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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 9
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Imhof, Franz: Zum Dresdner "Bildhauerstreit"
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E. Doeplers d. A. Lebenserinnerungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0155

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Nr. 9 -—-4- Die Au n st-Halle -4--—- fZf

E. Doeplkls d. A. zkliknsttilmelilngen.
(Schluß.)
„Als ich die ersten zwei Monate bei Hiloty hos-
pitirte, batte ich Gelegenheit, mit Makart viel zu ver-
kehren. Makart und icb speisten in einem Hotel in
der Nähe des Bahnhofes und gingen stet- zusammen
dorthin und auch zurück. Makart uralte damals ein
mächtiges Bild für Herrn von Stieglitz in Petersburg,
„Die Siesta des Kardinals" darstellend. Das Bild
ist bekannt genug und ich brauche darüber nicht zu
sprechen, es handelt sich hier nur um die Gruppe
des Hagen, der in einem weißen, blau besetzten Kostüm
im Vordergrund des Bildes neben einem kleinen
Mädchen sitzt, beide einen Schwan fütternd. Auf
einem Rückwege von unserem Diner jagte Makart zu
mir: „Sagen Sie mal, lieber Hrofessor, Sie haben ja
wohl Alterthümer, haben Sie keine schöne Renaissance
form für meinen Dolch, den ich dem Hagen im
Vordergründe meines Bildes geben könnte?" Ich
erwiderte, ich habe wohl einen solchen, aber die (form
würde Ihnen wenig zusagen, gehen Sie doch zu
Bruillot ins Kupfersttchkabmet, der wird Ihnen gern
helfen! Darauf sprachen wir über andere Dinge
und wie wir im Atelier ankamen, zog Makart seine
schwarzen Glases, die er immer trug, nicht einmal
von der Hand, sondern ergriff Hinsel und Halette,
setzte sich vor sein Bild, stehen konnte er nicht, da
der Hage zu tief auf dem Riesenbilde saß und sing
an zu malen, während ich an meine Arbeit ging.
Nach kaum einer Stunde kehrte ich zu Makart zurück
und da hatte er einen goldenen Dolch von beträcht-
licher Größe gemalt, wie ihn keiner unserer großen
Meister der Renaissance schöner hätte erfinden können.
Beim Anblick dieser Leistung habe ich auch meine
Gedanken gehabt über die Unmittelbarkeit und die
Telegraphie vom Hirn bis in die Fingerspitzen.
Liezenmayer, der auch zu gleicher Zeit an einem
großen Bilde für Herrn von Stieglitz malte, eine
„Rückkehr von der Jagd", arbeitete mit großer Be-
herrschung alles Technischen nach genauen Natur-
studien, das Bild hatte nicht den poetischen Reiz der
Komposition Makarts, war aber dafür realer. Makart
ließ sich ein Modell kommen, z. B. für die Hauptfigur-
seines Bildes, den Kardinal, hing diesem die pracht-
vollsten Stoffe aus Hilotys Stoffsammlung um,
arbeitete sodann 3—4 Stunden nach diesem Modell,
um dann dasselbe fortzuschicken, das was er gemalt
hatte auszuwischen und mit dem Spachtel abzuschaben.
Nachdem das Modell, das ihn zu nichts begeistern
konnte, gegangen, nahm Makart, der sich an den
Stoffen satt gesehen, seine Halette wieder zur Hand,
um nun in unglaublich kurzer Zeit eine Figur zu
schaffen, die wunderbar koloristisch wirkte, ei,re
Wirkung, die freilich manchmal mit Mitteln hervor-
gebracht wurde, die nicht immer stichhaltig sich er-
wiesen, woher auch viele Bilder.Makarts wie z. B.
das der „Katharina Tornaro"' und das Hamburger-
Bild „Karl V." so nachgedunkelt haben. Hat man
diese Bilder während ihres Entstehens gekannt und
gesehen, so nruß man tief bedauern, daß sich diese
vielen Feinheiten im Bouquet der Farbe nicht erhalten
haben. — Mit Gabriel Mar verkehrte ich ungemein
gern, siel doch bei unserem gegenseitigen Gedanken-
austausch manch goldenes Körnlein dieses vergeistigten
Künstlers ab, das bei mir einen fruchtbaren Boden fand."

