. Er ist unerschöpflich in der Ver-
wendung der Metalle und Steine, in der Erfindung köst-
licher Motive. Kühn ergreift er die Initiative zur

Schöpfung neuer Formen und zeigt sich immer von Neuem
als ein rechter Pfadfinder. In allen seinen Werken ist er
originell, erfindungsreich und bezaubernd, ein rechter Ver-
treter der neuen Kunst, für welche sein schöpferischer Geist
die Wege erforscht, aus denen sie zur chöhe gelangen wird.
Die Schöpfungen Beckers tragen ein ernsteres,
strengeres, klassischeres Gepräge, in allen aber spricht sich
eine vollendete Künstlernatur aus. Seine Bijouterien,
die weder Email- noch Steinschmuck aufweisen, erscheinen
neben glänzenderen, kapriziösen Erzeugnissen von bezaubern-
der, edler Einfachheit. Sein Hauptwerk besteht in einer
Uhrkette von außergewöhnlicher Schönheit und Vollendung.
Das Lpheumotiv, welches sich auch an dem Uhrhaken
wiederholt, giebt der Kette fast etwas Melancholisches; der
Lpheu erscheint uns hier als das Symbol unvergänglicher
Erinnerungen. Um diese Kette herum grupxiren sich die
Uhren, auf denen wir die anmuthigsten Blumenmotive,
Veilchen und wilde Rosen bewundern. Der Ring einer
dieser Uhren wird durch eine goldene Sichel gebildet, um
die sich ein Mistelzweig schlingt, während der Deckel der
Uhr Lichenblätter ausweist; ein Kindermedaillon an einer
anderen Uhr ist von unbeschreiblicher Anmuth.
Die Linien der Beckerschen Arbeiten sind von eleganter
Einfachheit, und die Details dieser Erzeugnisse würden fast
streng erscheinen, wenn die Motive nicht zum größten Theil
der blühenden Natur entlehnt wären. Der vorherrschende
Eindruck aller dieser Kunstwerke ist der einer seinen
charmonie, die sich frei hält von jeder Manierirtheit. Den
Extravaganzen, in denen sich viele Anhänger des neuen
Stils noch gefallen, ist hier ein geläuterter Geschmack aus
dein Wege gegangen. Sämmtliche von Becker entworfenen
Bijouterien sind von Richard in bewundernswerther weise
ausgeführt und ziselirt.
Neben dieser Ausstellung haben einige prächtige Kunst-
werke ihren Platz gefunden, unter denen uns besonders
ein Briefbeschwerer auffiel, den wir nicht unerwähnt lassen
möchten. Zwischen Wasserlilien ruht die Gestalt der
Mphelia. Eine unaussprechliche Traurigkeit prägt sich in
dem schönen Antlitz mit den geschlossenen Augen aus, das
lose herabwallende paar ist mit Blumen übersäet.
Eine wesentliche Rolle bei der Ausstellung von
Schmucksachen spielt bekanntlich das Arrangement und die
Vitrine, in welcher sie sich dem Auge xräsentiren. In
dieser vinsicht ist wieder Lalique unvergleichlich, und kaum
ein anderer versteht sich wie er aus die .miss en seeue"
seiner Werke. Die Spiegelscheiben seiner rechtwinkeligen
Vitrine werden an jedem Winkel von mächtigen Schlangen
mit ungeheuren, geradlinigen Leibern aus mattem Glase
gehalten, die sich, Zwanzig an der Zahl, höchst wirkungs-
voll aus einem Fond aus weichem, weißen Stoff xräsentiren.
Dies originelle Ensemble reizt unwillkürlich die Neugierde;
man tritt hinzu, prüft und — bewundert die Werke des
jungen Meisters.
vor manchen Vitrinen dagegen können wir ein Be-
dauern nicht unterdrücken, daß die in denselben ausgelegten
Gegenstände so leicht von der Jury zugelassen wurden.
Die wirklichen Künstler beginnen auch schon, sich gegen die
Zulassung solcher mittelmäßigen, industriellen Produkte ohne
jedes Interesse, die nur ihren Fabrikanten als bequeme
und wohlfeile Reklame dienen, auszulehnen, und es sollte
uns garnicht wundern, wenn sich eine neue „Sezession"
 
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