„Bonaventura Genelli war eine Gestalt wie
aus Stein gemeißelt. Ich erinnere mich seiner als Fahnen-
träger des Künstlerbataillons im Jahre (8^8 in
München, wo er mit nervigem Arm das flatternde
Banner regierend, aussah, wie eine antike Figur,
groß und gewaltig, ein Mann in des Wortes edelster
Bedeutung. Genelli war für gewöhnlich sehr häus-
lich, aber von Zeit zu Zeit faßte ihn der kuror
Kutomtms, obgleich erBerliner von Geburt, italienischer
Abkunft war, dann pflegte er zu seiner Frau zu sagen:
„Weib, gieb mir Geld, ich muß ein wenig kneipen!"
Seine Gattin kannte das schon und eilte herbei mit
einer Hand voll Thalern. Dann hielt er die Hand
auf und ein Thaler nach dem anderen glitt oder fiel
in seine hohle Hand bis er ausrief: „Genug! und
nun Gott befohlen! Du weißt wo ich bin, in der
kleinen Weinhandlung an, Markt!" Nun schickte
Genelli einen Dienstmann an seine Freunde und ließ
ihnen mittheilen, wo er sich befinde. Häufig kam
auch nur die Botschaft, und wenn es meine Zeit
erlaubte, ging ich gerne hin, denn Genellis Unter-
haltung war schon eine kleine Ausgabe an Wein
werth. So saß Genelli vor seinem Glase unentwegt,
viele, viele Stunden und gab aus seiner reichen Er-
fahrung zum Besten, was ihm just einsiel oder
betheiligte sich in höchst geistreicher und witziger Weise
an irgend einem Thema, was der Tag gerade mit
sich brachte. Man blieb so lang man es verantworten
konnte; wenn nun einer die viereckige Tafelrunde
etwas zeitiger verließ, dann konnte man Genellis
stereotypes: „Hol' die Heft alle feigen Memmen!"
hinter sich herdonnern hören. Ich habe ihm manche
schöneStunde zu danken und vieles von ihm gelernt. . ."
Hätte uns Doepler z. B. nur überliefert, was
alles Genelli in diesen „schönen Stunden" über seine
so anders wie er gearteteil Zeitgenossen gesprochen!
Das allein wöge einige Bogen dieses Buches auf.
Es gehört wohl eine gewisse Eitelkeit dazu, sich hier
auf eine nichtssagende Schmeichelei zu beschränken:
„Ich habe Sie bewundert, wie Sie den Vorsitz geführt
haben . . Hat aber Genelli wirklich dieses „un-
erhörte" Lob mit besonderem Nachdruck gespendet!
dann muß er den Mann gleich durchschaut haben.
X
Lum »reiner „üiMauemmt".
an schreibt uns aus Dresden: Zur Er-
klärung dafür, daß diese bereits in voriger
Nummer der „K.-H." berührte Angelegen-
heit so kräftig ausgefochten wurde und so weite
Kreise zog, fei vorausgeschickt, daß die Begünstigung
der ausländischen Kunst speziell in der Kgl. Skulp-
turensammlung seit Jahren so auffällig in die Er-
scheinung trat, daß nicht nur die Bildhauer arg ver-
stimmt waren. War man zunächst dem Leiter Ver-
sammlung, Georg Treu, als er in dem neuen Ge-
bäude die von Hermann Hettner übernommenen
Bestände in der Weise vermehrte, daß hervorragende
ausländische Kunstwerke angekauft wurden, von Herzen
dankbar, so mischte sich doch in dieses Gefühl nut der
Zeit ein immer neue Nahrung erhaltendes Unbehagen,
als man sah, daß immer weiterfastalleverfügbaren
Mittel ins Ausland wanderten, daß bei einer ge-
 
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